10. Juni 2021 | Hüblers Bunker-Chroniken

Selbstmarketing und Karriere machen in einer digitalen Welt

Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor  Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich mit der Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt! Diesmal geht es darum, sich trotz räumlicher Distanz und digitalem Arbeitsumfeld bei der Führungskraft in Szene zu setzen, das eigene Potenzial gewinnbringend zu präsentieren und selbst im Homeoffice Aufstiegschancen auszubauen. Es geht um Selbstmarketing.

Selbstmarketing und Karriere machen in einer digitalen Welt

Das Problem

Während die Selbstempfehlung in einem Unternehmen für höhere Weihen früher anhand von Gesprächen am Rande eines Meetings oder über die eigene Präsenz stattfand, stellt sich die Frage, wie ich mich meinen Vorgesetzten präsentiere, wenn ich diesen vor allem virtuell begegne. Es gilt also, neue Wege des Selbstmarketings in digitalen Zeiten zu erkunden.

Drei verschiedene Karrieretypen

Karriereambitionierten stehen im Wesentlichen drei Optionen zur Verfügung:

  1. Die dominante Variante: Ein selbstbewusster Mensch setzt sich in Meetings in Szene oder empfiehlt sich der Führungskraft als neue Projektleitung. Er hält seine Augen und Ohren offen, um schnell und gezielt seine Chancen zu ergreifen. Das wirkt bisweilen dominant und vielleicht sogar arrogant, zeigt jedoch, dass hier jemand ist, der sich als Teamleitung auch gegen Widerstände durchsetzen und seinen Mitarbeitenden unangenehme Wahrheiten vermitteln kann.
  2. Die emotional und sozial kompetente Variante: Eine Option, die im Vergleich zur dominanten Variante eher, aber natürlich nicht nur von Frauen genutzt wird. In diesem Fall drängt sich die Person, die sich für eine höhere Position empfehlen will, nicht auf, sondern glänzt durch leise, aber kluge Kommentare in Meetings und nutzt den Smalltalk im Gang oder in der Teeküche, um sichtbar zu werden. Zudem haben solche Menschen ein offenes Ohr und das beratende Verständnis für die Chefin und ihre Nöte. In diesem Fall präsentiert sich die Person nicht als absolute Nummer 1 für eine Leitungsposition, sondern empfiehlt sich für perfektes Teamwork mit dem Chef. Während eine dominante Person den Vorteil hat, sich im Zweifelsfall auch alleine durchkämpfen zu können und mit Sicherheit krisenfest ist, sind emotional-kompetente Personen menschlich absolut integer und verlässlich.
  3. Die leistungsorientierte Variante: Die dritte Variante schließlich zeichnet sich durch Leistungen aus. Diese Menschen wirken weniger über ein starkes Auftreten oder Beziehungspflege und Kommunikation, sondern über die konkreten Ergebnisse ihrer Arbeit. Wer qualitativ Hochwertiges abliefert, muss sich selbst nicht unbedingt als Person in Szene setzen. Man muss allerdings der Fairness halber erwähnen, dass ausschließlich leistungsorientierte Personen nicht unbedingt Karriere machen. Und wenn doch, fehlen ihnen häufig das Durchsetzungsvermögen und die soziale Führungskompetenz, die sie dann bräuchten.

In analogen Zeiten gab es für alle drei Varianten gute Lösungen. Doch was passiert im Homeoffice? Für die Leistungsorientierten verändert sich nicht viel. Qualität lässt sich auch im Homeoffice zeigen. Und so manchen eigenbrötlerischen Personen wird es gerade recht kommen, sich endlich voll und ganz ohne Störungen auf die Arbeit konzentrieren zu können. Damit besteht jedoch die Gefahr, dass in der nächsten Beförderungsrunde zur Teamleitung genau die bevorzugt werden, deren Arbeit am besten sichtbar wurde. Und dies sind auf Distanz nun einmal nicht die Durchsetzungsstarken oder Empathischen, sondern die Leistungsmenschen.

Das ist nicht automatisch schlimm. Es stellt sich nur die Frage, ob es damit auch die Richtigen trifft? Denn eine ausgezeichnete Fachleistung sollte ein Kriterium  für Fachleute sein. Die Leitung eines Teams erfordert andere Qualitäten. Dieses Thema ist uralt, könnte sich jedoch im Zuge der virtuellen Zusammenarbeit zu einem größeren Problem auswachsen, insbesondere wenn Führungskräfte Empfehlungen über Mitarbeitende abgeben sollen, deren Führungsqualitäten sie kaum einschätzen können.

Wie sich in digitalen Zeiten Karriere machen lässt

Was also können die anderen beiden Personengruppen unternehmen, um sich mit ihren speziellen Kompetenzen sichtbarer zu machen? Die eigene Kachel lässt sich schließlich nicht vergrößern. Und sich besonders kraftvoll in Szene zu setzen, wirkt vor Ort, wenn es nicht übertrieben wird, verzeihlich bis imponierend. Eine dominante Präsenz im Online-Meeting ist hingegen meist peinlich bis rüpelhaft.

Den emotional Kompetenten hingegen fehlen die Smalltalk-Gelegenheiten und die kleinen Gesprächsrunden am Rande eines Meetings. Gelegenheiten dem Chef ein offenes, empathisches Ohr zu leihen, lassen sich nicht planen. Sie werden situativ wahrgenommen anhand einer Mimik oder Stimmung, ohne sich jedoch aufzudrängen oder entstehen aus einer lockeren Runde. Online erscheint so etwas beinahe unmöglich. Kein Wunder, dass sich manche Führungskräfte derzeit im Homeoffice allein gelassen fühlen.

Worum geht es also?

Neben einer guten Leistung, die sich wie erwähnt auch online zeigen lässt, geht es darum, sich auch auf Distanz als unverzichtbar zu erweisen, die eigenen Ideen charmant zu präsentieren und Kontakte zu pflegen. All das ist auf Distanz zumindest ungewohnt.

Selbst nach Corona werden wir zwischen Homeoffice und Großraumbüro hin- und herpendeln. In einer idealen Zukunft könnten wir im Homeoffice arbeiten und im Großraumbüro Beziehungen pflegen, im Team kreative Brainstormings abhalten und uns selbst präsentieren. Damit wäre eigentlich alles wieder in bester Ordnung: Im Homeoffice wird Leistung gezeigt und vor Ort kommen die anderen beiden Typen auf ihre Kosten.

Aber seien wir ehrlich. Ganz so ideal wird es zumindest in naher Zukunft nicht kommen. Stattdessen wird Hektik einkehren, wenn sich die Menschen vor Ort in einem mehrtägigen Rhythmus treffen. Missverständnisse müssen geklärt, Konflikte ausgeräumt, Pläne abgeglichen werden. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis wir zu einem solchen Idealmodell kommen. Es könnte sein, dass in der Zwischenzeit zumindest der Dominante auf seine Kosten kommt. Für sozial und emotional Kompetente wird es in einer solchen neuen Arbeitswelt eher wenig Raum geben.

Genau für diese Gruppe gilt es folglich Lösungen zu suchen, um in der neuen Hektik nicht abgehängt zu werden. Gehen wir es pragmatisch an. Die Diplom-Psychologin Dr. Karin von Schumann und die Marketingexpertin Dr. Mirjam Jentschke stellen im Managerseminare-Magazin von Juni 2021 ein ursprünglich aus dem Marketing stammendes Modell vor, das auch im Selbstmarketing als gute Blaupause dienen kann, die sogenannte Employer Experience Journey in Anlehnung zur ursprünglichen Customer Experience Journey (nicht zu verwechseln mit der Employee Experience Journey). Ein Modell, das ich als grobe Orientierung nutze und auf die spezielle Situation des internen Selbstmarketings übertrage. Denn bei Selbstmarketing denken wir zuerst einmal an die Kontaktaufnahme zu neuen Arbeitsgebern.

In einer Welt, in der sich Führungskräfte und Mitarbeitende aufgrund von Homeoffice und Großraumbüro voneinander räumlich und zeitlich entfernen, gilt es jedoch, sich selbst immer wieder ins Gespräch zu bringen. Während früher das Selbstmarketing zumindest teilweise mit der Einstellung abgehakt werden konnte bzw. Mitarbeitende mit Karriereambitionen und einem guten Gespür für Situationen und Gespräche sich mehr oder weniger darauf verlassen konnten, aufzusteigen oder zumindest wussten, was sie tun mussten, stehen diese nun vor einer großen weißen Wand mit vielen Fragezeichen und wenigen Antworten.

Der Grundgedanke eines internen Selbstmarketingmodells nach dem Vorbild der Employer Experience Journey ist weniger die knallige Selbstpräsentation, sondern die Frage, was der Chef oder die Chefin braucht. Womit ich also ihm oder ihr behilflich sein kann? Genau dieser Hilfsgedanke erleichtert es emotional kompetenten Menschen, sich selbstbewusst zu präsentieren. Sie tun es schließlich nicht für sich selbst, sondern für jemand anderen.

Das interne Selbstmarketing lässt sich dabei in fünf Phasen aufteilen, die wir mit den Aufgaben “Kompetenzen sichtbar machen” und “Sich präsentieren” verbinden können. In einer neuen Arbeitswelt funktioniert dies am sinnvollsten in einem Wechselspiel aus digital und analog:

1. Analoge Kennenlernphase

Führungskraft und Mitarbeitende lernen sich kennen. In der Kennenlernphase ist es wichtig, vorsichtig zu klären, was meine Führungskraft für ein Typ ist und wie ich mich entsprechend einbringen sollte. Werden Sie aktiv, gehen direkt auf Ihre Führung zu und bitten um ein Einzelgespräch, am besten analog. Sollte dies nicht funktionieren, dann per Telefonat oder Videokonferenz. Chefs fühlen sich im Homeoffice oft ebenso alleine wie ihre Mitarbeitenden. In der Regel freuen sie sich über aktive Mitarbeitende. In diesem Gespräch erfahren Sie alles, was Sie wissen müssen, um Ihre Führung gut zu unterstützen. Dabei geht es wie bereits erwähnt nicht darum, sich selbst zu präsentieren, sondern sich empathisch einzufühlen, um zu erkennen, was Ihre Führungskraft am dringlichsten braucht. Immerhin sollte jeder Mitarbeitende aus einem bestimmten Grund eingestellt worden sein. Diesen Grund gilt es herauszufinden oder zu erfragen. Zur Vorbereitung der Kennenlernphase ist es hilfreich, sich einige Fragen zu stellen:

  • Ist meine Führungskraft eher leistungs-, dominanz- oder sozial orientiert?
  • Worauf legt sie bei ihren Mitarbeitenden wert? Eher auf Leistung, Durchsetzungskraft oder Empathie?
  • Welche Erwartungen an Mitarbeitende lassen sich davon ableiten?
  • Welche Aufgaben und Herausforderungen müssen gemeistert werden?
  • Wo liegen meine Stärken im Hinblick auf diese Aufgaben?

2. Digitale Arbeitsphase

Die ersten Arbeitsaufträge werden übernommen. In dieser Phase lassen sich Aufträge freilich nicht ablehnen. Folglich geht es darum, herauszufinden, wie – auch im Falle eines weniger attraktiven Auftrags – das beste daraus gemacht wird und wie Sie sich mich hier am sinnvollsten mit Ihren Kompetenzen einbringen. Haben Sie erkannt, womit Sie Ihrer Führungskraft das Leben erleichtern können, wissen Sie auch, was Sie tun müssen: Qualität abliefern, das Team zusammenhalten, konstruktive Kritik üben, Ideen einbringen, den Chef oder die Chefin unterstützen, Details ausarbeiten, große Ideen auf den Punkt bringen usw.

Jeder Mensch hat Stärken und Schwächen. Vielleicht haben Sie eine Chefin, die besonders kreativ ist, aber jemanden braucht, der sie erdet. Oder Sie haben einen Chef, der eine Art Dolmetscher braucht, wenn er mit seinem Team spricht. Finden Sie Ihre Rolle und tun, was nötig ist, aber immer mit Respekt.

3. Analoge Austauschphase

Durch die Zusammenarbeit werden Erfahrungen gemacht und ausgetauscht. In der Arbeitsphase erarbeiten Sie sich den Respekt, den Sie nun brauchen, um mit Ihrer Führungskraft ins Gespräch über Erfolge oder Misserfolge zu gehen. Diese Phase können wir als den Kern des Prozesses bezeichnen. Denn hier geht es entscheidend darum, nicht nur sich und seine Arbeit zu präsentieren, sondern auch erste Rückmeldungen zu geben über eventuelle Verbesserungen. Eine gute Kollaboration besteht aus einem ehrlichen Austausch. Dazu ist es essenziell zu erkennen, welche Rückmeldungen meiner Führungskraft einen echten Mehrwert bringen und welche eher meinem eigenen Ego geschuldet sind.

Noch einmal: Es geht nicht um mich, sondern darum, meiner Führung das Leben zu erleichtern und die gemeinsame Qualität in der Arbeit voranzubringen. Während die Arbeitsphase gut im Homeoffice und auf Distanz funktioniert, braucht es in der Austauschphase eine Sensibilität, die sich leichter in einem direkten Austausch herstellen lässt. Diese Kernphase eignet sich daher ideal für einen entdigitalisierten Austausch, sofern dies möglich ist.

4. Digitale Präsentationsphase

Ist die Phase des Austauschs zufriedenstellend abgeschlossen, kann auch wieder gut auf Distanz zusammen gearbeitet werden. In dieser Phase steht die Führung vor der Situation, eine weitere Aufgabe delegieren zu müssen und fragt sich, wer diese übernehmen könnte. Es geht also darum, sich für prestigeträchtige Aufgaben zu empfehlen. Wurde in der vorhergehenden Phase ein gutes Vertrauen aufgebaut, sollte es auch hier gelingen, sich gut in Szene zu setzen.

Die Austauschphase ist zwar der Knack- und Wendepunkt in der Zusammenarbeit, da sich hier zeigt, inwiefern Ihre Führungskraft offen für Ihre Rückmeldungen ist und wie gut Ihre eigenen emotionalen und sozialen Kompetenzen ausgebildet sind. In der Präsentationsphase gilt es jedoch, insbesondere auf Distanz, gedanklich vorwegzunehmen, welche Aufgaben als nächste anstehen und inwiefern Sie dafür geeignet sind. Sollten Sie sich unsicher sein, können Sie ab und an nachfragen, was geplant und ob hier eine spannende Aufgabe zu erledigen ist, bei der Sie sich und Ihre Kompetenzen perfekt einbringen können.

5. Analoge Aktivierungsphase

Für den Abschluss geht es darum, Ihrer Führungskraft aktiv Ihr Herzensprojekt zu vermitteln. Da dies nicht automatisch auf offene Ohren stoßen wird, bietet es sich an, dies in einem analogen Treffen zu verhandeln. In der letzten Phase geht es folglich darum, die eigene Kreativität und Innovationskraft spielen zu lassen und eigene Projekte anzubahnen, von denen die Führungskraft noch nicht einmal wusste, dass sie sie brauchte.

Ergänzend kommt noch eine Kompetenz hinzu, die nicht direkt zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden zum Tragen kommt, allerdings für jede zukünftige Team-, Projekt- oder Abteilungsleitung von unschätzbarem Wert ist: Kontakte knüpfen und andere Teammitglieder unterstützen. Dies ist digital sogar einfacher als vor Ort, da es sich über den Austausch auf Wissensplattformen und Expertennetzwerke leichter herausfinden lässt, wer welche Hilfe benötigt und wer welche Kompetenzen mitbringt. Damit kann ich Hilfe gezielter anbringen und mir die Dankbarkeit der Kolleginnen und Kollegen sichern oder auch Kompetenzen ausfindig machen und diese als Netzwerker weitervermitteln.

Die Arbeit im Homeoffice führt häufig zur Isolierung und Vereinzelung. Wer jedoch stringent an seinem Netzwerk arbeitet, punktet nicht nur in Sachen Karriere, sondern baut sich auch die Unterstützung im Team auf, auf die er sich verlassen kann, wenn es tatsächlich zu einer Beförderung kommt.


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Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

Bei metropolitan von Michael Hübler erschienen:

 Provokant – Authentisch – Agil
Die neue Art zu führen
Wie Sie Mitarbeiter humorvoll aus der Reserve locken
ISBN 978-3-96186-004-3

 New Work: Menschlich – Demokratisch – Agil
Wie Sie Teams und Organisationen erfolgreich in eine digitale Zukunft führen
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