24. Februar 2021 | Hüblers Bunker-Chroniken

Die Macht der Worte in virtuellen Meetings

Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor  Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich mit der Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt! Diesmal zur “Macht der Worte in virtuellen Meetings”.

In gewohnt kritischer, leicht zynischer, aber auch humorvoller Manier reflektiert  Michael Hübler die derzeitige Situation und damit Themen, die ihn bewegen. Er möchte Mut machen, Ablenkung schaffen, vielleicht auch zum Nachdenken anregen in einer aktuell schwierigen Zeit. Eine Zeit, der wir uns als Gesellschaft, Familie, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, aber auch als Freunde und Individuum stellen müssen. Daraus entstehen – mit dem ihm so typischen Augenzwinkern – die Hübler Bunker-Chroniken.

Und auch im Jahr 2021 geht es weiter mit den Bunker-Chroniken, denn auch wenn wir es uns zu Beginn der Pandemie niemals hätten vorstellen können, bestimmt Corona nach wie vor unser tägliches Leben – beruflich wie privat.

Viele Meetings waren immer schon ein wenig langweilig. Was in Präsenz jedoch durch den Smalltalk in den Pausen oder die Körpersprache mancher Redner aufgewogen wurde, fällt nun in virtuellen Meetings weitgehend weg. Zudem fällt im Homeoffice der soziale Zwang des tatsächlichen Daseins weg. Umso wichtiger wird es, sich über die Kommunikation in virtuellen Besprechungen Gedanken zu machen, um die Teilnehmer bei Laune zu halten. Machen wir uns also Gedanken über die Macht der Worte in virtuellen Meetings.

Handtaschen-Rhetorik für das Homeoffice

Über die teils gruseligen Folgen von langweiligen virtuellen Besprechungen wird sowohl im privaten als auch beruflichen Umfeld landauf, landab reichhaltig gelästert. Lehrer/innen werden stumm geschaltet, weil ihr langweiliger Vortrag beim Klavierspielen stört. Die persönliche Bedeutung im üblichen zweistündigen Wochen-Meeting hält sich in Grenzen. Warum also nicht parallel das Geschirr abspülen oder sein Fahrrad reparieren und sich per Headset jederzeit einklinken können. Das merkt sowieso niemand. Und Hand hoch, wer tatsächlich so pflichtbewusst ist, dass er oder sie niemals während eines langweiligen Vortrags parallel seine E-Mails bearbeitet.

Die Zusammenarbeit auf Distanz zeichnet sich durch große Freiheiten aus, die keiner sozialen Verpflichtung mehr folgen. Während ich vor Ort so manche geistige Durststrecke im Rahmen eines Beitrags durchstehen musste, ließen sich zumindest hier und dort noch ein paar einzelne wertvolle Aspekte herauspicken. Im Homeoffice jedoch gilt: ganz oder gar nicht. Wer seine Zuhörer/innen nicht von Beginn an ohne Umschweife mitnimmt, verliert sie für immer.

Die Macht der Worte und damit der Rhetorik ist folglich bedeutender denn je.

Die Macht der Worte ist bedeutender denn je.

Gleichzeitig stehen wir vor zwei Hürden:

Erstens wäre es vermessen, alle Teamleiter/innen oder sogar Mitarbeiter/innen zu Top-Rhetorikern auszubilden. Die gute, alte griechische Rhetorik mit ihren Metaphern, Anaphern und Alliterationen mag auf großen Bühnen zu einem begeisterten Publikum führen, in jungen, agilen Teams wirkt eine Alliteration wie „Unser Konzept sollte wissenschaftlich, wirtschaftlich und wirkungsvoll sein“ oder eine Anapher wie „Danke für Ihre Leistung! Danke für Ihre engagierte Leistung! Danke für Ihre großartige Leistung!“ eher altbacken. Die Verwendung von Metaphern will gelernt sein. Die negativen Wortbilder, die ich bisher verwendete, Durststrecke und Hürden, lassen sich langfristig aneignen, sollten jedoch auch nicht übertrieben werden. Aus meiner Erfahrung nutzen die meisten Menschen jedoch bereits mehr Metaphern als ihnen bewusst ist.

Zweitens ist die Zeit knapp in unserer hektischen Welt. Ich habe zur Inspiration für diesen Artikel in ein paar Rhetorik-Büchern aus meinem Regal geschmökert. Vor mir liegt beispielsweise ein wirklich gutes Buch des Rhetorik-Spezialisten Roman Braun (Die Macht der Rhetorik). 300 Seiten geballte Informationen. Voller Tipps und spannender Beispiele. Über Redner-Rollen, den Aufbau einer Rede, logische Zusammenhänge, hypnotische Redewendungen und die Ansprache von Emotionen. Alles Bausteine, die ich auch hier einfließen lasse. Zusätzlich geht es um Glaubwürdigkeit, Körpersprache, Lampenfieber und den letzten Schliff, vor dem sich sogar Aristoteles verneigen würde. Interessant zu lesen. In einer Woche zum Top-Rhetoriker. Warum nicht? Wenn ich jedoch in den Alltag blicke: Zeitstress, Ungeduld und Krisenstimmung. Also machen wir es kurz …

Fünf rhetorische Handtaschentipps zur Macht der Worte

1. Thema statt Ego

Heißen Sie Obama? Eben. Ich auch nicht. Zu meinen Seminare gehen die Leute nicht wegen mir, sondern wegen des Themas, das ich anbiete. Menschen hören uns zu, weil sie sich etwas von dem erwarten, was wir zu erzählen haben. Es geht also beinahe niemals darum, wer wir sind oder wie es uns persönlich geht, sondern beinahe immer um die Inhalte. Entschuldigungen, dass wir uns schlecht vorbereiten konnten, weil die Zeit knapp war oder keine geübten Redner sind, mögen nett gemeint sein, interessieren jedoch niemanden. Seien Sie demütig. Es geht nicht um Sie, sondern um das Thema.

Natürlich strahlt unsere Nervosität oder Begeisterung auf andere ab. Das Phänomen der Spiegelneuronen wirkt abgeschwächt auch über die Distanz. Gerade die Fokussierung auf das Thema hilft Ihnen jedoch dabei, sich zu begeistern oder Ihre Nervosität zu vergessen. Wenn Sie sich gut vorbereitet haben, spielt es keine Rolle, wer Sie sind und wie gut Sie sprechen können.

2. Zukunft statt Status quo

Unsere Zuhörer/innen interessieren sich auch nur bedingt für den Status eines Projekts. Wenn ich weiß, dass wir in einem Projekt einen wichtigen Meilenstein erreicht haben, sind das Streicheleinheiten für unser Seelenheil. Und ein Lob ab und an tut jedem gut. Wichtiger ist jedoch die Frage, was wir daraus machen. Zeitungen orientieren sich ebenso nicht nur daran, den Status einer Information festzustellen, sondern die Bedeutung und Konsequenzen für die Leser/innen am besten anhand von Beispielen zu beleuchten. Einen Meilenstein erreicht zu haben bedeutet für die Zukunft, gut in der Zeit zu liegen und sich damit umso intensiver um den nächsten Meilenstein kümmern zu können. Es bedeutet auch, die positive Energie des Erreichten mitzunehmen. Haben wir damit mehr Zeit für kreative Entdeckungen, oder wollen wir die Energie nutzen, um noch mehr Zeit zu gewinnen, vielleicht weil später ein thematischer unsicherer Baustein kommt, bei dem wir diesen Zeitgewinn gut gebrauchen können?

3. Erstrebenswertes statt zu Vermeidendes

Dabei spielt auch das Gegensatzpaar Angst und Freude eine bedeutende Rolle. Menschen werden entweder durch die Vermeidung von Angst oder das Anstreben von Freude motiviert. Beides wirkt in der Zukunft. Wir haben Angst, weil es Unangenehmes passieren könnte und entwickeln eine Vor-Freude, weil wir vermuten, dass die Zukunft großartig werden könnte, wenn wir uns anstrengen. Die Vermeidung von Angst antizipiert eine zukünftige Erleichterung. Der Pfad der Vor-Freude führt uns zu Erfolg und Begeisterung. Beide Wege sollten in Beiträgen angesprochen werden. Wer nur von „making our team great again“ spricht, erntet vor den heimischen deutschen Bildschirmen ein Augenrollen mit Domino-Effekt. Gerade die Deutschen lieben anscheinend die Selbstkasteiung und alles, was schief lief oder noch laufen könnte. Wer jedoch weiß, wovor er davon läuft, weiß noch lange nicht, wohin er eigentlich hin will. Beginnen Sie daher damit, wovor wir Angst haben, was wir nicht wollen und enden mit dem Erstrebenswerten.

4. Gemeinsam statt Gegeneinander

Auf der politischen Bühne gilt der Grundsatz der Abgrenzung. Nur wer deutlich macht, dass er eine andere Meinung als der Gegner vertritt, zeigt, wofür er steht und wird damit wählbar. In Meetings geht es jedoch nicht um Wahlen oder darum, wer besser ist. Es geht um den Informationsgehalt von Inhalten, um den Mehrwert für die Kollegen und Kolleginnen. Um nicht mehr und nicht weniger. Dieser Mehrwert steigt nicht, wenn Sie auf Rückfragen Ihren Vortrag verteidigen, sondern wenn Sie Fragen und Entgegnungen nutzen, um das dargebotene Gericht weiter zu verfeinern.

5. Zum Mitdenken einladen

Dazu passt der letzte Tipp: Lassen Sie Raum für die Gedanken der Kollegen und Kolleginnen. Damit werden Sie nicht überrascht von Entgegnungen, sondern behalten selbst das Heft in der Hand. Überlegen Sie sich dazu vorab, wann Ihre Teamkollegen Fragen haben könnten und bauen diese bereits in Ihren Vortrag mit ein:

  • Was wurde euch klar? Wo gibt es noch Fragen?
  • Was bedeutet das für uns? Für mich bedeutet das … Was bedeutet das für euch und eure Arbeit?
  • Welche Schlussfolgerungen können wir hieraus ziehen? Ich bin auf folgende gekommen: … Aber ich bin mir sicher, dass ihr auf weitere Aspekte kommt, die mir noch nicht aufgefallen sind.

Zum Mitdenken einzuladen kann auch visionär sein: Könnt ihr euch vorstellen, wo wir in einem Jahr stehen werden? Wie es wäre, wenn wir mit unserer Konkurrenz kooperieren würden? Was wird wohl passieren, wenn die Konjunktur im nächsten Jahr wieder anzieht und wir den Anschluss verpassen? Was sollten wir jetzt schon tun, um darauf vorbereitet zu sein?


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Noch mehr Beiträge aus den Bunker-Chroniken findet ihr
 hier.

Die Themen “Körpersprache”, “Proaktives Führen” und die “Macht der Worte” beschäftigen Michael Hübler auch in seinen  Büchern.

 


Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

Bei metropolitan von Michael Hübler erschienen:

 Provokant – Authentisch – Agil
Die neue Art zu führen
Wie Sie Mitarbeiter humorvoll aus der Reserve locken
ISBN 978-3-96186-004-3

 New Work: Menschlich – Demokratisch – Agil
Wie Sie Teams und Organisationen erfolgreich in eine digitale Zukunft führen
ISBN 978-3-96186-016-6

 Die Bienen-Strategie und andere tierische Prinzipien
Wie schwarmintelligente Teams Komplexität meistern
ISBN 978-3-96186-031-9

 Die Führungskraft als Krisenmanager
Wie Führungskräfte in turbulenten Zeiten Orientierung bieten, Konflikte schlichten und Mitarbeiter begleiten
ISBN 978-3-96186-044-9

 Gesellschaftliche Konflikte in der Corona-Krise
Besonderheiten, Hintergründe, Lösungsansätze
ISBN 978-3-96186-047-0