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Erfolgreich führen! Jede Idee ist willkommen!

Erfolgreich führen: Was jede Führungskraft wissen sollte …

Führungskräfte sehen sich häufig mit einer Vielzahl an Rollen und Aufgaben konfrontiert, die sie im Unternehmen einzunehmen und zu bewältigen haben. Gerade in Zeiten von New Work, Digitalisierung und Fachkräftemangel verschieben sich Zuständigkeits- und Verantwortungsgrenzen zunehmend. So verwundert es nicht, dass mancher Führungskraft das Basiswissen für gute Personalführung scheinbar abhanden gekommen ist.

 Hans-Jürgen Kratz liefert mit seinem Standardwerk  Erfolgreich führen von A–Z eine Zeit sparende und auf den Punkt kommende Orientierungshilfe mit praxistauglichen Handreichungen, Detail- und Hintergrundinformationen ergänzt um Handlungsanstöße und Bewältigungsstrategien für alle Facetten zeitgemäßer Personalführung, die zudem hilft, Führungsfehler zu vermeiden.

Tipps und Tools, die jede Führungskraft wissen sollte

Hier stellen wir einige grundlegende und leicht umsetzbare Tipps vor, die gute Führung ausmachen:

Tipp 1: Aktives Zuhören

Das Zuhören scheint nicht zu den Stärken der meisten Führungskräfte zu zählen. Hierfür kann es folgende Gründe geben:

  • Manche Vorgesetzte reden lieber selbst, weil Aktivität und Dynamik zu ihrem Rollenverständnis gehören.
  • Die durchschnittliche Sprechgeschwindigkeit liegt bei etwa 125 Wörtern pro Minute. In der gleichen Zeit können wir etwa 400 Wörter aufnehmen. Die überschüssige Zeit verleitet zu gedanklichen Abschweifungen.
  • Vorgesetzte sind oft mit sich und ihren Problemen, Vorstellungen und Argumenten zu stark beschäftigt. So werden Aussagen von Mitarbeitenden unterbrochen („Da muss ich gleich mal einhaken”, „Dazu fällt mir etwas ein, vergessen Sie Ihre Worte nicht”), um eigene Überlegungen von sich zu geben.
  • Gelegentlich mangelt es an Wertschätzung für die Mitarbeitenden.
  • Stehen Führungskräfte unter starkem Zeitdruck, wollen sie die Gesprächsdauer auf ein Minimum reduzieren. Ohne bis zum Ende zuzuhören, bewerten sie schnell vorgetragene Gedanken, weil sie schon zu wissen glauben, welche Informationen die weiteren Ausführungen der/des Mitarbeitenden enthalten. Missverständnisse oder fehlerhafte Beurteilungen von Sachverhalten können hieraus resultieren.
  • Das Zuhören ist die am meisten gebrauchte, aber leider am wenigsten gelehrte Kommunikationsfähigkeit.

Unsere 7 Empfehlungen

Sieben Empfehlungen sollten Sie für ein aktives Zuhören beherzigen:

  1. Geben Sie anteilnehmende Bemerkungen von sich.

Mit unterstützenden Äußerungen wie zum Beispiel „So?“, „Aha!“, „Wirklich?“, „Erstaunlich!“ signalisieren Sie Ihr Interesse.

  1. Unterbrechen Sie nicht.

Lassen Sie die/den Mitarbeitende/n ausreden, wird sie/er anschließend auch bereitwillig zuhören. Unterbrechen Sie sie/ihn aber, bleibt immer etwas Unzufriedenheit zurück, denn ihr/ihm fehlt die innere Ruhe, da sie/er stets einen halben Gedanken darauf verwendet, den unausgesprochenen Rest ihrer/seiner Aussagen nicht zu vergessen. Von der/vom Mitarbeitenden selbst eingestreute kurze Pausen, die sie/er für die Formulierung des nächsten Gedankens benötigt, nutzen Sie nicht aus, um ihr/ihm das Wort abzuschneiden.

  1. Notieren Sie wichtige Aussagen sofort.

Greifen Sie demonstrativ zu Papier und Bleistift, werten Sie Ihre Mitarbeitenden auf  („Das ist ein interessanter Hinweis”, „Wie ist das im Einzelnen gewesen?“). Bei Ihren Notizen beschränken Sie sich auf Stichpunkte.

  1. Nehmen Sie Blickkontakt auf
  1. Zeigen Sie Ihr Interesse über Ihre Gestik und Mimik.

Jeder Mensch hat eine natürliche Neigung dazu, die Dinge, von denen er spricht, mit seinen Händen und passender Mimik zu verstärken. Eine unpassende Gestik in Personalgesprächen ist der drohend nach oben oder stechend in Richtung der/des Mitarbeitenden weisende Zeigefinger oder die geballte Faust. Trommeln Sie mit Ihren Fingern ständig auf die Tischplatte, bleibt Ihre Ungeduld Ihrem Gegenüber nicht verborgen.

In die Hüfte gestützte Arme demonstrieren eine Dominanz- und Drohgebärde. Werden die Arme verschränkt, zeigt diese Haltung, dass sich die/der Gesprächspartner/in bedroht fühlt und sich in sich zurückzieht. Demgegenüber signalisieren Sie mit einer offenen Körperhaltung Ihre Gesprächs- und Kooperationsbereitschaft.

Mit unserer Mimik können wir Gefühlsregungen wie Freude, Zorn, Interesse, Enttäuschung, Gleichgültigkeit oder Neugier zeigen. Versteinerte Gesichtszüge oder „Amtsmienen“, in denen sich kein Fältchen bewegt, sind fehl am Platz.

  1. Fragen Sie bei Unklarheiten nach.

Im Gesprächsverlauf grübeln wir manchmal, was die/der andere wohl mit ihren/seinen Aussagen meint, wovon sie/er überhaupt redet. Um zu einem Dialog zu gelangen, fragen Sie im Zweifelsfall gleich nach.

  1. Wiederholen Sie wesentliche Aussagen.

Indem Sie Ihren Mitarbeitenden immer wieder Feedback zur Verringerung von Missverständnissen geben, zeigen Sie ihnen, dass Sie ihren Aussagen interessiert folgen. Auch erkennen die Gesprächspartner, dass sie sich noch auf gleicher Wellenlänge befinden und einander verstehen.


Tipp 2: Kritikgespräch

Vorgesetzte, die Kritik aus Nächstenliebe, Mangel an Courage, fehlender Sensibilität oder aus sonstigen Gründen nicht einsetzen, begehen einen schweren Führungsfehler. Erkennen Sie bei Ihren Mitarbeitern Fehler oder falsche Verhaltensweisen, müssen Sie konstruktive Kritik üben. Kaum ein Mitarbeiter macht vorsätzlich Fehler oder zeigt falsche Verhaltensweisen, sie unterlaufen ihm im Regelfall, weil er sie nicht erkennt beziehungsweise es nicht besser weiß. Kommt es nicht zu einer Korrektur, bleibt eine Verbesserung aus. Denn warum soll der Mitarbeiter etwas verändern, wenn er des guten Glaubens ist, alles sei in Ordnung?

Halten Sie eine berechtigte Kritik zurück, bringen Sie den Mitarbeiter – sicherlich auch sich selbst und Ihren Betrieb – um den Erfolg! Ein kluger Vorgesetzter setzt Kritik gezielt ein und erreicht bei geschickter Nutzung dieses Führungsmittels in den meisten Fällen die betrieblichen Ziele bei größerer Zufriedenheit seiner Mitarbeiter. Das setzt voraus, dass vier Gebote beherzigt werden:

  1. Kooperieren statt konfrontieren!
  2. Beurteilen statt verurteilen!
  3. Reparieren statt demontieren!
  4. Aufbauen statt zerstören!

Führen Sie ein Kritikgespräch systematisch nach einem geistigen Fahrplan, so erhöhen sich die Erfolgsaussichten erheblich.

Phase 1: Gespräch positiv beginnen

Soll ein Gespräch ein konstruktives Ergebnis bringen, muss auch die Gesprächsatmosphäre positiv sein. Erhält der Mitarbeiter den Eindruck, er sei Mittelpunkt eines Tribunals, wird er von Beginn an auf Verteidigung sinnen und für ein entkrampftes und sachliches Gespräch nicht zur Verfügung stehen.

Einen optimalen Gesprächsbeginn stimmen Sie sorgfältig auf die Person des Mitarbeiters ab. Überlegen Sie, mit welchen Aussagen Sie Sympathie erzeugen und somit vielleicht das Eis brechen können.

Phase 2: Sachverhalt zweifelsfrei bezeichnen

Erst die sorgfältige Analyse des Geschehenen ergibt eine verlässliche Ausgangsbasis und lässt Sie erkennen, ob von der Sache her ein Kritikgespräch erforderlich ist. Denn mit unklaren Pauschalformulierungen, Verallgemeinerungen, vagen Behauptungen und allgemeinen Floskeln können Sie nur unzureichend Kritik üben. Statt um den heißen Brei herumzureden, müssen Sie sich bemühen, die festgestellte Abweichung vom Soll genau und konkret zu bezeichnen. Schildern Sie wertfrei – das heißt ohne Schuldzuweisung – den Sachverhalt aus Ihrem Blickwinkel, sodass der Mitarbeiter genau weiß, auf welchen Punkt das Gespräch begrenzt ist.

Phase 3: Mitarbeiter um Stellungnahme bitten

Dem Mitarbeiter muss nicht nur das Recht auf Äußerung zum Sachverhalt zugestanden werden, er ist auch unvoreingenommen anzuhören. Vielleicht ergibt die Stellungnahme sogar, dass dem Mitarbeiter kein falsches Verhalten anzulasten ist, weil zum Beispiel eine andere Person den Fehler verursacht hat, weil Zuständigkeitsregelungen unklar waren, Anweisungen unterschiedliche Interpretationen zuließen oder notwendige Informationen nicht rechtzeitig zur Verfügung standen.

Räumen Sie dem Mitarbeiter die Möglichkeit ein, das Gespräch zu unterbrechen, wenn er für seine Stellungnahme Beiträge aus Unterlagen benötigt. Scheuen auch Sie sich nicht, das Gespräch zu einem späteren Termin fortzusetzen, wenn der Mitarbeiter neue Gesichtspunkte vorträgt, mit denen Sie sich erst einmal beschäftigen müssen.

Phase 4: Diskussion über Ursachen und Folgen

Jetzt kommt es darauf an, gemeinsam die Ursachen und die Folgen des kritisierten Verhaltens zu erörtern. Wissen wir, weshalb etwas falsch gelaufen ist, werden wir eher Möglichkeiten finden, für die Zukunft eine Verbesserung zu erzielen. Spätestens in diesem Gesprächsteil sollte der Mitarbeiter nach einer ruhig und sachlich geführten Diskussion erkennen, dass und aus welchem Grunde seine Handlungsweise falsch war.

Phase 5: Künftiges Verhalten gemeinsam vereinbaren

Sie besprechen partnerschaftlich mit dem Mitarbeiter, wie in Zukunft vorgegangen werden soll. Dieser Blick in die Zukunft ist wichtiger, als über vergossene Milch zu jammern. Denn der Mitarbeiter hört nur ungern Vorwürfe seines Vorgesetzten. Jetzt steht die Lösung des diskutierten Problems im Vordergrund, die künftig auch ähnliche Probleme ausschließen sollte. Animieren Sie den Mitarbeiter bei der Vereinbarung, eigene Zielvorstellungen und Verhaltensänderungen einzubringen. Je mehr Wege, Mittel und Maßnahmen der Mitarbeiter vorschlägt, umso eher wird er die Lösung akzeptieren, sich mit ihr identifizieren und sie dann auch realisieren. Die vereinbarten Verbesserungsvorschläge sind auf eine ruhige, unmissverständliche und nicht verletzende Weise zu nennen. Mit der Definition des Vorgehens sind dem Mitarbeiter die Fakten bekannt, die ihm helfen werden, zukünftig genau ins Schwarze zu treffen. Obwohl Sie an der Bereitschaft des Mitarbeiters nicht zweifeln, vereinbaren Sie mit ihm ganz offen verstärkte Kontrollen. So weiß er, dass die Sache ernst gemeint und wichtig ist.

Phase 6: Gespräch positiv abschließen

Achten Sie darauf, dass dem Kritikgespräch kein bitterer Nachgeschmack anhaftet. Der Mitarbeiter soll Sie nicht mit hängendem Kopf verlassen, sondern mit frischem Mut an seine Arbeit gehen. Es darf nach dem Gespräch keinen Sieger und keinen Verlierer geben. Beide Seiten sollen das Gefühl haben, durch das Gespräch etwas gewonnen zu haben.

Durch – konstruktive – Kritik

  • können Sie die Leistungen oder das Verhalten Ihrer Mitarbeiter korrigieren,
  • werden künftig Fehler vermieden, was das Selbstvertrauen der Mitarbeiter stärkt,
  • wird den Mitarbeitern eine sachlich begründete Selbstbeurteilung ermöglicht,
  • tragen Sie zur Entwicklung/Förderung Ihrer Mitarbeiter bei.

Tipp 3: Kreativität fördern

Sollen Teams ihre Kreativität aktivieren, ist meist der Vorgesetzte als Geburtshelfer gefragt. Er achtet auf die Einhaltung von Spielregeln und sorgt für eine entspannte Atmosphäre. Fühlen sich die Mitarbeiter wohl und behandeln sie sich gegenseitig mit Respekt, bedarf es nur weniger Regeln, um schlummernde Potenziale zu wecken. Folgende Methoden sind einfach umzusetzen und zumeist vom Grundsatz her bekannt – allerdings werden sie bisweilen unzureichend praktiziert.

Brainstorming

Unter der Bezeichnung „Brainstorming” werden vier von Alex F. Osborn aufgestellte Regeln zusammengefasst, die eine intensive Sammlung von Lösungsvorschlägen bei Problemen ermöglichen:

Regel 1: Keinerlei Kritik, auch nicht nonverbal

Ist Kritik untersagt, so vermindert sich die Rivalität unter den Teilnehmern, sodass Aggressionen vermieden werden. Selbst sehr zurückhaltende und schüchterne Menschen können ihre Gedanken darlegen, da sie keine negativen Rückmeldungen zu befürchten brauchen. Auch positive Kritik („Das ist die Idee!”, „Damit hast Du den Vogel abgeschossen”) ist unerwünscht. Durch sie könnte sich der Eindruck festsetzen, man habe schon das Ei des Kolumbus gefunden. Natürlich sind auch Killerfaces (Gestik und Mimik, in der sich ausdrückt, dass man von dem gerade gemachten Vorschlag nichts hält) und Killerphrasen untersagt.

Regel 2: Jede Idee ist willkommen

Quantität vor Qualität! Je umfangreicher die Anzahl der Lösungsansätze ist, desto wahrscheinlicher sind darunter auch gute Ideen.

Regel 3: Je ausgefallener, umso besser

Für alle Ideen, auch ausgefallene, unsinnige, unpraktische, gibt es grünes Licht. Die Brauchbarkeit der Ideen wird erst in einer dem Brainstorming folgenden Bewertungsphase untersucht.

Regel 4: Fremde Ideen aufgreifen und ausbauen

Da die Teilnehmer durch das Kritikverbot keine Wertungen äußern dürfen, haben sie den Kopf frei, an geäußerte Vorschläge anzudocken und sie lebensfähig zu machen. Jede genannte Idee erhält quasi ein Schild umgehängt mit der Aufschrift: „Entwurf – Vorschlag – Grundidee – Bitte verbessern!” Vorschläge können auch kombiniert und daraus neue Vorschläge entwickelt werden.

Bei der Leitung einer Brainstorming-Sitzung sind einige Grundsätze zu beachten:

  • idealerweise sechs Teilnehmer (keinesfalls mehr als zwölf)
  • nicht mehr als zehn Minuten vorsehen
  • bei der Formulierung des Problems Schneeschaufelfragen (weitgefasste, allgemeine Fragen, die ebenso breite und vage Antworten produzieren) durch Spatenfragen (mit ihnen wird ein Problem herausgeschält, das man wirklich anpacken kann) ersetzen
  • auf strikte Einhaltung der Brainstorming-Regeln achten und durch unauffälliges Eingreifen (Fragen stellen) den Ideenansturm fördern
  • alle Vorschläge müssen gut sichtbar auf Folie, Tafel, Flipchart, PC/Beamer festgehalten werden. Dadurch soll erreicht werden, dass durch die Assoziation eigener Beiträge mit denen der anderen neue Ideen entstehen.

Brainwriting

Die Methode 635 ist die am häufigsten praktizierte Brainwriting-Methode: sechs Personen schreiben auf einen Vordruck je drei Lösungsvorschläge in fünf Minuten. Wesentliches Element dieser Methode ist die gegenseitige Anregung, da die Teilnehmer die Lösungsansätze der anderen nachlesen und sich von ihnen inspirieren lassen können.

Zur Vorgehensweise: Jeder Teilnehmer erhält ein DIN-A4-Blatt, das in drei Spalten und sechs großzügige Zeilen (insgesamt 18 Kästchen) aufgeteilt ist. Er schreibt drei Vorschläge in die erste Zeile und gibt das Blatt nach fünf Minuten im Uhrzeigersinn an seinen Nachbarn weiter. Dieser liest die von seinem Vorgänger notierten Lösungsansätze und trägt in die darunter befindlichen Felder drei weitere Vorschläge ein. Diese können Weiterentwicklungen der schon niedergeschriebenen Ideen sein; es dürfen aber auch völlig neue Vorschläge gebracht werden. Nach weiteren fünf Minuten reicht jeder seinen Vordruck wie beim ersten Wechsel an seinen Nachbarn weiter. Hat jeder Teilnehmer jedes Blatt bearbeitet, ist das Brainwriting beendet. Es entstehen 18 Problemlösungsvorschläge pro Teilnehmer, insgesamt 108 Anregungen bei einem Zeitaufwand von circa 30 Minuten. Die Vorgabe 635 ist nicht verbindlich, sondern kann variiert werden, zum Beispiel 725 oder 646.

Im Vergleich zum Brainstorming sind mehrere Vorteile festzustellen:

  • Besprechungsleiter und Schriftführer werden nicht benötigt.
  • In der Regel sind die Vorschläge ausgewogener und brauchbarer, weil mehr Zeit zur Verfügung steht und die Teilnehmer sich bei schriftlicher Fixierung verstärkt um Qualität bemühen.
  • Spannungen innerhalb der Gruppe können sich nicht auf den Lösungsprozess auswirken.
  • Selbst der besonders Schüchterne wird hier aktiv.

Als Nachteile sind zu nennen:

  • Anonymität ist nicht gegeben.
  • Die Originalität der Vorschläge wird eingeschränkt.
  • Die Spontaneität geht verloren.

Kartenabfrage (Metaplan-Technik/Pinnwandmoderation)

Die Problemstellung wird für alle Teilnehmer gut sichtbar dargestellt. Die Teilnehmer schreiben leserlich Meinungen, Fakten und Vorschläge zur Problemlösung auf vorbereitete Karten (je Karte nur ein Aspekt!). Diese werden an eine Wand geheftet. Die Niederschriften bleiben anonym, sodass die Teilnehmer keine persönliche Kritik befürchten müssen. Dann werden die Karten grob nach den verschiedenen Grundideen sortiert und anschließend nach sachlichen Zusammenhängen geordnet.


Cover Titel Erfolgreich führen von A–ZErfolgreich führen von A–Z
Für gute Vorgesetzte und zufriedene Mitarbeiter
ISBN 978-3-96186-000-5

 Hier gehts zum Buch und zur Leseprobe


Monat der Mitarbeitenden

Wir von metropolitan widmen uns die nächsten Wochen den Themen Personalführung, Personalmotivation und -entwicklung. Dazu kommen unsere Autorinnen und Autoren in Interviews zu Wort und geben spannende Einblicke in die Trends und Entwicklungen. Zusätzlich liefern wir Ihnen praktische Tipps sowie interessante Fakten aus unseren Business-Handbüchern.

Mehr zum  Monat der Mitarbeitenden finden Sie  hier.

 

Beitragsbild 5 Fragen an Führungskräfte zur Personalführung Lebrenz

Führen könnte so einfach sein …

… wären da nicht die vielen, scheinbar unglücklichen Entscheidungen zu treffen, die eher an die Wahl zwischen Pest und Cholera erinnern. Egal, wie wir uns als Führungskraft auch entscheiden – irgend jemandem treten wir sowieso auf die Füße. Christian Lebrenz plädoyiert in seinem neuen Buch für ein besseres Verständnis und einen entspannteren Umgang mit typischen Management-Dilemmas. Er beweist, dass wir beim täglichen Kampf gegen Zwickmühlen in bester Gesellschaft sind und ruhig mehr Gelassenheit entwickeln können. Denn Führen könnte so einfach sein…

Herr Lebrenz, in Ihrem Buch sprechen Sie davon, dass die Tatsache, dass es keine Organisation ohne Dilemmas gibt, im Prinzip die Grundlage für die Position einer Führungskraft ist. Heißt das dann: Mit je mehr Dilemmas ich konfrontiert bin, besser kann ich einfach führen? 

Soweit würde ich nicht gehen. Wenn Sie mit sehr vielen Dilemmas konfrontiert sind, ist das eher ein Zeichen dafür, dass es bei Ihnen überwiegend Tätigkeiten gibt, die nicht standardisiert sind, bei denen es keine klaren Handlungsanweisungen gibt. Je größer die Entscheidungsfreiräume, die Sie  haben, desto öfter werden Sie zwischen unangenehmen Alternativen wählen müssen. 


Wie finde ich als Führungskraft heraus, ob es sich um klassische Dilemmas handelt, mit denen ich mich rumzuschlagen habe oder ob ich nicht doch ein „Fettnäpfchen-König“ bin?

Um ins Fettnäpfchen zu treten, brauche ich gar keine Wahlmöglichkeiten. Im Fettnäpfchen kann ich allein schon durch Unachtsamkeit oder fehlendes Wissen um die Spielregeln einer Organisation oder Gruppe landen. Mit einem Dilemma haben wir es dann zu tun, wenn wir uns zwischen mindestens zwei gleich unangenehmen Alternativen entscheiden müssen und wir auf keine der beiden Alternativen komplett verzichten können. Wenn zwei Ihrer Mitarbeiterinnen gleichzeitig Urlaub nehmen wollen, aber aus Kapazitätsgründen nur eine der beiden gehen kann, müssen Sie entscheiden, wen Sie unzufrieden machen. Und Sie können es sich nicht leisten, langfristig beide zu verärgern. Eine solche Situation ist kein Fettnäpfchen, sondern ein echtes Dilemma. 


Was hat Sie selbst dazu bewogen, sich so intensiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen?

Da kamen zwei Dinge zusammen. Zum einen meine Erfahrung als Führungskraft, wobei ich plötzlich ziemlich unvorbereitet mit ganz vielen Dilemmas konfrontiert wurde. Ich hatte anfänglich das Gefühl, einen schlechten Job zu machen, weil ich ständig vom Dilemmas umgeben war. Irgendwann kam dann die Frage, ob die eigene Unzulänglichkeit wirklich Ursache dieser Dilemmas ist. Später kam dann an der Hochschule die Erkenntnis, dass es zwar viel wissenschaftliche Literatur zu Dilemmas gibt, aber in der Praxis herzlich wenig davon ankommt. Im Unternehmensalltag wird das Thema eher in die Schmuddelecke gestellt und geflissentlich ignoriert. Da Dilemmas zu wichtig sind, um sie unter den Teppich zu kehren, habe ich mich beschlossen, dieses Buch zu schreiben. 


Sie geben viele Tipps, um im beruflichen Umfeld mit Dilemmas – zumindest entspannter – umzugehen. Lassen sich diese Maßnahmen denn auch im Privaten erfolgreich anwenden? 

Selbstverständlich! Denn die Rahmenbedingungen, die zu Dilemmas führen, haben wir auch im privaten Umfeld. Auch hier müssen wir unterschiedliche Interessen unter einen Hut kriegen, auch hier sind Zeit und Geld knapp, müssen unter Unsicherheit oft weitreichende Entscheidungen getroffen werden. Dementsprechend lassen sich auch die Lösungsansätze, die ich im Buch vorstelle, auf die Familie und das private Umfeld übertragen. 


Noch eine letzte Frage. Sie laden die Leser*innen dazu ein, Ihnen ihr Lieblingsdilemma zu mailen. Diese werden dann auf der Homepage www.dilemma-dilemma.de veröffentlicht. Verraten Sie uns denn auch Ihr Lieblingsdilemma?

Ja, mein Lieblingsdilemma stelle ich im Buch vor. Da ich aber mit der Auflösung bis zum Schluss des Buches warte, möchte ich hier noch nicht zu viel verraten. Es sei nur so viel gesagt, dass das Unternehmen letztendlich eine ganze Menge Geld gespart hat, statt wie befürchtet mehr auszugeben.


Cover Buch Das Dilemma mit den Dilemmas Das Dilemma mit den Dilemmas
Warum Zwickmühlen das Leben in Organisationen bestimmen und wie wir besser mit ihnen umgehen können
ISBN 978-3-96186-026-5

 Hier geht’s zum Buch und zur Leseprobe

Führung metropolitan leadership drei worker erklimmen gemeinsam bergspitze

Führungskräfte aufgepasst – Führung bei metropolitan

Wer Personalverantwortung übernehmen will (oder muss) oder seit langem als Führungskraft tätig ist und in Punkto Führung immer auf dem aktuellsten Stand bleiben will, ist bei uns richtig. Wir haben die Expertinnen und Experten, die Führungskräften das Know-how und die Weitsicht vermitteln können, die sie jetzt und in Zukunft benötigen. Denn viele scheuen davor zurück, sich in diesen Fragen Wissen und Hilfe zu holen. Mit unseren Fachratgebern (wie “Fang an zu führen” oder “Mensch Mitarbeiter”) sprechen wir gezielt die Themen an, die angehende und erfahrene Führungskräfte interessieren.

Führung und Personalverantwortung – unser Angebot von metropolitan

Fachwissen zum Thema Führung

Zu allen Themen breit aufgestellt. Alle unsere Titel sind auch als E-Book zum Download erhältlich.

Autorinnen und Autoren zum Thema Führung

Wenn es um Personalverantwortung und das Thema Führung geht, sind unsere Autorinnen und Autoren die absoluten Expertinnen und Experten. Hier stellen sie sich vor.

 


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bunker Arbeitsplatz dunkel Beitrag 44 wertebasierte Führung

Eine wertebasierte Führung in einer digitalen Welt – Teil 1

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Im heutigen Beitrag setzt sich Michael Hübler mit den Aufgaben der Führungskraft in Krisenzeiten auseinander. Krisenzeiten stellen Führungskräfte vor neue Herausforderungen. Nun gilt es nicht nur, die Mitarbeiter wie gewohnt zu führen, zu coachen, anzuleiten und zu motivieren – die Führungskraft hat die Rolle des Krisenmanagers einzunehmen und das Unternehmen mit all seinen Mitarbeitern sicher durch unsichere Zeiten zu schiffen.

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bunker Arbeitsplatz dunkel keller

Die Hübler Bunker-Chroniken

Was macht ein Autor, der plötzlich zu viel Zeit hat und ins Homeoffice verbannt ist? Natürlich – schreiben! metropolitan-Autor MichaelHübler berichtet regelmäßig in seinem Blog “Hübler Bunker-Chroniken” über die aktuelle Situation und reflektiert über Themen, die ihn bewegen, um Mut zu machen und zum Nachdenken anzuregen.

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Während Michael Hübler im ersten Teil dieser zweiteiligen Reihe verdeutlicht hat, wie wichtig eine wertebasierte Führung in einer digitalen Welt ist, geht es nun darum, klare Werte im Unternehmen einzuführen.

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Proaktives Führen in einer digitalen Welt

Nachdem uns die befürchtete zweite Welle der Pandemie getroffen hat und die Mitarbeiter wieder vermehrt das Homeoffice nutzen, stellt sich nun erneut die Frage, wie Führungskräften der Spagat zwischen Nähe, Distanz, Flexibilität und Planung gelingt. Darum geht es im aktuellen Beitrag der Bunker-Chroniken von Michael Hübler.

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bunker Arbeitsplatz dunkel Beitrag 45 wertebasierte Führung in einer digitalen Welt

Eine wertebasierte Führung in einer digitalen Welt – Teil 2

Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor  Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich mit der Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt! Während Michael Hübler im  ersten Teil dieser zweiteiligen Reihe verdeutlicht hat, wie wichtig eine wertebasierte Führung in einer digitalen Welt ist, geht es nun darum, klare Werte im Unternehmen einzuführen.

Etablierung eines Wertesystems in einer digitalen Welt

Die Balance zwischen Dringlichkeiten und einer Ethik für die Zukunft

Wie jedoch können wir uns einem ethischen Wertesystem nähern? Grundsätzlich gibt es dazu vier Ansätze:

Wir orientieren uns daran, …

  1. was in der Zukunft wichtig ist.
  2. was jetzt wichtig ist.
  3. wer oder was uns selbst wichtig ist.
  4. welche Werte in der Gesellschaft gelten.

Es ist durchaus erhellend, aus diesen vier Ansätzen eine Vierer-Matrix zu erstellen und auszufüllen: Woran wollen wir uns heute und morgen orientieren? Was ist uns und was der Gesellschaft wichtig?

Letztlich spielen alle vier Bausteine eine wichtige Rolle:

  • Die kurzfristige Orientierung freut die Aktienbesitzer:innen.
  • Die langfristige Orientierung schafft Bindung zu Kunden und Kundinnen sowie Mitarbeitende.
  • Die gesellschaftliche Orientierung dient der Verortung in der Welt.
  • Die persönliche Orientierung platziert eigene Impulse zur Veränderung der Welt.

Die Orientierung an der Zukunft können wir utilitaristisch nennen. Mit einer ausschließlichen Nutzenorientierung des Utilitarismus lässt sich jedoch alles schön reden. Natürlich könnten mit einer App Menschen ausspioniert werden. Die App könnte jedoch auch dafür eingesetzt werden, die Menschen selbstständiger zu machen.

Die Orientierung an der Gegenwart fokussiert sich im phänomenologischen Ansatz. Unsere erfahrungsbasierte Intuition weiß zwar nicht, warum ihr bestimmte Werte wichtig sind, aber sie merkt, dass dem so ist. Sie spürt, dass ihr der Ansatz gefällt, dass die Fahrradkuriere sich auf einen Kaffee treffen und damit die Bindung zum Unternehmen erhöht wird. Sie spürt, dass das Engagement zunehmen wird, wenn die persönlichen Fitnessziele von der App berücksichtigt werden. Dafür braucht unsere Intuition keine Zahlen, sondern lediglich ein menschliches Gefühl.

In einer Welt, in der Zahlen wichtiger sind als Gefühle, hat es ein phänomenologischer Ansatz schwer. Wird er jedoch berücksichtigt, braucht es kein Changemanagement, um Mitarbeitende mit ins Boot zu holen, da zufriedene Mitarbeitende automatisch mitziehen, weil sie spüren, dass der Weg richtig ist.

In diesem Sinne lassen sich auch gesellschaftliche oder individuelle Werte intuitiv erfassen. Wir realisieren schnell, wie robust, nachhaltig, sympathisch, einladend, intuitiv erfahrbar, wertvoll oder unaufdringlich eine Dienstleistung oder ein Produkt ist – oder auch wie aggressiv, billig, hektisch, aufdringlich, abstoßend oder kompliziert.

Genauso schnell realisieren auch die Mitarbeitenden, ob ein Unternehmen ein echtes Interesse an ihnen hat oder sie lediglich ausbeuten will. In diesem Sinne wirken sowohl Angebote an Kundinnen und Kunden als auch Organisationsinstrumente wie Meetings, Organigramme oder Mitarbeitergespräche als Symbole, hinter denen das Menschenbild der Organisation spürbar wird.

Wenn also alles machbar erscheint, braucht es eine Ethik, die insbesondere im digitalen Bereich zum einen reguliert, was nicht gemacht werden sollte und zum anderen Aspekte der Werte und Tugenden aktiv einbringt, damit diese in der Technik nicht verloren gehen.

Bezogen auf KI-Algorithmen stellt sich ohnehin die Frage, ob Tugenden der Freundlichkeit, Sorgfalt und Höflichkeit oder Aspekte der Privatheit überhaupt berücksichtigt werden können? Werden wir jemals ein Überwachungssystem haben, dass so klug ist, dass es erkennt, wann ein Filmen pietätslos ist, beispielsweise in einem Trauerfall, und entsprechend aus Höflichkeit die Kamera abschaltet. Wenn Algorithmen dazu nicht in der Lage sind, können wir sie kaum intelligent nennen, zumindest nicht in einem menschlichen Sinn.

Etablierung eines normativen Werte-Kodex

Zur weiteren Etablierung eines Wertesystems in der Digitalisierung ist es wichtig, klaren Prinzipien zu folgen, um die eigenen Werte vor lauter Big Data und technischer Machbarkeit nicht aus den Augen zu verlieren und gleichzeitig zu untersuchen, wie uns die Technik dabei unterstützen kann:

Fokus auf normative Werte

Die Technik erlaubt uns, Daten zu sammeln, auszuwerten und Routinetätigkeiten zu übernehmen. Sie hilft uns mit Chatbots dabei, unangenehme Aufgaben zu erledigen, beispielsweise automatisierte E-Mails in der Kundenbetreuung zu verschicken. Die Zielorientierung muss jedoch der Mensch angeben. Sammeln wir wirklich die Daten, die uns helfen, Kundinnen und Kunden glücklich zu machen und Mitarbeitenden dabei zu helfen, einen guten Job zu erledigen? Werte wie Vertrauen, Fairness, Glaubhaftigkeit, Ehrlichkeit, Solidarität, Offenheit, Dankbarkeit, Nachhaltigkeit, Respekt, Hilfsbereitschaft, Loyalität, Begeisterung, persönliche Weiterentwicklung, Empathie, Harmonie, Integrität, Mitgefühl, Rücksichtnahme, Gesundheit, Idealismus, Mut, Engagement, Toleranz oder eine humorvolle Atmosphäre im Team lassen sich nicht so einfach mit einer App erfassen. Hierzu braucht es eine klare normative Entscheidung des Unternehmens, wofür es steht und was ihm wichtig ist.

Neben den Werten ist ebenso wichtig, sich die Qualität der Werte in Hinblick auf die Ziele der Werte anzusehen. Ich unterscheide als wesentliche Kriterien für einen sinnvollen Wert die vier Aspekte Einfluss des Wertes, emotionale und sachliche Bindung sowie die Absolutheit des Wertes:

1. Einfluss des Wertes

Ist ein Wert wie Vertrauen dauerhaft und grundlegend installiert, hat dies Folgewirkungen. Vertrauen sorgt für ein schnelleres Arbeit auch auf Distanz, ohne die Mitarbeitenden kontrollieren zu müssen. Gleiches gilt für viele andre Werte: Gesunde Mitarbeitende sind zufriedener und in der Regel fleißiger, was wiederum zu zufriedenen Kundinnen und Kunden führt. Ein offener und ehrlicher Umgang miteinander, insbesondere wenn Fehler passierte, fördert die Qualität der Produkte. Die persönliche Weiterentwicklung der Mitarbeitenden wiederum ist eine Investition in die Zukunft. Es gilt also zu klären, welche Werte einen grundlegenden Einfluss auf die Arbeit haben und welche eher von anderen Werten abhängig sind. Die persönliche Leistung beispielsweise entsteht, wenn die Mitarbeitenden sich wohl fühlen. Leistung wird damit zu einem abhängig Wert. Auch Mut und Engagement lassen schwerlich fordern. Ein einer guten Teamatmosphäre wird das Engagement jedoch von alleine kommen.

2. Emotionale Bindung

Wettbewerb spornt vielleicht an. Werte wie Fairness, Respekt, Integrität, Mitgefühl, Empathie, Harmonie, Toleranz, Rücksichtnahme, Anerkennung der Leistung, Achtung voreinander, eine humorvolle Atmosphäre oder Solidarität in Krisen wirken jedoch emotional verbindend.

3. Sachliche Bindung

Eine sachliche Bindung entsteht, wenn Mitarbeitende stolz auf ihr Unternehmen oder auf ein Produkt sind, das die Welt zu einem besseren Ort machen kann. Das passiert vor allem bei Unternehmen, die Wert auf Nachhaltigkeit, Menschlichkeit, Fairness, Idealismus oder Altruismus legen. In Kliniken herrscht meist eine hohe sachliche Bindung, selbst wenn der Alltag frustrierend ist. Doch auch in anderen Bereichen kann die sachliche Bindung hoch sein, wenn klar ersichtlich wird, wofür ein Unternehmen steht und warum es dieses Unternehmen in der Welt braucht.

4. Absolutheit

Bereits im Grundgesetz steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Was jedoch macht die Würde eines Menschen aus? Wenn wir uns unsere Werteliste ansehen, sprechen sicherlich Werte wie Respekt, Achtung, Fairness, Toleranz und Anerkennung für einen würdevollen Umgang miteinander. Jeder Mensch sucht einen Platz im Leben, an dem er sich nicht stetig für sich und seine Leistungen rechtfertigen muss, sondern so akzeptiert wird, wie er ist und mit dem, was er kann oder eben nicht kann. Wir sollten die Liste jedoch um den Aspekt der Selbstbestimmung und die Möglichkeit, für das eigene Leben aufzukommen und eigene Wege auszuprobieren, ergänzen. Wessen Arbeit stetig überwacht wird, damit er ja keinen Fehler macht, und wer sich nur mit zwei Jobs über Wasser halten ist, hat sicherlich kein würdevolles Leben.

Strategische Umsetzung der Werte

Nachdem die Werte etabliert und geklärt wurden, stellt sich die Frage, wie diese strategisch umgesetzt werden und welche Rolle digitale Hilfsmittel dabei spielen. Es geht also darum, die Unternehmenswerte wie Nachhaltigkeit, klare Werteorientierungen auf einer Metaebene oder Fairness, Führungs- und Teamwerte wie Vertrauen, Glaubhaftigkeit, Ehrlichkeit, Solidarität, Dankbarkeit, Respekt, Hilfsbereitschaft, Integrität, Toleranz oder eine gute Atmosphäre oder mitarbeiterbezogene Werte wie Selbstbestimmung, persönliche Weiterentwicklung, Gesundheit, Idealismus, im Hinblick auf ihre Umsetzung in der Digitalisierung genauer zu untersuchen.

Unternehmenswerte

  • Nachhaltigkeit versus kurzfristige Gewinne
    Unternehmen kommen in einer hektischen, digitalen Welt nicht umhin zu klären, wie sie gegen Dringlichkeiten wappnen. Dabei geht sowohl um die Dringlichkeit, die eigene Lebensfähigkeit zu erhalten, was eventuell auf Kosten einer nachhaltigen Entwicklung geht bzw. Nachhaltigkeit auf Kosten aktueller Gewinne zu fördern, als auch um die Verteidigung der eigenen Werte gegen Anfeindungen von außen. Ein Unternehmen, dass beispielsweise das Thema Diversität nicht nur oberflächlich, sondern ernsthaft angehen will, muss eventuell mit Gegenwind aus den eigenen Reihen oder von Seiten der Kundschaft rechnen.
  • Klare Werte Kontrolle von Computer-Entscheidungen
    Big Data hat mittlerweile im Gewand von Smart Government staatliche Verwaltungen erreicht, mit teils fatalen Wirkungen. Aus Australien sind Fälle bekannt, in denen Algorithmen Unterstützungszahlungen an die Bürger versagten, da diese aufgrund eines Schreibfehlers falsch im Computer gelistet waren. Selbst auf mehrere vehemente Beschwerden reagierte der Staat abweisend. Er saß damit genau dem Effekt auf, den ich zuvor beschrieben habe: Die Technik hat immer recht. Dabei führt bereits ein minimaler Fehler für einzelne Menschen wie in diesem Fall zu dramatischen Folgen. Das Gleiche könnte bei der Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern über Algorithmen passieren, die vorschnell aussortiert werden, wenn sie nicht in das vorherrschende Big Data-Muster passen. Unternehmen sollten folglich nicht nur mit potenziellen Fehlern der Technik rechnen, sondern sich ihre Werte bezüglich einer Abweichung von vorherrschenden Mustern deutlich vor Augen führen.
  • Faire Verteilung von Ressourcen
    In manchen Fällen können Algorithmen die Fairness auch erhöhen, indem sie vom Prinzip der Sympathie wegkommen und stattdessen objektive Kriterien heranziehen.

Führungswerte

  • Vertrauen und Selbstbestimmung versus Kontrolle
    Die Digitalisierung erlaubt uns zu kontrollieren, ob ein Mitarbeitender am Platz ist, wie viel und an was er gerade arbeitet. Dies mag gerade in einer Führung auf Distanz ein nachvollziehbarer Impuls zu sein. Ist jedoch fatal für die Beziehung zwischen Führung und Mitarbeitenden. Und was passiert mit Apps, die uns dabei helfen, frühzeitig Krankheiten zu erkennen? Dies wird beispielsweise in der Krebsfürsorge genutzt. Was passiert, wenn Unternehmen zum Zwangstest einladen, um die Krankheitsrisiken ihrer Mitarbeitenden zu erforschen? Dann verkäme die an sich sinnvolle Präventionsmaßnahme in der Hand der Mitarbeitenden zur Überwachungsmaßnahme.
  • Transparenz, Glaubhaftigkeit und Ehrlichkeit
    Die Digitalisierung verführt dazu, hierarchische Strukturen zu forcieren, indem die Führung alles über den Mitarbeitenden weiß, dieser jedoch nichts über seine Führungskraft. Dies führt zu einem ungeahnten Machtgefälle. Würden sich Führung und Mitarbeitende auch digital auf Augenhöhe begegnen, indem klar ist, welche Daten für welchen Zweck erhoben werden. So kann eine App, die Mitarbeitende an kreative Pausen erinnert, die deutliche Sorge der Führung zum Ausdruck bringen, dass sich Mitarbeitende im Homeoffice überarbeiten, statt sie zu kontrollieren.
  • Solidarität, Dankbarkeit, Respekt, Hilfsbereitschaft, Integrität, Toleranz und eine gute Atmosphäre
    Es gibt bereits Apps, die Führungskräften mitteilen, ob sie sich in einem Gespräch richtig verhalten haben oder ob sie doch ein wenig mehr hätten loben sollen. Solche Apps können hilfreich sein. Dennoch sollte der Mensch nach wie vor die Möglichkeit haben, anders zu agieren. Es gibt sicherlich allgemeingültige Kriterien, wie Feedback gegeben werden sollte oder wie ich mich wertschätzend bedanke. Dennoch ist jede Führungskraft anders. Die eine ist ein wenig spröde, hat jedoch das Herz am rechten Fleck. Die andere ist überherzlich und nervt damit vielleicht sogar ihr Umfeld. Und die Mitarbeitenden sind ebenso unterschiedlich. Manche sind dankbar, wenn sie in Ruhe gelassen werden. Andere brauchen eine Rund-um-die-Uhr-Begluckung. Ich kann Respekt zeigen, indem ich Freiräume für eigene Entscheidungen lasse oder indem ich hilfsbereit bin. Manche Teams fahren gut mit einem offenen, kritischen Stil. Andere brauchen möglichst viel Harmonie und Kuscheleinheiten. Ich vermute, dass keine App der Welt jemals in der Lage wäre, dies abzulichten, um Wege für eine besseres Miteinander vorzugeben. Glücklicherweise, wie ich finde.

Mitarbeiterbezogene Werte

  • Selbstbestimmung oder Kontrolle
    Nehmen wir das Beispiel Teilhabe an sozialen Prozessen. Digitale Hilfsmittel helfen insbesondere gehandicapten Menschen am sozialen Leben teilzuhaben. Denken wir an Rollstuhlfahrer:innen im Homeoffice oder Blinde, die mit einer App Informationen scannen und sich diese vorlesen lassen. Wir sollten jedoch immer bedenken, welche Folgen eine solche Teilhabe hat. Der Rollstuhlfahrer ist dann nicht mehr Teil einer Gemeinschaft im Büro. Und die Blinde muss nicht mehr um Unterstützung bitten. Auch sie wird damit teilweise von der Gemeinschaft separiert. Digitale Hilfsmittel haben folglich immer zwei Seiten. Sie können das Leben erleichtern, durch diese Erleichterung jedoch neue Probleme anstoßen, wenn es heißt: “Warum fragst du mich? Du hast doch die App!”

Oder stellen wir uns vor, wir könnten Burnouts in Zukunft frühzeitig erkennen, indem Projekte, Prozesse oder Tätigkeiten auf ihr Stresspotenzial untersucht werden. Unter der Voraussetzung des Einverständnisses der Mitarbeitenden ließe sich zudem deren Persönlichkeit mit einberechnen. Hilft dies den Menschen, sich selbst besser zu verstehen und fördert ihre Selbstbestimmung oder macht es sie abhängig von der Maschine?

  • Personalisierte Weiterentwicklung
    Eine App, die mit Wünschen, Karrierezielen und bisherigen Kompetenzen und Erfolgen gespeist wird, kann genau errechnen, welche Weiterbildungen für einen Mitarbeitenden genau jetzt sinnvoll sind. Doch auch hier gilt: Big Data kennt die Vergangenheit, nicht jedoch die Zukunft. Und wie oft wurden wir bereits durch Zufälle zu unserem Glück gezwungen und übten später eine Tätigkeit aus, die so niemals geplant war und uns im Nachhinein besser gefällt als wir das gedacht hätten? Können Algorithmen zur persönlichen Weiterbildung solche glücklichen Zufälle mit einbauen? Oder gilt auch hier, dass sie uns entmenschlichen, indem sie uns auf eine Schiene setzen, um dem vermeintlich perfekten, vorgefertigten Weiterbildungs- und Karriereplan zu folgen?

Eine wertebasierte Führung in einer digitalen Welt braucht neue Mitarbeitende

Nachdem wir uns die Werteorientierungen aus der Unternehmens- und Führungssicht angesehen haben, bietet es sich an, einen Blick auf neue Mitarbeitende in einer wertebasierten Welt zu werfen. Hierzu möchte ich Ihnen die VIA-Charakterstärken und Tugenden ans Herz legen, die sich kostenfrei auf  www.viame.org testen lassen. Die VIA-Charakterstärken sind interessant, weil sie gegenüber anderen Systemen auf den vermeintlich weichen Tugenden Weisheit, Mut, Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Mäßigung und Transzendenz aufbauen. Solche Tugenden propagierten bereits die alten Stoiker um Seneca, Epiktet und Mark Aurel. Bereits damals galten …

  • Gerechtigkeit als Fähigkeit, mit anderen gut umzugehen, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und sie anständig zu behandeln,
  • Mut als Fähigkeit, das Richtige zu tun und dabei über eigene Bedenken hinwegzusehen und eigene Nachteile in Kauf zu nehmen,
  • Selbstbeherrschung und Besonnenheit vor allem in schwierigen Situationen, um vernünftige Entscheidung zu treffen und
  • Weisheit als erfahrungs- und wissensbasierte Lebensklugheit, innere Abgeklärtheit und Reife als zentrale Tugenden.

Offensichtlich kommen wir gerade in unseren hyperdigitalen Zeiten zurück zu uralten Weisheiten. In einer Welt, die sich aktuell durch New Work neu ordnet, scheinen diese Tugenden genau das richtige zu sein, um wieder neu miteinander in Kontakt zu kommen. Entsprechend werden die VIA-Tugenden aufgeschlüsselt in:

1. Weisheit, Wissen und Entscheidungskompetenz: Kompetenzen, um Wissen und Informationen sinnvoll zu gebrauchen

Einzelne Bausteine lauten:

  • Kreativität: neue, effektive und effiziente Wege zur Lösung von Problemen suchen und finden
  • Neugier: offen und interessiert an die Umwelt herangehen
  • Urteilsvermögen: Aufgaben von verschiedenen Seiten betrachten und den richtigen Ansatz zur Lösung von Problemen auswählen
  • Liebe zum Lernen: sich neue Techniken und Wissen aneignen und sich persönlich weiterentwickeln
  • Weisheit: in der Lage sein, andere mit einem guten Rat zu unterstützen

In einer digitalisierten Welt braucht es offensichtlich die Kompetenz, einschätzen zu können, welche Apps uns helfen und welche uns abhängig machen. Die Neugier alleine reicht dafür nicht aus. Dies gilt für den Umgang mit Gesundheits-Apps ebenso wie für die persönliche Weiterbildung.

2. Mut: Fähigkeiten und Wille, Hindernisse zur Zielerreichung zu überwinden

Einzelne Bausteine lauten:

  • Authentizität: ehrlich sein und sich nicht übertrieben hinter einer Rolle verstecken
  • Tapferkeit: Herausforderungen annehmen, auch wenn es schwer ist
  • Ausdauer und Beharrlichkeit: schwierige oder langweilige Aufgaben zu Ende bringen
  • Enthusiasmus: sich selbst begeistern und andere mitziehen

Mitarbeitende der Zukunft brauchen den Mut und die Initiative, schwierige Themen anzusprechen. Das gilt sowohl aus der Ferne im Homeoffice, in denen Mitarbeitende aktuell bei Unklarheiten weitgehend eher nichts sagen, als auch bei Skepsis gegenüber den Möglichkeiten einer allumfassenden Digital-Technik.

3. Menschlichkeit: Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen und Bindungen aufzubauen

Einzelne Bausteine lauten:

  • Freundlichkeit: andere wohlwollend unterstützen
  • Bindungsfähigkeit: menschliche Nähe herstellen
  • Soziale Intelligenz: Sich eigener und fremder Emotionen und Beweggründe bewusst sein und entsprechend kommunizieren.

Und noch einmal digitale Ferne: Wer auf Distanz zusammenarbeitet, braucht ein besonderes Gespür für sein Gegenüber, das bestenfalls in eine Proaktivität übergeht. Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig gefragt, wie mein Gegenüber etwas gemeint hat.

4. Gerechtigkeits- und Fairnessempfinden: Stärken, um das Gemeinschaftsbewusstsein zu fördern.

Einzelne Bausteine lauten:

  • Fairness: alle Menschen nach dem Prinzip der Chancengleichheit und Gerechtigkeit behandeln
  • Führungsvermögen: Gruppenaktivitäten fair planen, organisieren und durchführen
  • Teamwork: seine Rolle im Team finden und konstruktiv zusammenarbeiten

Je mehr Digitalisierung wir haben, desto wichtiger erscheint es uns, die Bindung zwischen den Menschen aufrecht zu erhalten oder zu fördern. Ein zentraler Aspekt dazu lautet Fairness.

5. Mäßigung: Stärken, um Exzessen entgegenzuwirken

Einzelne Bausteine lauten:

  • Vergebungsbereitschaft: denen vergeben, die anderen Unrecht getan haben
  • Bescheidenheit und Demut: ´seine eigene Rolle in einem Erfolg nicht überbewerten.
  • Weitsicht: nichts tun oder sagen, das später bereut werden könnte
  • Selbstregulation: sich selbst emotional regulieren, um für andere einschätzbar zu sein

In einer Zusammenarbeit auf Distanz ist es nicht nur wichtig, sich mit Mut und Engagement positiv proaktiv einzubringen, sondern auch, sich im Fall von Ärger und Enttäuschungen zurückzuhalten, um mithilfe analoger Möglichkeiten wie einem Vier-Augen-Gespräch Missverständnisse zu klären, statt sie digital eskalieren zu lassen.

6. Transzendenz: Stärken, um Sinn in der Arbeit zu stiften

Einzelne Bausteine lauten:

  • Sinn für das Schöne: Schönheit in verschiedenen Lebensbereichen schätzen
  • Dankbarkeit: sich die positiven Dinge im Leben bewusst machen und sie zu schätzen wissen
  • Hoffnung: das Bestmögliche erwarten und daran arbeiten es zu erreichen
  • Humor: andere mit Humor aufheitern und zum Nachdenken anregen
  • Spiritualität: Überzeugungen über einen höheren Sinn des Lebens haben

Transzendale Fähigkeiten schließlich dienen in der Digitalisierung dem Ausgleich zur kalten Technik. Die Technik ist ein Mittel zum Zweck, stiftet jedoch keine Sinnhaftigkeit. Die muss der Mensch selbst herstellen, um auch für sich einen Sinn in der Arbeit und in seinem Leben zu haben.

Solche Tugenden oder Charakterstärken sind sicherlich nicht überall tragend. Sie können jedoch als Blaupause dienen, um zu untersuchen, inwiefern eine Technik solche Tugenden fördert und uns damit zu einem besseren Menschen macht oder inwiefern sie uns daran hindert, uns als Mensch weiter zu entwickeln.

Literatur zum Weiterlesen:

Jörg Dräger und Ralph Müller-Eiselt (2019): Wir und die intelligenten Maschinen. DVA.

Sarah Spiekermann (2019): Digitale Ethik. Droemer.

Michael Hübler (2018): New Work: Menschlich – demokratisch – agil. Metropolitan


bunker Arbeitsplatz dunkel keller

Noch mehr Beiträge aus den Bunker-Chroniken findet ihr
 hier.

Weitere Themen rund um “New Work” beschäftigen Michael Hübler auch in seinen  Büchern.

 


Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

Bei metropolitan von Michael Hübler erschienen:

 Provokant – Authentisch – Agil
Die neue Art zu führen
Wie Sie Mitarbeiter humorvoll aus der Reserve locken
ISBN 978-3-96186-004-3

 New Work: Menschlich – Demokratisch – Agil
Wie Sie Teams und Organisationen erfolgreich in eine digitale Zukunft führen
ISBN 978-3-96186-016-6

 Die Bienen-Strategie und andere tierische Prinzipien
Wie schwarmintelligente Teams Komplexität meistern
ISBN 978-3-96186-031-9

 Die Führungskraft als Krisenmanager
Wie Führungskräfte in turbulenten Zeiten Orientierung bieten, Konflikte schlichten und Mitarbeiter begleiten
ISBN 978-3-96186-044-9

 Gesellschaftliche Konflikte in der Corona-Krise
Besonderheiten, Hintergründe, Lösungsansätze
ISBN 978-3-96186-047-0

bunker Arbeitsplatz dunkel Beitrag 44 wertebasierte Führung

Eine wertebasierte Führung in einer digitalen Welt – Teil 1

Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor  Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich mit der Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt! In seinem zweiteiligen Artikel plädiert Michael Hübler für die Rückbesinnung auf eine wertebasierte Führung und hinterfragt dabei kritisch, ob die ach so schöne neue digitale Welt nicht auch mit Vorsicht zu genießen ist. Los geht es heute mit Teil 1:

Technik und Werteorientierung Hand in Hand

Was für eine schöne neue Welt. Blinde können dank ihres Smartphones wieder “sehen”, indem sie Objekte scannen und sich das “Gesehene” übersetzen lassen. Gesundheitsrisiken werden frühzeitig mittels einer App erkannt. Und Firmen haben mit Big Data den perfekten Schlüssel für das Schloss des Kundenglücks in der Hand.

Doch leben wir wirklich in einer perfekten Welt? Haben wir all diese Techniken noch im Griff? Oder ist es nicht eher so, dass Computer uns schon längst im Griff haben, mit ihrem Klingeln und Piepen? Genug Suggestivfragen gestellt. Schauen wir uns in dieser zweiteiligen Artikel-Serie an, wie es wirklich läuft und wie wir die Technik so nutzen können, dass sie uns hilft, anstatt uns abhängig zu machen.

Die Technik, dein Freund und Helfer

Tatsächlich haben wir häufig falsche Erwartungen bezüglich der Technik, die uns umgibt. Um zu erläutern, wie es dazu kam, beschreibe ich in meinem Buch  New Work:  Menschlich – demokratisch -agil sieben Stufen der digitalen Entwicklung:

  1. In den 1950er-Jahren verrichteten Computer mechanische, teils langweilige, teils gefährliche Tätigkeiten nach einem fest vorgegebenen Muster, beispielsweise am Fließband.
  2. In den 1970er-Jahren wurden die Computer kleiner und ließen sich damit flexibler beispielsweise als Tabellenkalkulatoren einsetzen.
  3. Ab den 1990er-Jahren wurde es möglich, zumindest teilweise auf Daten im Internet zuzugreifen, die zuvor an einen festen Arbeitsplatz gebunden waren.
  4. Anfang des neuen Jahrzehnts wurde das Internet zur Plattform. Ressourcen zur Erfüllung einer Tätigkeit wurden nun weitgehend ausgelagert, sodass jederzeit und überall darauf zugegriffen werden konnte.
  5. Hinzu kam, dass ebenfalls seit Beginn der Nuller-Jahre Computer zu unserem treuen Begleiter wurden, der uns bei allen denkbaren Tätigkeiten unterstützt: Er misst unseren Puls, zeigt uns, wo wir abbiegen sollen und erinnert uns daran, eine Pause zu machen und etwas zu essen. Einerseits führte dies zu Erleichterungen im Alltag, andererseits zu einer wachsenden Abhängigkeit und Unselbstständigkeit. Auch die Überwachung wurde damit einfacher.
  6. Auf der sechsten Stufe dieser Entwicklung gilt der Computer als Prophet. Dank Big Data glauben die Menschen in die Zukunft sehen zu können. Dies ist jedoch häufig ein Trugschluss und kann zu einem illusorischen Kontrollgefühl führen. Ich kann dann zwar einen Arbeitsprozess genauestens analysieren, weiß jedoch nicht, welche Motivation die Mitarbeiter/innen antreibt. Wer von Big Data fasziniert ist, lässt sich vom Perfektionismus der Datenwelt blenden. Damit besteht die Gefahr, sich in den Daten zu verlieren, die ich kenne, während nicht erfassbare, jedoch wichtige Daten ignoriert werden. Während ich mit Big Data die Pünktlichkeit eines Lieferanten zur Erhöhung der Kundenzufriedenheit messen kann, ist dies beim Faktor Freundlichkeit schwierig. Ich könnte zwar meine Mitarbeiter/innen dazu anhalten, regelmäßig zu lächeln. Ist das Lächeln nicht echt, wird es jedoch nicht funktionieren.

Wertebasierte Führung aktuell

Aktuell befinden wir uns inmitten einer Mischung der beiden letzten Stufen. Dabei stellt sich die Frage, wie es weitergeht. Während wir wissen, dass Menschen aus Unfähigkeit, Ablenkbarkeit oder Müdigkeit Fehler machen, gehen wir aus der Erfahrung der ersten Stufen der Automatisierung und Digitalisierung davon aus, dass Computer zuverlässiger sind als der Mensch. Ein Taschenrechner verrechnet sich nicht. Und ein Computerprogramm wie Excel oder Word tut nun einmal das, was es soll – ohne Ermüdungserscheinungen.

Dabei wird übersehen, dass heutige Algorithmen nicht mehr viel mit den alten Programmen aus den 1950er bis 90er-Jahre gemeinsam haben. Während wir in einen Taschenrechner zwei Zahlen addieren, werden Algorithmen mit einer Vielzahl an Daten gespeist. Wir selbst wissen, dass wir eine 2 und eine 3 eingetippt haben. Wir wissen jedoch nicht, woher die Masse an Daten kommt oder ob sie schlimmstenfalls von Hackern manipuliert wurde. Algorithmen können nur die Daten berechnen, mit denen sie gespeist werden. Wir gehen also mit einem alten Mindset an die neuen Programme heran. Dabei ergeben sich jedoch einige Probleme:

  • Die Dominanz der Vergangenheit
    Big Data bedeutet immer einen Blick zurück und niemals einen Blick nach vorne. Als Amazon Auswahlgespräche per Algorithmus entscheiden lassen wollte, stellte sich heraus, dass der Algorithmus sexistische Entscheidungen traf. Warum? Bislang waren die meisten Mitarbeitenden Männer. Der Algorithmus ging daher von der Vergangenheit als Idealzustand aus und traf entsprechende Entscheidungen. Als Amazon das realisierte, bekam der Algorithmus einen Laufpass.
  • Werte und Emotionen
    Das Digitale kann keine phänomenologischen Phänomene ablichten. Werte wie Vertrauen, Sympathie, Schönheit oder Emotionen sind zu subjektiv, um sie in Daten zu packen. Sie machen jedoch nicht nur das Menschliche und Zwischenmenschliche sowohl in der Arbeit als auch im Privatleben aus, sondern entscheiden ganz wesentlich über Erfolg oder Misserfolg beim Kunden und in der Führung von Mitarbeitenden.

Dennoch geht unser digitales Mindset immer noch davon aus aus, dass Algorithmen perfekt arbeiten. Neben unseres Apps braucht folglich auch unser Mindset ein Update.

Tatsächlich werden Softwareingenieure angehalten, von 24 Monaten Entwicklungszeit für einen neuen Code lediglich drei (!) Monate für die Programmierung zu verwenden. Der Rest der Zeit wird für das Aufspüren von Fehlern, das sogenannte Debugging, verwendet. Damit wird insbesondere in Hochsicherheitsbereichen wie der Flugtechnik oder in Krankenhäusern eine maximale Fehlerquote von 0,5 Fehlern auf 1.000 Zeilen Programmier-Code angestrebt. Das klingt wenig, ist jedoch bei genauem Hinsehen mehr als wir denken. In einem hochgradig digitalisierten Fahrzeug gibt es etwa 100 Millionen Zeilen an Codes. Eine Quote von 0,5 Fehler auf 1.000 Zeilen bedeutet folglich immer noch 50.000 Fehler. Das können wenig dramatische Fehler sein oder auch Fehler, die zu Folgeentwicklungen führen, wie beispielsweise dem automatischen Abschalten der Bremsflüssigkeit.

Aufgrund dieser Aspekte – der Vergangenheitsdominanz, der mangelhaften Ablichtung der Welt, der potenziellen Abhängigkeit und der Fehleranfälligkeit der Technik mit teils fatalen Folgen – ist es dringend geraten, uns über eine siebte Stufe der digitalen Entwicklung Gedanken zu machen. Aus meiner Sicht könnte diese Stufe etwa so aussehen:

  1. Normative Entscheidungen trifft der Mensch. Computer sammeln Daten. Über eine Ethik verfügen sie nicht. Tech-Fans gehen häufig davon aus, dass sich aus Big Data alles herauslesen lässt. Firmen brauchen jedoch eine ethische Vorstellung der Zukunft, sowohl was die zu sammelnden Daten als auch die Vision, Mission und Ziele der Organisation angeht.
  2. Strategische Entscheidungen zur Ausrichtung einer Organisation sollte ebenfalls der Mensch treffen. Computer können nicht darüber entscheiden, ob ein Unternehmen streng wettbewerbsorientiert oder kooperativ vorgehen will und wie die Kunden eingebunden werden sollen, um seine Ziele zu erreichen. Hier stellt sich auch die Frage, welche Führung ein Unternehmen sich wünscht und welche Rolle in Zukunft Mitarbeitende spielen sollen. Wie soll eine gute Führung aussehen und welche Mitarbeitenden wünschen wir uns?
  3. Übrig bleiben die operativen Entscheidungen. Sind die Ziele und Vorgehensweisen zur Zielerreichung klar, darf der Computer wieder auf seinen angestammten Platz zurück als Datensammel- und Auswertmaschine.

Klassische versus wertebasierte Führung

Sarah Spiekermann, Professorin für Wirtschaftsinformatik in Wien, simuliert dazu mit ihren Studierenden die Entwicklung einer App für Fahrradkuriere in zwei Versionen. In der ersten Version entwickeln die Studierenden eine Roadmap mit allen Funktionen, die eine solche App ihrer Meinung nach bieten soll. Die App soll dafür sorgen, dass Kundenwünsche genauestens aufgenommen und an freie Kuriere weitergeleitet werden. Die Kuriere sollen schnellstmöglich von A nach B kommen. Mögliche Staus werden eingeplant, usw.

All dies folgt der betriebswirtschaftlichen Logik der Gewinnmaximierung durch vermeintlich (siehe oben) optimale Kundenorientierung. An die Fahrradkuriere wird dabei jedoch nicht gedacht. Sie werden durch die App selbst zu einem Algorithmus degradiert, der zu erfüllen hat, was die App nicht kann, da ihr Arme und Beine fehlen. Ihre aktuelle Verfassung, persönliche Vorlieben oder Wünsche werden nicht berücksichtigt. Die Kuriere haben sich der App anzupassen und nicht die App an die Kuriere. Darin besteht vermutlich eine der größten Gefahren im Umgang mit KI: Der Mensch verliert seine Würde.

In einer zweiten Version gibt Spiekermann ihren Studierenden den Auftrag, die folgenden ethischen Fragen bei der Entwicklung der App zu berücksichtigen:

  • Auswirkungen der Technik auf unseren Charakter und unsere Tugenden: Wie wirkt sich die entwickelte Technik, in diesem Fall die App, auf den Charakter der direkt Beteiligten (Kunden, Kuriere) aus?
  • Auswirkungen der Technik auf gesellschaftliche Werte: Welche positiven oder negativen Werte werden durch die Technik vermittelt? Werden die Kuriere wertgeschätzt oder zur bloßen Manövriermasse degradiert? Sind die Kunden glücklicher durch eine schnelle KI-gesteuerte Taktung oder brauchen sie etwas anderes?
  • Wünschenswerte Werte: Welche gesellschaftlichen Werte sind euch selbst wichtig, die über die Technik vermittelt werden sollte?

Tatsächlich kamen die Studierenden bei der Entwicklung der zweiten Version der App durch die philosophischen Fragen nach den Tugenden und Werten zu ganz anderen Ideen, was eine solche App berücksichtigen sollte:

  • Die App sollte die Interessen der Kuriere nach Privatheit berücksichtigen, wenn diese auf ihrem Weg etwas besorgen wollen.
  • Sie könnte ausloten, ob zwei Kuriere, die beide gerade eine Pause haben, sich in der Nähe in einem Café treffen wollen, um eine Kultur der Bindung im Unternehmen zu etablieren.
  • Die App könnte Kurieren je nach Fitnesslevel oder persönlichen Wünschen verschiedene Routen zuteilen.
  • Sie könnte die Bedürfnisse der Kunden nach Smalltalk, persönlichen Vorlieben für bestimmte Kuriere oder einer Essensberatung berücksichtigen.

Spannenderweise nahmen die Ideen durch die ethischen Überlegungen massiv zu. Während viele Unternehmen sich darüber beklagen, mit ethischen Grundsätzen geknebelt zu werden, ist tatsächlich das Gegenteil der Fall.

Warum sich Werteorientierung in einer digitalen Welt rechnet

Gerade in Unternehmen, die von einer agilen Denkweise infiziert sind, herrscht oftmals eine sehr einseitige Vorgehensweise bei der Entwicklung von Innovationen vor. Dafür wurden in den letzten Jahrzehnten einige Glaubenssätze in uns installiert, die kaum noch hinterfragt werden:

  • Die Kundensicht: Der Kunde will Neuheiten. Diese wiederum sollten mit jedem Update schneller und komfortabler sein.
  • Die Marktsicht: Wer schneller am Markt ist, schöpft den Rahm ab. Die Konkurrenz schläft nicht.

Ist das so? Will der Kunde wirklich stets den neuesten heißen Scheiß? Ich zumindest kenne in meinem Umfeld viele, die über Neuigkeiten stöhnen und sich stattdessen etwas Solides wünschen, auf das sie sich verlassen können. Natürlich ist es toll, wenn die neue Kamera ein paar neue Funktionen mitbringt. Dabei hab ich nicht mal meine alte Kamera komplett ausgereizt. Die Bilder sind scharf genug. Der Auslöser zackig. Das Alter der Kamera? Zehn Jahre.

Das wiederum widerspricht einer Welt, in der Plattformen wie Facebook, YouTube oder Twitter ihre Dienste umsonst anbieten, während die Werbetreibenden dort selbstredend ihren Werbeplatz wie einst in der Primetime damit bezahlen, dass sie immer neue Innovationen vorstellen. Es sollte ehrlicherweise also nicht heißen: “Der Kunde will Neuigkeiten.” Sondern: “Unternehmen brauchen Innovationen, die sie verkaufen können, um sich ihren Werbeplatz bei digitalen Plattformen leisten zu können.”

Natürlich gab es schon vor dem Internet Werbung. Doch das Prinzip Umsonst-Dienste und -Inhalte gab es in der Form nicht. Zeitungen, Influencer, Blogger … alle bieten einen Service an, der indirekt von Werbetreibenden bezahlt wird.

Und wie schaut es mit der Marktsicht aus? Es stimmt schon: “First come, first serve” heißt es auf Englisch so treffend. Oder “The Winner takes it all”. Danke ABBA! Die Aktien- und Mediengetriebenheit vieler Firmen sorgt leider dafür, dass eine solche Kurzperspektiv-Strategie schlecht für die Sorgfaltspflicht eines Unternehmens ist. Wer tatsächlich sorgfältig arbeitet, braucht länger und ist entsprechend in den Medien schnell unten durch. Wer also Wert auf ethische Maßstäbe legt, zieht in unserer neokapitalistischen Welt den Kürzeren und riskiert die eigene Überlebensfähigkeit.

Eine lohnenswerte Investition

Langfristig dreht sich dieser Spieß jedoch um. In dem Buch Firms of Endearment werden 13 US-amerikanische Firmen, die sich über gelebte Werte wie Sorgfalt, Nachhaltigkeit oder Menschlichkeit auszeichnen, mit elf Firmen, die klassischen Mustern der Gewinnmaximierung fröhnen, über einen Zeitraum von 15 Jahren verglichen. Das Ergebnis ist erstaunlich: Firmen, die die Welt zu einem besseren Ort machen wollen, sind über einen Zehn-Jahres-Horizont dreimal und über einen Fünf-Jahres-Horizont doppelt so erfolgreich wie klassische Firmen.

Es lohnt sich also langfristig, werteorientiert zu führen. Doch warum ist das so? Ein Unternehmen ist erfolgreich, wenn die Einnahmen die Kosten übersteigen. Nun könnte es die Einnahmen steigern, indem es Produkte günstiger herstellt, beispielsweise durch geringere Löhne oder einen höheren Automatisierungsgrad. Diesen Weg beschreiten unter anderem Amazon oder Uber. Der Mensch ist in diesem System wie Charlie Chaplin in Modern Times nur noch ein Rädchen in der großen Maschine. Die Maschine gibt den Takt vor. Der Mensch ist austauschbar. Die kleinsten Schritte werden überwacht.

Dies muss auch so sein, da in einem solchen System kein Vertrauen und keine Bindung zum Unternehmen existieren. Wenn es jedoch keine Bindung gibt, ist die Gefahr groß, dass Mitarbeitende dies ausnutzen, Material klauen, Pausen überziehen usw. Wir können nicht sagen, dass diese Strategie nicht funktioniert. Dennoch regt sich über kurz oder lang Widerstand gegen dieses System. Überwachungskameras führen zu Skandalen. Die Mitarbeitenden beschweren sich auf Twitter und Facebook über ihren Arbeitgeber. Und wer nicht muss, sucht sich einen anderen Brötchengeber.

In Unternehmen, in denen über gemeinsame Werte wie Vertrauen, Verbindlichkeit, Fairness, Glaubhaftigkeit, Ehrlichkeit, Solidarität, Offenheit, Dankbarkeit, Nachhaltigkeit, Besonnenheit, Respekt, Freude an der Arbeit, Hilfsbereitschaft, Demut, Loyalität, Begeisterung, Gewissenhaftigkeit, Altruismus, Weiterentwicklung, Empathie, Harmonie, Integrität, Mitgefühl, Rücksichtnahme, Idealismus, Mut, Engagement, Verantwortlichkeit, Toleranz, Zuverlässigkeit oder eine humorvolle Atmosphäre Bindung zum Unternehmen hergestellt wird, braucht es keine digitale Überwachung.

Ein solches Unternehmen sucht nicht nach einer Gewinnmaximierung auf Teufel komm raus, sondern strebt eine gemeinsame Wertebasis an. Diese kann entweder über das Produkt laufen oder über das Zwischenmenschliche. Gibt es im Unternehmen die Vision einer App, die die Welt retten kann, eines Smartphones, das Eier kochen kann oder eines Bringservices mit integrierter Altenbetreuung, kann allein diese werteorientierte Vision oder Mission die Mitarbeitenden des Unternehmens zusammenhalten. Eine hohe Bindung ist häufig auch in Berufen zu finden, die an sich einer wertvollen Tätigkeit nachgehen, auch wenn die Arbeitsbedingungen weniger glorreich erscheinen, beispielsweise im Kranken- oder Pflegebereich. Es ist ohnehin ein Wunder, wie duldsam die Menschen dort mit den schlimmsten Arbeitsbedingungen umgehen.

Eine weitere Möglichkeit der Bindung an ein Unternehmen setzt direkt an den Mitarbeitenden an, indem es sich um die Belange und Bedürfnisse der Mitarbeitenden nach Achtung, Wertschätzung und Respekt kümmern. Dieser Ansatz geht davon aus, dass ein glücklicher Mitarbeitender gute Arbeit leistet, Kunden gut betreut und gerne beim Unternehmen bleibt, wodurch die Kosten für Neueinstellungen sinken.

Damit wird deutlich, dass die Ausbeutung und digitale Überwachung von Mitarbeitenden kurzfristig ein durchaus gewinnbringender Weg ist, insbesondere in einem Arbeitsgebiet, das keine gut ausgebildeten Mitarbeitenden benötigt. In Branchen, in denn eine besondere Expertise benötigt wird, ist es langfristig sowohl sparsamer als auch gewinnbringender, eine wertebasierte Qualitätspolitik zu verfolgen.

Eine werteorientiere Führung ist in einer digitalisierten Welt auch deshalb wichtig, da digitale Geräte einen enormen Aufforderungscharakter haben. Während wir früher zu einem Taschenrechner griffen, um etwas auszurechnen, besitzen die heutigen Apps einen Suchtcharakter. Sie verführen uns dazu, uns anzusehen, wer unseren Beitrag geliked hat oder was es Neues in der Welt gibt. Es wäre wünschenswert, den Spieß wieder umzudrehen und nicht die Technik uns bestimmen zu lassen, sondern selbst wieder die Führung zu übernehmen, um die Kreativität der Menschen zu erhalten. Ohne eine klare werteorientierte Führung wird dies kaum möglich sein.

Rückkehr aus der Passivität

Wir verlieren in der Digitalisierung unser autobiografisches Gedächtnis. In der analogen Welt haben Dinge um uns herum, beispielsweise eine Kaffeetasse, eine Bedeutung für uns. In der digitalen Welt fehlt die Bedeutung, weshalb unsere Persönlichkeiten abflachen. Ebenso greifen wir in der digitalen Welt auch nicht mehr aktiv, sondern weitgehend reaktiv auf unser Gehirn zu. Wir reagieren auf ein Piepsen oder Summen, um nachzusehen, was hier passiert ist. Wir schauen in unsere Mails oder Plattform-Accounts, um zu sehen, was es Neues gibt. Während das Internet versprach, im Vergleich zum Fernsehen die Menschen aktiver zu beteiligen, stellte sich jedoch das Gegenteil ein: Wir konsumieren passiver als jemals zuvor.

Während die Digitalisierung für eine extrem hohe Effizienz sorgt und stetig unsere Neugierde antriggert, bleibt die Einzigartigkeit des Menschen auf der Strecke. Wer Mitarbeitende auf Daten und zu optimierende Zahlen reduziert, raubt ihnen ihre Würde. Wer kreative und engagierte Mitarbeitende im Blick hat, kann dies kaum wollen.

Literatur zum Weiterlesen:

Jörg Dräger und Ralph Müller-Eiselt (2019): Wir und die intelligenten Maschinen. DVA.

Sarah Spiekermann (2019): Digitale Ethik. Droemer.

Michael Hübler (2018): New Work: Menschlich – demokratisch – agil. Metropolitan

Nächste Woche geht es weiter mit Teil 2: Etablierung eines Wertesystems in einer digitalen Welt


bunker Arbeitsplatz dunkel keller

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Weitere Themen rund um “New Work” beschäftigen Michael Hübler auch in seinen  Büchern.

 


Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

Bei metropolitan von Michael Hübler erschienen:

 Provokant – Authentisch – Agil
Die neue Art zu führen
Wie Sie Mitarbeiter humorvoll aus der Reserve locken
ISBN 978-3-96186-004-3

 New Work: Menschlich – Demokratisch – Agil
Wie Sie Teams und Organisationen erfolgreich in eine digitale Zukunft führen
ISBN 978-3-96186-016-6

 Die Bienen-Strategie und andere tierische Prinzipien
Wie schwarmintelligente Teams Komplexität meistern
ISBN 978-3-96186-031-9

 Die Führungskraft als Krisenmanager
Wie Führungskräfte in turbulenten Zeiten Orientierung bieten, Konflikte schlichten und Mitarbeiter begleiten
ISBN 978-3-96186-044-9

 Gesellschaftliche Konflikte in der Corona-Krise
Besonderheiten, Hintergründe, Lösungsansätze
ISBN 978-3-96186-047-0

bunker Arbeitsplatz dunkel Beitrag 43 Mitarbeiterbindung

Mitarbeiterbindung als zentrale Aufgabe der Zukunft

Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor  Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich mit der Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt! Im heutigen Beitrag plädiert Michael Hübler für die Mitarbeiterbindung und sieht die Bindung der Mitarbeitenden als zentrale Führungsaufgabe der Zukunft.

Auf dem Weg zu “New Normal”?

Wir leben in einer Zeit stetiger Umbrüche. Agilität, die Orientierung am Kundenwunsch und seit eineinhalb Jahren Corona. Das Homeoffice sollte bereits vor Corona seinen Siegeszug antreten und ist nun vollständig etabliert, auch wenn nicht alles rund läuft. Die Kreativität im Team leidet. Konflikte werden verschoben. Die Arbeit im Homeoffice ist nun einmal prädestiniert für Einzelkämpfer/innen und unabhängige Arbeiten. Im Kern der virtuellen Zusammenarbeit stehen der Autonomie-Gedanke und damit auch ein Stück weit die Selbstverwirklichung der Mitarbeiter/innen sowie die Chance auf eine bessere Balance zwischen Arbeit und Privatleben.

Auf der anderen Seite stehen Großraumkonzepte, die den zweiten Kern einer neu verstandenen, glücklich machenden Arbeit ins Visier nehmen: Die Begegnung, Mitbestimmung und Kreativität am Arbeitsplatz.

Beide Konzepte, die uns nach Corona als hybrides New Normal begleiten werden, sprechen – das wird häufig vergessen oder ignoriert – nicht nur unterschiedliche Arbeitsaufgaben, sondern auch unterschiedlich motivierte Mitarbeiter/innen an. Die einen wollen lieber selbstverantwortlich agieren, um sich lebendiger und zufriedener zu fühlen. Die anderen arbeiten, um sich mit Kolleginnen und Kollegen zu treffen und auszutauschen. Sie sehen im sozialen Miteinander am Arbeitsplatz einen wesentlichen Aspekt ihres Daseins.

Büro oder Homeoffice?

Während sich Unternehmen wie Google oder Start-ups offenbar leicht tun, neue Konzepte umzusetzen, da ihre Mitarbeitenden scheinbar von selbst mitziehen, sind neue Ideen der räumlichen und zeitlichen Zusammenarbeit nicht ohne Weiteres auf traditionelle Unternehmen übertragbar und führen bisweilen zu einer großen Verwirrung bei Mitarbeitenden. Was im Silicon Valley funktioniert, erntet in einer deutschen Bank skeptische bis abschätzige Blicke, was ich vor ein paar Jahren im Rahmen eines Vortrags zum Thema Agilität hautnah erleben durfte. Hier soll wohl wieder einmal eine neue Sau durchs Dorf getrieben werden.

Tatsächlich werden manche Konzepte leider nicht bis an ihr logisches Ende durchdacht. So scheitern manche gut gemeinten Großraumprojekte bereits daran, dass sich die Mitarbeitenden von nun an beobachtet fühlen. Dass es keine trennenden Wände mehr gibt, heißt noch lange nicht, dass sich die Kolleginnen und Kollegen ab sofort offener austauschen, den Kreativitätsturbo zünden und die Bindung im Unternehmen erhöht wird. Trennende Wände gewährleisten stattdessen oftmals genau  die Sicherheit, die es braucht, sich vertrauensvoll zu unterhalten.

In einem anderen Fall aus meiner Praxis wollte sich die Führungskraft unbedingt in der Mitte des Raumes positionieren. Der Grund ist offensichtlich: Im Mittelpunkt zu stehen ist nicht nur ein Zeichen von Macht, sondern auch von Kontrolle. Neben diesen offensichtlich unguten Merkmalen ergab sich noch ein weiteres Problem: Da die Führungskraft am häufigsten Besuch von Kolleginnen und Kollegen bzw. Kundinnen und Kunden bekommt, herrscht im gesamten Großraumbüro die gesamte Zeit eine Menge Trubel. Das könnte man sich mit einem Platz am Rande ersparen.

Und mit der Autonomie im Homeoffice ist es auch nicht weit her, wenn die Führungskraft kontrolliert, wann ich mich ein- und auslogge, wie es leider immer noch allzu häufig passiert. Die Digitalisierung ist nun mal Segen und Fluch zugleich.

Natürlich sind das alles keine Totschlagargumente gegen Homeoffice und Großraumbüros. Die Probleme verdeutlichen jedoch, worauf es in Zukunft ankommen sollte. Agilität, Flexibilität, Kreativität und Individualität werden derzeit groß geschrieben. Die Digitalisierung verspricht uns, immer und von überall aus arbeiten zu können. Dabei geht jedoch vor allem die Bindung der Mitarbeitenden untereinander, zu ihren Führungskräften und an das Unternehmen verloren oder könnte zumindest einen schmerzhaften Knacks bekommen. Kein Wunder, dass derzeit die Mitarbeitenden liebend gerne wieder in die Büros strömen, um sich ein klein wenig alte Normalität zurück zu holen.

Für das Homeoffice liegt der Rückschluss der mangelnden Bindung auf der Hand. Doch auch in Großraumbüros müssen sich die Beziehungen untereinander durch den stetigen Wechsel zwischen Homeoffice und Präsenzarbeitsplatz erst einspielen.

Dabei liegt es wie so oft nicht an den neuen Strukturen, sondern an den Haltungen, Überzeugungen und dem Mindset des Managements, der Führung und dem gesamten Unternehmen. Sind tragende Beziehungen vorhanden, werden flexible Strukturen leichter angenommen, als in einem streng hierarchisch organisierten Unternehmen. In einem Unternehmen, in dem die Beziehungen so tragend sind, dass sie gleichzeitig verpflichtend wirken, sowie zu einem offenen und ehrlichen Austausch auch auf Distanz führen, tanzt keine Maus auf dem Tisch und niemandem wird langweilig. Jeder weiß, was er oder sie darf, kann und soll und wer im Zweifel gefragt werden kann.

Die Welt ist ein Dorf

Ein gut funktionierendes Unternehmen lässt sich mit einer Kleinstadt vergleichen: Wenn ich will, kann ich jeden kennenlernen. Da eine Kleinstadt jedoch größer ist als ein Dorf, braucht es eine gewisse Zivilität, um gut miteinander auszukommen. Dies wird dadurch begünstigt, dass wir uns in Unternehmen über Rollen, Funktionen und Aufgaben treffen und nicht direkt über unsere Person. Daher sind Sympathien oder Antipathien zweitrangig – oder sollten es sein. Ein schlechtes Unternehmen gleicht einem digitalen Dorf, in dem die kleinsten Verfehlungen im Handumdrehen jeder weiß, entweder das Unternehmen als kleiner Überwachungsstaat – Skandale dazu gab es schon viele in den letzten Jahren von Schlecker bis Amazon – oder der Flurfunk. Oder es gleicht einer Großstadt, in der ich mich verliere, weil ich niemanden wirklich kenne. Das digitale Dorf führt zu aktiven Fluchtimpulsen, die Großstadt zu Verlorenheit und Trägheit. Aber bis zur Rente werde ich es vielleicht noch aushalten.

Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser

In einem Unternehmen, das aufgrund von Kontrolle funktioniert, führt die Entfremdung der Mitarbeitenden zueinander bzw. zu ihrer Führung und zum Unternehmen beinahe automatisch zum Impuls, die Überwachung mittels Algorithmen zu erhöhen. Dies ist auch gesellschaftlich zu beobachten, wie es der Essay des Philosophen John Gray im Philosophie Magazin 21 Impulse für 2021 verdeutlicht: Je individueller wir leben, desto mehr entfremden wir uns voneinander, was dazu führt, dass wir weniger aufeinander aufpassen (Stichwort: Wachsamer Nachbar gegen Einbrüche), desto mehr setzen wir selbst auf persönliche  digitale Überwachungsinstrumente wie Videokameras, um uns dennoch sicher zu fühlen und der Staat ebenso umso mehr Überwachungskameras im öffentlichen Raum einsetzt.

Während es bei hochmotivierten Mitarbeitenden offensichtlich ausreicht, ihnen mithilfe von Frameworks jenseits bekannter Arbeitsstrukturen eine sichere Orientierung zu bieten – wobei die Überwachungsskandale von Amazon oder das Buch The Circle von Dave Eggers uns erahnen lassen, dass es auch in der Hightech-Branche eine ganze Menge an freundlich-paternalistischer Überwachung gibt – braucht es in eher traditionellen Unternehmen ein Umdenken in der Führung, um einen solchen neuen Geist der Zusammenarbeit und Verantwortung auch ohne Überwachung zu etablieren, damit Teams auch ohne klare Strukturen produktiv arbeiten.

Agile Frameworks wie Scrum bieten einerseits einen Rahmen, in dem das Setzen eigener Ziele und freie operative Entscheidungen möglich und gefordert sind, sind jedoch andererseits nicht so frei, dass die Freiheit zum Chaos wird. In Scrum finden tägliche Kurzmeetings als Statusabfrage des aktuellen Arbeitsstands der Mitarbeitenden statt. Damit ist die Freiheit der täglichen Arbeit gewährleistet. Gleichzeitig führt der regelmäßige Abgleich zu einem entsprechenden sozialen Druck durch die Kolleginnen und Kollegen. Ganz ohne Strukturen geht es offensichtlich auch hier nicht. Ohne Vertrauen jedoch auch nicht.

Mit so viel Freiheit sind, zumindest vorübergehend, Menschen überfordert, die dies bislang nicht gewohnt sind. Es ist zumindest denkbar, dass die Gegenwehr gegen Agilitäts- und New Work-Konzepte weniger aus dem Gedanken heraus entsteht, dass neue Konzepte alter Wein in neuen Schläuchen sind – was durchaus der Fall sein kann –, sondern vielmehr aus dem unbewussten Empfinden der Überforderung und der Angst heraus stammt, den Anschluss an das Team zu verpassen. Wer es bislang gewohnt war, jeden Tag die gleichen Leute zu sehen, könnte sich schwer tun, solche Sicherheiten aufzugeben. Oberflächlich sind das Kleinigkeiten. Soziale Verunsicherungen, die sich sicherlich mit der Zeit einspielen werden. Unter der Oberfläche fallen jedoch sicher geglaubte Begegnungen weg, die erst wieder neu geschaffen werden müssen. Damit wird überdeutlich, dass das Thema Beziehungsarbeit und Mitarbeiterbindung ganz nach oben sollte auf die Agenden moderner Unternehmen.

Warum kündigen gute Mitarbeitende?

Mit dieser Frage sollten sich Unternehmen in Zukunft noch mehr als bislang beschäftigen. Schauen wir uns die Ergebnisse aus diversen aktuellen Studien an, kristallisieren sich drei zentrale Hotspots für Kündigungen zusammenfassen: Führung,  Arbeitsbedingungen und -kultur sowie persönliche Möglichkeiten der Weiterbildung:

1. Die Führungskraft als Dreh- und Angelpunkt der Mitarbeiterbindung

Kündigungen hängen oft mit den direkten Vorgesetzten zusammen. Für viele Mitarbeitende spielt das Unternehmen, bei dem sie angestellt sind, lediglich in der Bewerbung eine wichtige Rolle. Anschließend hängt ihre Arbeitszufriedenheit mehr oder weniger direkt von dem Klima in ihrem Team oder ihrer Abteilung und damit indirekt von der Team- oder Abteilungsleitung ab, die die Kultur im Team oder der Abteilung nachhaltig prägt. Führung bekommt damit eine zentrale Bedeutung für die Mitarbeiterbindung.

Typische Fragen, die sich Mitarbeitenden kurz vor einer Kündigung stellen, lauten:

  • Ist meine Führungskraft ein Vorbild für mich?
  • Ist sie verlässlich und glaubwürdig?
  • Fühle ich mich ernst genommen?
  • Finde ich ein offenes Ohr für persönliche Anliegen und berufliche Ideen?
  • Stellt sich meine Führungskraft bei Fehlern hinter mich?
  • Steht sie gegen Widerstände von außen für die Abteilung oder das Team ein, wenn es hart auf hart kommt?
  • Wird konstruktive Kritik wertgeschätzt?

2. Arbeitsbedingungen und -kultur

  • Werden Ideen von mir im Team wertgeschätzt?
  • Bekomme ich regelmäßig ein Dankeschön für meine Leistung und meinen Einsatz?
  • Gehören Erfolge mir oder dem Team und nicht der Führungskraft?
  • Fühle ich mich regelmäßig überlastet? Es ist verlockend, gute Leute härter arbeiten zu lassen und damit so lange zu überlasten, bis sie kündigen.
  • Kann ich Beruf und Privatleben gut vereinbaren und wird dies im Unternehmen anerkannt, wenn ich eine gute Work-Life-Balance anstrebe?

3. Persönliche Forderung, Förderung und Weiterentwicklung

  • Habe ich das Gefühl am richtigen Platz eingesetzt zu sein?
  • Finde ich Gleichgesinnte, mit denen ich auf Augenhöhe diskutieren und arbeiten kann? Oder werde ich von den Kolleginnen und Kollegen aufgrund deren Einstellung demotiviert?
  • Wird bei uns nach Leistung oder nach Beziehung befördert?
  • Werden meine Talente erkannt und anerkannt?
  • Werde ich in der täglichen Arbeit herausgefordert? Gibt es genügend Freiräume und Unterstützung, um eigene Wege zu gehen und Fehler zu riskieren?
  • Habe ich die Möglichkeit, mich beruflich und persönlich weiter zu entwickeln?

Mitarbeiterbindung statt Neurekrutierung

Neurekrutierungen kosten Zeit, Geld und Nerven. Stellenanzeigen müssen geschaltet oder aktiv auf die Suche in digitalen Netzwerken gegangen werden. Die Testverfahren sind je nach Größe und Anspruch des Unternehmens unterschiedlich komplex, Vorstellungsgespräche sind aufwändig, insbesondere wenn sie mehrstufig ablaufen und können zu Fehlentscheidungen führen. Das vorhandene Wissen geht verloren. Und bis ein Mitarbeitender perfekt eingearbeitet ist und ins Team passt, kann ein halbes Jahr vergehen. Nicht auszudenken, wenn sich nach der Probezeit herausstellt, dass die eingestellte Person doch nicht optimal auf die Stelle passt.

Tatsächlich wäre es erhellend, die Kosten einer Neueinstellung dem Aufwand von Mitarbeiterbindungsmaßnahmen gegenüberzustellen. Mit Sicherheit sind die Methoden zur Mitarbeiterbindung langfristig günstiger als Neueinstellungen, zumal es sich hierbei meist um sehr einfache Veränderungen geht: Ein wenig mehr Vertrauen, öfter mal ein Danke, Respekt und Wertschätzung der Leistung von der Führungskraft und am Rande ein paar Teambildungsmaßnahmen, die auch noch Spaß machen.

Daher sollten Neurekrutierungen tunlichst vermieden werden. Der aktuelle Zeitgeist gibt zwar (noch) vor, dass Karrierewillige alle paar Jahre den Job wechseln sollten. Der Wind dreht sie jedoch bereits wieder. Offensichtlich sind der Generation Z (geboren Ende der 90er) Werte wie Sicherheit und Stabilität wieder wichtiger als den Generationen X und Y. Dies zeigt sich in Präferenzen für eine gute Bindung zur Führungskraft, einem unbefristeten Arbeitsvertrag, klare Strukturen, Verantwortlichkeiten und Hierarchien im Job und eine deutliche Trennung von Beruf und Privatleben durch geregelte Arbeitszeiten. Die Arbeit im  Homeoffice kommt bei den ganz Jungen tatsächlich und für viele überraschend weniger gut an, wie sich in einer Umfrage von  Haufe nachlesen lässt.

Den Jungen ist zwar die Flexibilität in der Arbeit immer noch wichtig. Dieses Bedürfnis muss jedoch nicht automatisch mit einem Jobwechsel verbunden sein. Die Mitarbeiterbindung wird also in Zukunft auf einen Zeitgeist treffen, der wieder mehr Wert auf Kontinuität und Bindung legt.


bunker Arbeitsplatz dunkel keller

Noch mehr Beiträge aus den Bunker-Chroniken findet ihr
 hier.

Weitere Themen rund um “New Work” beschäftigen Michael Hübler auch in seinen  Büchern.

 


Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

Bei metropolitan von Michael Hübler erschienen:

 Provokant – Authentisch – Agil
Die neue Art zu führen
Wie Sie Mitarbeiter humorvoll aus der Reserve locken
ISBN 978-3-96186-004-3

 New Work: Menschlich – Demokratisch – Agil
Wie Sie Teams und Organisationen erfolgreich in eine digitale Zukunft führen
ISBN 978-3-96186-016-6

 Die Bienen-Strategie und andere tierische Prinzipien
Wie schwarmintelligente Teams Komplexität meistern
ISBN 978-3-96186-031-9

 Die Führungskraft als Krisenmanager
Wie Führungskräfte in turbulenten Zeiten Orientierung bieten, Konflikte schlichten und Mitarbeiter begleiten
ISBN 978-3-96186-044-9

 Gesellschaftliche Konflikte in der Corona-Krise
Besonderheiten, Hintergründe, Lösungsansätze
ISBN 978-3-96186-047-0

bunker Arbeitsplatz dunkel Proaktives Führen in der digitalen Welt

Proaktives Führen in einer digitalen Welt

Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor  Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich mit der Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt!

In gewohnt kritischer, leicht zynischer, aber auch humorvoller Manier reflektiert  Michael Hübler die derzeitige Situation und damit Themen, die ihn bewegen. Er möchte Mut machen, Ablenkung schaffen, vielleicht auch zum Nachdenken anregen in einer aktuell schwierigen Zeit. Eine Zeit, der wir uns als Gesellschaft, Familie, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, aber auch als Freunde und Individuum stellen müssen. Daraus entstehen – mit dem ihm so typischen Augenzwinkern – die Hübler Bunker-Chroniken.

Nachdem uns die befürchtete zweite Welle der Pandemie getroffen hat und die Mitarbeiter wieder vermehrt das Homeoffice nutzen, stellt sich nun erneut die Frage, wie Führungskräften der Spagat zwischen Nähe, Distanz, Flexibilität und Planung gelingt.

Führungskräfte zwischen Nähe, Distanz, Flexibilität und Planung – Proaktives Führen

Brauchen wir eine neue Art des Führens in einer Welt der digitalen Ferne? Offensichtlich ja, denn eine Führung auf Distanz erfordert einen anderen Ansatz als eine Führung vor Ort. Vor Ort kann ich eine spontane Idee meinen Mitarbeitern auf dem Gang mitteilen. Auf Distanz muss ich besser planen. Vor Ort machen sich wenige Führungskräfte Gedanken über die Bindung der Mitarbeiter. Ein paar Gespräche, ein wenig Lob und Feedback reichen zwar nicht aus, sind aber ein guter Anfang. Auf Distanz wird es holprig. Die Gesprächsführung im digitalen Raum ist vielleicht nur eine Gewöhnungssache. Dennoch wissen wir alle, wie künstlich der Austausch manchmal wirkt, wenn Mimik und Gestik weitgehend fehlen.

Führungskräfte, die bisher eine gute Balance zwischen Planung und Distanz mit einer Spureneinheit Nähe pflegten, werden sich leichter tun. Führungskräfte, die bisher sehr spontan und dazu entweder mit sehr viel Nähe oder sehr viel Distanz führten, wird die Umstellung schwerer fallen. Was also tun?

Für die Frage, ob Führungskräfte in einer digitalen Welt effektiv und effizient über Distanz führen, ist es hilfreich, sich das Riemann-Thomann-Modell mit den Dimensionen Nähe, Distanz sowie Flexibilität und Planung anzusehen. Dadurch erhalten wir vier verschiedene Führungstypen:

Planung und Distanz

Eine Führungskraft, die gerne plant, indem sie Prozesse, Aufgaben oder Rollen vordefiniert und gleichzeitig ihren Mitarbeitern Freiräume für individuelle Entscheidungen lässt, könnte als Mentor bezeichnet werden. Solche Führungskräfte werden am leichtesten mit einer Führung auf Distanz zurecht kommen. Sie gehen davon aus, dass die Mitarbeiter zwar einen Rahmen für ihre Arbeit brauchen, dann jedoch gut auf eigenen Füßen stehen.

Planung und Nähe

Eine Führungskraft, die gerne plant, das heißt auf Rituale, Strukturen und Prozesse achtet und der gleichzeitig Bindung durch Nähe und Harmonie wichtig ist, ist ein guter Teamplayer. Solche Führungskräfte werden es in der Zukunft ein wenig schwerer haben. Sie werden die Nähe vermissen. Wenn sie jedoch lernen, Nähe auch auf Distanz, beispielsweise über Telefonate aufzubauen oder aufrechtzuerhalten, werden sie sich jedoch schnell an die neue Situation gewöhnen.

Flexibilität und Nähe

Eine Führungskraft, die gerne spontan und kreativ ist und gleichzeitig wert auf Nähe und Bindung legt, lässt sich als Visionär Ihr Ideen brauchen schließlich ein Publikum. Und Kreativität entsteht häufig erst im Austausch mit dem Team. Visionäre erzählen gerne Geschichten oder führen mit Humor. Solche Führungskräfte werden es noch schwerer haben. Während die Teamplayer durch ihr Faible für Planungen den Mitarbeitern über die Ferne im Homeoffice Sicherheit vermitteln, hängen diese bei Visionären in der Luft. Führungskräfte dieses Typus sollten einerseits lernen, sich von ihrer Spontaneität in Richtung Planung zu entwickeln, um Unsicherheiten bei ihren Mitarbeitern zu vermeiden, indem sie beispielsweise Feedbackrituale einplanen. Andererseits ist es wichtig, unter Berücksichtigung der individuellen Vorlieben ihrer Mitarbeiter neue Wege für der Bindung und Beziehungspflege zu suchen.

Flexibilität und Distanz

Eine Führungskraft schließlich, die gerne spontan und kreativ ist und gleichzeitig eine emotionale Distanz zu ihren Mitarbeitern bevorzugt, könnte als Stratege bezeichnet werden. Diese Art des Führens wird in Zukunft am problematischsten sein, da hier zwei ungünstige Faktoren zusammenspielen. Mitarbeiter ziehen bei einem Projekt mit, wenn sie entweder den Sinn dahinter verstehen oder ihrer Führung vertrauen. Fehlt beides, könnte der Eindruck einer Willkür entstehen. Führungskräfte dieses Typus sollten einerseits lernen, sich von ihrer Spontaneität in Richtung Planung zu entwickeln, um Mitarbeitern das Signal zu geben, dass ihre Strategien keiner Willkür entspringen. Dafür spielt die Transparenz von Entscheidungen eine wichtige Rolle. Andererseits ist es wichtig, die Bindung zu den Mitarbeitern zu suchen, indem sie sich regelmäßig darüber informiert, ob der Sinn hinter ihren Entscheidungen nachvollziehbar ist.

Radikales, bewusstes und proaktives Führen

In meinen Seminaren zum Thema Führung auf Distanz tauchte in letzter Zeit immer wieder der Begriff der Proaktivität bzw. proaktives Führen auf. Führungskräfte sollten von sich aus auf Mitarbeiter zugehen, um Missverständnisse zu vermeiden. Was früher spontan erledigt werden konnte, muss nun eingeplant und frühzeitig angesprochen werden. Dazu brauche ich als Führungskraft die Bewusstheit der eigenen Wirkung auf meine Mitarbeiter. Dies wiederum bringt uns auf den Ansatz einer radikalen Ehrlichkeit, zu mir selbst sowie im Umgang mit meinem Team. Welche Konsequenzen lassen sich hieraus für unsere vier verschiedenen Führungstypen ziehen:

Proaktives Führen für Mentoren

Eine Führungskraft, die gerne plant und gleichzeitig Mitarbeitern Freiräume für Entscheidungen lässt, muss aufpassen, nicht zu weit von ihren Mitarbeitern weg zu sein. Das schafft sie, indem sie sich klar macht, was sie von ihren Mitarbeitern erwartet, warum ihr das wichtig ist und dies auch proaktiv äußert. Wie das konkret funktioniert, werden wir uns in einem späteren Beitrag ansehen.

Für Teamplayer

Eine Führungskraft, die gerne plant und gleichzeitig Bindung durch Nähe herstellen möchte, wird auf andere radikale Erkenntnisse kommen, die sie bewusst und proaktiv einbringen sollte. Sie sollte sich eingestehen, dass die Nähe, die sie sonst als Teamplayer genoss, über die Distanz nicht haben wird. Die radikale Ehrlichkeit zu sich selbst wird daher zuerst einmal schmerzhaft für sie sein. Gleichzeitig sollte sie sich die Frage stellen, wie viel Nähe bisher gut und ob die Verbindung zu ihren Mitarbeitern vielleicht sogar an manchen Stellen und in manchen Momenten zu viel des Guten war, weil die Mitarbeiter damit zu wenig Freiräume bekamen, um eigene Ideen auszuprobieren.

Es stellt sich auch die Frage nach einer übertriebenen Harmonie als Hindernis für harte, aber notwendige Entscheidungen. Hierzu sollte eine Teamplayer-Führungskraft radikal ehrlich mit sich ins Gericht gehen, um daraus die Erkenntnis zu ziehen, wie sie dennoch eine gute und sinnvolle Nähe über die Distanz beispielsweise mittels Telefonaten herstellen kann.

Für Visionäre

Eine Führungskraft, die gerne spontan und kreativ ist und gleichzeitig wert auf Nähe und Bindung legt, sollte sich radikal ehrlich eingestehen, dass Spontaneität und Kreativität in einem nahen Setting beispielsweise im Rahmen eines Projektteam-Brainstormings eine spannende Sache, jedoch auf Distanz schwieriger umzusetzen ist. Auf Distanz wirken sie weniger sympathisch, wie sie es sonst gewohnt sind, sondern chaotisch. Sie sind es nicht gewohnt zu planen, weil sie Angst davor haben, dass ihnen das enge Korsett und die Festlegung von Planungen ihre Kreativität raubt.

Diese Erkenntnis einer radikal persönlichen Ehrlichkeit sollten sie auch ihren Mitarbeitern zutrauen. Insbesondere diejenigen, die sie bereits gut kennen, werden es verstehen. Vielleicht ergibt sich daraus ein gemeinsamer proaktiver Lernprozess, der sowohl die Kreativität erhällt als auch dem Bedürfnis der Mitarbeiter nach Klarheit entgegen kommt. Auch hier kann die Erkenntnis erhellend sein, dass der bisherige Führungsstil zwar sympathisch war, jedoch auch an manchen Stellen zu Verunsicherungen führte, die nun schlechter durch Nähe aufgefangen werden.

Proaktives Führen für Strategen

Eine Führungskraft schließlich, die gerne spontan und kreativ agiert oder dies zumindest nach außen den Anschein hat und gleichzeitig die emotionale Distanz zu ihren Mitarbeitern bevorzugt, sollte sich radikal ehrlich eingestehen, dass dies gerade über die Distanz zu massiven Verunsicherungen bei den Mitarbeitern führt. Wir sehen dieses Phänomen häufig in politischen Entscheidungen. Politiker jenseits der Gemeindepolitik können logischerweise kaum enge Bindungen zu Bürgern pflegen. Sind Sie dennoch willens und fähig, ihre Entscheidungen den Bürgern langfristig zu vermitteln, agieren sie mediativ. Werden sie jedoch als zu spontan wahrgenommen, verlieren sie das Vertrauen der Bürger. Die Spontaneität und mangelnde Bindung zieht den Willkür-Vorwurf nach sich.

Wollen strategisch agierende Führungskräfte, dass ihre Mitarbeiter ihnen auch über die Distanz folgen, sollten sie sich am ehrlichsten von unseren vier Typen vor den Spiegel stellen. Es mag sein, dass manche Entscheidungen schnell gefällt werden müssen und eine zu frühe Festlegung eine strategische Flexibilität zunichte macht. Es mag auch sein, dass strenge Entscheidungen leichter zu fällen sind, wenn die Bindung zu den Mitarbeitern nicht zu groß ist. Für strategisch handelnde Führungskräfte ist es folglich leichter, agil-flexible Entscheidungen auf Distanz zu treffen.

Mitarbeiter, die weder Vertrauen in ihre Führungskraft haben, noch die Entscheidungen insbesondere aufgrund der Schnelle, nachvollziehen können, werden dies anders sehen. Strategisch orientierte Führungskräfte sollten daher lernen, ihre Entscheidungen sofern möglich langfristiger zu planen und den Werdegang eines Urteils transparent und proaktiv mitzuteilen. Auch wenn manche Mitteilungen noch nicht spruchreif sind, ist es dennoch hilfreich, wenn der Prozess der Entscheidungsfindung offener gehandhabt wird, um Unsicherheiten oder Gerüchte zu vermeiden. Den meisten Mitarbeitern reicht es zu wissen, dass aktuell über ein bestimmtes Thema diskutiert und ab einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft eine Entscheidung gefällt wird.


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Das Thema “Proaktives Führen” beschäftigt Michael Hübler auch in seinen  Büchern.

 

 


Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

Bei metropolitan von Michael Hübler erschienen:

 Provokant – Authentisch – Agil
Die neue Art zu führen
Wie Sie Mitarbeiter humorvoll aus der Reserve locken
ISBN 978-3-96186-004-3

 New Work: Menschlich – Demokratisch – Agil
Wie Sie Teams und Organisationen erfolgreich in eine digitale Zukunft führen
ISBN 978-3-96186-016-6

 Die Bienen-Strategie und andere tierische Prinzipien
Wie schwarmintelligente Teams Komplexität meistern
ISBN 978-3-96186-031-9

bunker Arbeitsplatz dunkel keller Beitrag 2 Die Führungskraft als Krisenmanager

Die Führungskraft als Krisenmanager

Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor  Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich gezwungenermaßen mit der vielfältigen Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt!

In gewohnt kritischer, leicht zynischer, aber auch humorvoller Manier beschäftigt sich  Michael Hübler mit der derzeitigen Situation und reflektiert über Themen, die ihn bewegen. Damit möchte er Mut machen, Ablenkung schaffen, vielleicht auch zum Nachdenken anregen in einer aktuell schwierigen Zeit, der wir uns als Gesellschaft, Familie, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, aber auch als Freunde und Individuum stellen müssen. Daraus entstehen – mit dem ihm so typischen Augenzwinkern – die Hübler Bunker-Chroniken.

Im heutigen Beitrag setzt sich  Michael Hübler mit den Aufgaben der Führungskraft in Krisenzeiten auseinander. Krisenzeiten stellen Führungskräfte vor neue Herausforderungen. Nun gilt es nicht nur, die Mitarbeiter wie gewohnt zu führen, zu coachen, anzuleiten und zu motivieren – die Führungskraft hat die Rolle des Krisenmanagers einzunehmen und das Unternehmen mit all seinen Mitarbeitern sicher durch unsichere Zeiten zu schiffen.

Aufgaben einer Führungskraft in Krisensituationen

Führungskräfte sind in der aktuellen Lage gefragter denn je. Wobei einige sich, neben der Beschäftigung mit eigenen Sorgen und Ängsten, vermutlich weniger vorbereitet sehen als jemals zuvor. Um Führungskräften in diesen schwierigen Zeiten eine Grundorientierung an die Hand zu geben, ist es hilfreich, sich vor Augen zu führen, auf welche Aufgaben sich Führungskräfte in der aktuellen Krise konzentrieren sollten:

Informationsweitergabe

Führungskräfte sorgen dafür, die Informationen aus der oberen Machtetage nach unten weiterzugeben. Häufig sind die Informationen ungenügend, manchmal sind sie unverständlich. Das erfordert ab und an Übersetzungsleistungen oder Erläuterungen der Hintergründe, damit die Mitarbeiter wissen, wie sie die Informationen einzuordnen haben.

Mitarbeiter beruhigen

Manche Mitarbeiter reagieren in Krisen gelassen, andere ängstlich oder sind sogar in Panik. Dies kann mit einer drohenden Kündigung, Kurzarbeit oder auch familiären Fragen zu tun haben, beispielsweise ob das eigene Kind nach der Krise in der Schule noch mitkommt. Führungskräfte müssen Bedenken ernst nehmen und gleichzeitig bei übertriebenen emotionalen Reaktionen entschieden gegensteuern.

Orientierung bieten

Unsichere Mitarbeiter suchen vor allem in Krisen nach einer Orientierung. Das Top-Management ist dazu meist zu weit entfernt. Es kann Sicherheit und Souveränität ausstrahlen, geht jedoch selten mit den Mitarbeitern direkt in die Diskussion. Eine echte emotionale Orientierung sollte daher von den unteren bis mittleren Führungskräften, von Team- und Bereichsleitungen, ausgehen.

Mitarbeiter fördern

Überforderte Mitarbeiter brauchen auch fachliche Hilfe, wie wir das aktuell beim Thema Homeoffice sehen. Andere Mitarbeiter blühen in der Krise geradezu auf. Beiden gilt es, während und nach der Krise gerecht zu werden.

Konflikte schlichten

Krisen führen zu Verwerfungen. Die Aufgeblühten merken, dass in ihnen mehr steckt, als sie sich vielleicht sogar selbst zutrauten. Sie können im Hinblick auf ihr mögliches Nach-Krisen-Gewinnerdasein entspannt und optimistisch in die Zukunft blicken. In Krisen werden meist bürokratische Hürden abgebaut, die von den Gewinnern kreativ genutzt werden. Endlich fühlen sie sich lebendig. Endlich können sie zeigen, was sie drauf haben.

Die Krisenverlierer haben von Tag 1 der Krise an etwas verloren: Ihre Sicherheit, ihre Gewissheit, ihre Routinen. All das, auf was sie sich in den letzten Jahren verlassen konnten ist weg. Einen optimistischen Blick in die Zukunft zu wagen fällt schwer. Und schließlich gibt es loyale Mitarbeiter, die sich in der Krise aufopfern, während andere keine Verantwortung übernehmen, beispielsweise indem sie sich krank melden. Zwischen all diesen grob beschriebenen Lagern entstehen Konflikte, die von einer Führungskraft gut ausbalanciert werden müssen, um sich nicht zu vertiefen. Es kann sogar sein, dass während einer akuten Krise die Konflikte nicht angesprochen werden – schließlich muss die Krise gemeistert werden – jedoch nach der Krise umso heftiger aufbrechen. Verletzungen und empfundene Ungerechtigkeiten werden jedoch nicht so einfach vergessen.

Einen (positiven) Ausblick bieten

Und schließlich sollte eine Führungskraft den negativen Horrorszenarien einen realistisch-positiven Ausblick entgegensetzen. Zu weit kann sie sich freilich nicht aus dem Fenster lehnen. Auch sie fischt oftmals im Trüben – mit oder ohne Corona. Auch sie weiß nicht, wie die Krise wirklich verläuft. Sie kann jedoch immer darauf verweisen, dass Solidarität und Zusammenhalt selbst die schlimmste Krise abschwächen und am Ende besser meistern lassen als, als wenn wir uns bereits jetzt gegenseitig verbal zerfleischen.

Rollen einer Führungskraft in Krisensituationen

Fassen wir diese Aufgaben in Rollen zusammen, kommen wir wiederum auf sechs zentrale Rollen einer Führungskraft in Krisen. Diese Rollenlogik folgt dabei nicht 1 : 1 den Aufgaben. Manche Rollen beinhalten mehr Aufgaben, während andere Rollen extra hinzukommen:

Die Führungskraft als Vorbild

Die Führungskraft als Vorbild ist sozusagen eine Metarolle. Sie lässt sich nicht eindeutig zuordnen und bildet eher die Basis für alle anderen Rollen. Sie sollten sich als Führungskraft jedoch bewusst sein, wie sehr sie ihre Mitarbeiter gerade in einer Krise durch Ihr eigenes Auftreten beeinflussen. Sind Sie eher realistisch-optimistisch oder sehen manche Dinge zu rosarot? Ein zu bläuäugiger Blick in die Zukunft kann Ihre Mitarbeiter auch verstören, wenn sie sich gerade Sorgen über ihren Arbeitsplatz machen. Oder sehen Sie manche Aspekte auch kritisch? Wenn es nicht zu kritisch ist, finden Sie damit vielleicht einen Draht zu Mitarbeitern, die ebenfalls skeptisch eingestellt sind. Oder sind Sie ein Macher-Typ, der seinen Mitarbeitern vormacht, wie sich aus einer Krise Chancen herstellen lassen, während andere zögern?

Die Führungskraft als Autorität

Die Führungskraft als Autorität beruhigt und bietet Orientierung. In Krisen wird der Ruf nach Helden laut. Nach einer Person, die klar sagt, wo es lang geht. Fast könnte man glauben, in Krisen wünschen sich Menschen den König zurück. Eine moderne Autorität weiß zwar, was sie will, regiert jedoch nicht per „law & order”, sondern geht mit ihren Mitarbeitern in Austausch. Sie stellt ihre Position zur Diskussion und ist Autorität genug, sich Gegenmeinungen anzuhören. Gerade in Situationen, in denen wir nicht wissen, wie die Zukunft wirklich aussehen wird, ist es wichtig, sich im Sinne einer Schwarmintelligenz viele Perspektiven anzuhören, bevor Sie als Autorität eine Entscheidung treffen. Damit lässt sich auch verhindern, nach vorschnellen Entscheidungen zurückrudern zu müssen.

Die Führungskraft als Dolmetscher

Die Führungskraft als Dolmetscher muss die Informationen des Top-Managements für die Mitarbeiter so aufbereiten, dass diese den Sinn hinter der Nachricht verstehen und dessen Bedeutung für das operative Geschäft deuten können.

Die Führungskraft als Coach

Sind Mitarbeiter überfordert, braucht es einen Coach, der sie in der Krise an die Hand nimmt. Manche Mitarbeiter sind in Krisen selbst erstaunt, dass sie überemotional reagieren. Umso wichtiger ist es, die Unsicheren wertschätzend und vorwurfsfrei zu begleiten. Dies ist in der aktuellen Krise aufgrund der Homeoffice-Situation besonders schwierig. Hier gilt jedoch die Grundregel: Je unsicherer ein Mitarbeiter ist, desto häufiger sollten sie ihn als Führungskraft kontaktieren. Damit dies für den Mitarbeiter nicht mit Scham verbunden ist, wenn er „es” nicht alleine schafft, ist es hilfreich, regelmäßige Telefonrituale mit einem einfachen Gesprächsmuster zu vereinbaren: Was lief gestern gut? Was lief weniger gut? Was willst du heute ausprobieren? Wie kann ich dir helfen?

Die Führungskraft als Mediator

Kommt es zu Verwerfungen, braucht es einen Mediator, um die Mitarbeiter während, vor allem aber auch nach der Krise, wenn die Menschen Zeit zum Nachdenken haben, wieder zusammenzuführen. Verwerfungen können entstehen, wenn manche Mitarbeiter die Krise leichter nehmen als andere, oder wenn manche Mitarbeiter Verantwortung übernehmen, während andere sich beispielsweise in systemrelevanten Berufen vor lauter Angst krank schreiben lassen. Auch die psysikalische Distanz durch die Homeoffice-Situation führt ab und an zu einer emotionalen und kommunikativen Distanz, in der Konflikte gedeihen wie im Gewächshaus. Während der Krise gilt es, alle Anstrengungen zu unternehmen, um gerade so über den Berg zu kommen. Ist die Krise überwunden, löst sich der Ärger jedoch nicht in Luft auf.

Die Führungskraft als Talentscout

Manche Mitarbeiter wachsen während einer Krise über sich hinaus, weil es plötzlich nicht nur erlaubt, sondern gefordert wird, kreative Lösungen jenseits bürokratischer Bestimmungen zu finden. In der Krise sollten Führungskräfte zum visionären Talentscout werden, der vielleicht sogar von der ein oder anderen Fähigkeit eines Mitarbeiters überrascht ist und die Potentiale dieser Mitarbeiter gezielt fördert. Krisen gleichen in diesem Sinne einem kostenlosen Assessment-Center. Nach der Krise gilt es, die eroberten Freiräume gut in das Nachkrisenleben einzubauen und damit den Kriegsgewinnern den entsprechenden Respekt für ihren Einsatz zu zollen. Ein Zurück auf Anfang kann und sollte es nicht geben.


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Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

Zum Schutz vor Lagerkoller empfohlen:

 Provokant – Authentisch – Agil
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Wie Sie Mitarbeiter humorvoll aus der Reserve locken
ISBN 978-3-96186-004-3

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Wie Sie Teams und Organisationen erfolgreich in eine digitale Zukunft führen
ISBN 978-3-96186-016-6

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Die Hübler Bunker-Chroniken

Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor  Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich gezwungenermaßen mit der vielfältigen Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt!

In gewohnt kritischer, leicht zynischer, aber auch humorvoller Manier beschäftigt sich  Michael Hübler mit der derzeitigen Situation und reflektiert über Themen, die ihn bewegen. Damit möchte er Mut machen, Ablenkung schaffen, vielleicht auch zum Nachdenken anregen in einer aktuell schwierigen Zeit, der wir uns als Gesellschaft, Familie, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, aber auch als Freunde und Individuum stellen müssen. Daraus entstehen – mit dem ihm so typischen Augenzwinkern – die Hübler Bunker-Chroniken.

Morgen geht es los mit dem ersten Beitrag zum Thema “Resilienz in Krisenzeiten”. Worum es geht, erzählt euch  Michael Hübler  selbst.

 

Asymbolfoto Agilität: Eine Comic-Rakete in einer Glühbirne

Nur Mut zu Agilität!

Kein Tag vergeht, an dem wir nicht über den Begriff Agilität stolpern. Von allen Seiten werden wir zu mehr Flexibilität und Agilität aufgerufen, um gut auf das scheinbar drohende Unheil, die fortschreitende, nicht aufzuhaltende Digitalisierung vorbereitet zu sein. Doch was steckt hinter dieser Forderung? Sind die Zweifel und Ängste vor der digitalisierten Welt wirklich begründet?

Herr Hübler, in Ihrem neuen Buch beschäftigen Sie sich mit Agilität in Zeiten der Digitalisierung. Ganz in Ihrem Sinne könnte man nun provokant fragen: Agilität ist in aller Munde – gibt es dazu tatsächlich noch etwas Neues zu sagen?

Sonst hätte ich wahrscheinlich kaum ein Buch dazu geschrieben. Obwohl: Um, auf der Agilitätswelle mit zu reiten …? Ernsthaft: Es gibt dort draußen natürlich schon einige Bücher zum Thema Agilität und Digitalisierung. Teils sind gute Ansätze dabei, teils allerdings sind es lediglich Sammlungen bereits bekannter Methoden, was mit Agilität nur am Rande zu tun hat, das Verständnis dafür jedoch nicht im Kern trifft.

Dazu kommen eine Menge Bücher, die das Thema beinahe nur aus der IT-Ecke betrachten, Stichwort Scrum. Bereits das Vokabular ist für viele Nicht-ITler wenig verständlich. Das verstärkt den Eindruck, das Thema würde sich auf die IT-Abteilung beschränken. Zum anderen fehlt meines Erachtens die Verbindung zum Thema Menschlichkeit. Ein Thema, das in keiner aktuellen Podiumsdiskussion zu den Folgen der Digitalisierung fehlen darf, jedoch in Buchform, noch dazu in Verbindung zum Thema Agilität, noch zu selten aufgarbeitet wurde. Genau an diesem Spannungsfeld einer menschlichen Agilität und Digitalisierung scheitern jedoch aus meiner Beratungserfahrung die meisten agilen Ansätze. Konkret: Erst wenn die Bedenken der Mitarbeiter, zum Beispiel in Bezug zu möglichen Kündigungen, ernst genommen werden, nimmt die Agilität auch in etwas trägeren Organisationen Fahrt auf.


In Ihrem Ansatz verknüpfen Sie Agilität mit Demokratie und Ethik. Warum gerade damit?

Agil zu führen bzw. agile Denkweisen in Organisationen einzuführen ist kein Selbstläufer. Wollen Führungskräfte, dass ihre Teams agiler werden, zum Beispiel schneller auf aktuelle Probleme oder Kundenbedürfnisse reagieren, bedeutet das für Führungskräfte, die Entscheidungsmacht für operative Themen direkt den Teams vor Ort zu überlassen. Einzelne Mitarbeiter und Teams müssen damit mehr Verantwortung übernehmen und selbstständiger werden. Ohne ein Verständnis für demokratische Entscheidungsstrukturen im Team geht das nicht. Während in Hierarchien Klarheit darüber herrscht, wer am Ende seinen Kopf hinhalten muss, können sich Mitarbeiter dann nicht mehr hinter einem Spruch wie “Das ist nicht meine Gehaltsklasse” verstecken. Als kooperative Basis braucht es folglich ein gemeinsames ethisches Verständnis darüber, was geht und was nicht, um im operativen Geschäft agil zu handeln. Eine New Work-Ethik ist damit kein nettes Zuckerl für die Mitarbeiter/innen. Sie ist vielmehr ein Muss, um Agilität und digitalisierte Prozesse langfristig in Organisationen zu etablieren.


Ihr Credo lautet: Agilität und Digitalisierung geht uns alle an! Aber wie sollen gerade Führungskräfte die verschiedenen Generationen von Mitarbeitern innerhalb eines Unternehmens unter einen Hut kriegen? Haben ältere Mitarbeiter denn überhaupt eine Chance gegenüber den Digital Natives?

Das ist genau der Punkt. Diese erfahrenen Mitarbeiter sind immens wichtig, um agile Ansätze in einem größeren, reiferen Kontext zu sehen. Immerhin haben sie schon so manchen Hype kommen und gehen sehen. Werden sie weniger als Bremser, sondern mehr als wertvolle Berater gewertschätzt und integriert, fallen auch die Widerstände weg.


Viele Menschen begegnen Agilität und auch der Digitalisierung mit Sorge oder sogar Angst. Warum ist das so? Ist diese Skepsis Ihrer Meinung nach begründet?

Die Skepsis ist definitiv begründet und sollte ernst genommen werden. In meinem Buch werbe ich dafür, der “juvenilen, lebendigen” Agilität etwas Reiferes, Erwachsenes, Bedachtes gegenüberzustellen. Gerade hier können ältere, besorgte Mitarbeiter genau die Menschlichkeit in die Konzepte einbringen, die Organisationen vor einem agilen Kollaps bewahren, in dem ohne Sinn und Verstand nur noch reagiert wird. Zumindest wenn wir eine Vision wie aus Dave Eggers Roman Circle nicht als Non-Plus-Ultra betrachten. Auch die Agilität oder Digitalisierungsmaßnahmen sollten Grenzen haben, um deren Vorzüge optimal zu nutzen.


Welchen Rat würden Sie daher Führungskräften, aber auch allen Mitarbeitern, die sich mit New Work so schwer tun, auf den Weg geben?

Ein Buch wie meines ist sicherlich nur ein Anfang. Ich lege darin zumindest mögliche Rahmenbedingungen, Fallstricke sowie die wichtigsten Ideen und Tools zur Einführung agiler Strukturen dar. Mein Buch liefert die Philosophie einer menschlich-agil-demokratischen Führung in einer digitalisierten Welt. Letztlich müssen jedoch Organisationen, Führungskräfte und Mitarbeiter ihre eigenen Wege finden. Nur weil Agilität cool klingt und es jeder machen will, heißt das noch lange nicht, dass es auch cool ist … oder dass Kunden es wollen. Wir vergessen häufig, dass die Meinungsbildung sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft oftmals von einer kleinen, aber lautstarken Gruppe ausgeht. Während es andere Kunden ärgert, wenn die Regale schon wieder umgestellt wurden, nur weil sich die Kundeninteressen anscheinend schon wieder verändert haben.

Beim Thema Digitalisierung gilt das Gleiche: Nicht alles, was digitalisiert möglich ist, muss auch digitalisiert ablaufen. Das Beispiel Scannerkassen zeigt deutlich mögliche Grenzen auf: Wenn Kunden haptisch einkaufen gehen, wollen die meisten nach wie vor den Kontakt zu echten Menschen. Ansonsten könnten sie die Waren auch bestellen und sich schicken lassen. Die Chance einer neuen Art von Arbeit liegt ja nicht darin, möglichst viele Prozesse zu digitalisieren und damit Arbeitskräfte einzusparen sowie mittels eines Reiz-Reaktionsimpulses auf sich wandelnde Kundeninteressen einzugehen. Stattdessen könnten frei gewordene Potenziale kreativ genutzt werden, zum Beispiel durch demokratisch-agilere Servicetätigkeiten, um für einige Mitarbeiter die Lebendigkeit zurück in automatisierte Arbeitsprozesse zu bringen.

Mein Rat lautet also: Finden Sie Ihren eigenen Weg und überlegen sich genau: Was wollen wir wirklich? Wie viel Digitalisierung brauchen wir? Und was fangen wir mit den Freiräumen an? Welche agilen Prozesse bringen uns weiter und machen unsere Arbeit lebendiger? Und wie viel Menschlichkeit als grundlegende Ethik unserer Arbeit wollen wir uns bewahren?


Cover Titel New Work New Work: Menschlich – Demokratisch – Agil
Wie Sie Teams und Organisationen erfolgreich in eine digitale Zukunft führen
ISBN 978-3-96186-016-6

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Menschen helfen sich auf einen Berg - das Wir-Gefühl

Nur das WIR gewinnt

Die deutsche Fußballnationalmannschaft hat zum Leidwesen der gesamten Republik eindrucksvoll gezeigt, wie es NICHT geht – und ist zum ersten Mal in der Geschichte des deutschen Fußballs in der Vorrunde einer Weltmeisterschaft ausgeschieden – ausgerechnet als amtierender Weltmeister. Doch woran lag das?

Das WIR-Gefühl zählt

Eigentlich ganz einfach: Es stand nicht wie vor vier Jahren in Brasilien eine Mannschaft, ein Team auf dem Rasen, kein WIR, sondern nur eine Gruppe von ICHs, die keine Ideen hatten, keinen Plan, kurz: die es nicht geschafft haben, kokreativ und kooperativ als Einheit aufzutreten. Was nun aber alle Spieler gemeinsam haben, ist, dass sie zusammen heimfahren konnten.

Doch nicht nur im Fußball zählt Mannschaftsgeist, auch in Unternehmen kommt es auf die Einheit an. Kreatives Miteinander statt kräfteraubendes Gegeneinander — das ist das Credo der erfolgreichen Management-Trainerin Ulrike Stahl. Sie hat es sich als Ziel gesetzt, ein neues WIR-Gefühl in die Wirtschaft zu bringen und allen Beteiligten die Augen dafür zu öffnen, wie aus vielen starken ICHs, ein noch stärkeres WIR entstehen kann. So geht WIRtschaft! ist deshalb alles andere als ein trockenes Wirtschaftsbuch, es ist eine inspirierende Anleitung zu einem neuen WIR-Gefühl!

In diesem Sinne – ein Hoch auf das WIR!


Cover Titel So geht WIRtschaft! So geht WIRtschaft!
Kooperativ. Kollaborativ. Kokreativ
ISBN 978-3-96186-001-2

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