bunker Arbeitsplatz dunkel Beitrag 20 Irritation und Missverständnisse in der digitalen Zusammenarbeit I

Irritation und Missverständnisse in der digitalen Zusammenarbeit I

In diesem (und dem  folgenden) Beitrag seiner  Bunker-Chroniken macht sich  Michael Hübler Gedanken über Irritation bzw. Missverständnisse in der digitalen Zusammenarbeit und wie Unternehmen damit umgehen. Im ersten Teil geht es um Sinn und Zweck von Irritationen in Unternehmen.

Sinn und Zweck von Irritation in Unternehmen

1) Irritationen im Unternehmen: Prozesse, Vorgehensweisen und Kommunikation

Störungen des formalen Ablaufs in einem Unternehmen wirken irritierend. Während das formelle Handeln planbar und damit von oben abgesegnet ist, basieren informelle (und damit die offizelle Order irritierende Handlungen) auf unklaren Zielen und Prozessabläufen, informellen Netzwerken oder einem hierarchieübergreifenden Informationsaustausch. Dies gilt für jede Handlung in einem Unternehmen. Ein Prozess inklusive seinen Schnittstellen ist meist genau definiert. Geht ein Mitarbeiter einen anderen Weg oder übergeht eine Schnittstelle, führt dies zu einer Irritation. Ein Feedback-Gespräch zwischen Chef und Mitarbeiter folgt einem bestimmten Muster. Gibt der Mitarbeiter ungefragt seinem Chef Feedback über dessen Leistung, wird das Muster durchbrochen. Auch Meetings sind oft nach einem klaren Ablauf definiert. Wird in diesem Rahmen ein Konflikt angesprochen, kann auch hier das Muster empfindlich gestört werden.

Irritationen können ganz unterschiedlicher Natur sein

Ein Mitarbeiter könnte einen noch unausgereiften Prozessablauf anders vornehmen wollen als seine Chefin. Dies passiert häufig in Veränderungsprozessen, in denen alle Mitarbeiter noch auf der Suche sind. Nun könnte es dennoch eine Anweisung für eine bestimmte Vorgehensweise geben. Gegen diese zu verstoßen ist jedoch meist sinnvoll, um möglichst viele neue Wege auszuprobieren und damit die beste herauszufinden. Eine Irritation für die Führung kann es dennoch sein, wenn dieser Suchprozess nicht offiziell abgesegnet wurde und die Führungskraft nun ihre Autorität in Gefahr sieht.

Andere Irritationen entstehen durch das Infragestellen alter Prozesse und Vorgehensweisen. In einem Seminar erzählte mir neulich eine Führungskraft von einer jungen Mitarbeiterin, die trotz der Anweisung, keine Markierungen in Blau oder Grün vorzunehmen, da der Kopierer diese Farben nicht ablichten kann, eben diese Farben ausprobieren wollte. Anschließend kam sie zu ihrer Chefin und meinte: Es geht doch. Die beiden einigten sich darauf, dass es geht, jedoch nicht optimal zu sehen ist und sie deshalb ab jetzt Orange statt Gelb benutzen. Diese vermeintlich harmlose Episode zeigt uns, wie verrückt und eigentlich unsinnig Irritationen sein können. Symbolisch betrachtet könnte jedoch auch mehr hinter dieser Störung liegen. Die formale Vorgehensweise wird angezweifelt – mit der Erkenntnis, dass “altehrwürdige” Anweisungen tatsächlich falsch sein können. Die Mitarbeiterin wird daraufhin ermuntert, auch andere Anweisungen zu hinterfragen. Manche davon werden bleiben, bei anderen lohnt sich eine Anpassung nicht und wieder andere werden bestenfalls optimiert.

Eine Mitarbeiterin tut sich vor Ort relativ leicht, etwas Neues auszuprobieren und dies mit ihrer Chefin zu klären. Sie schickt vermutlich einen sprachlichen Testballon voraus nach dem Motto „Wie wäre es mit anderen Farben?“. Ihre Führungskraft sagt verbal „Nein“, vielleicht jedoch körpersprachlich „Na ja“. Daraufhin probiert die Mitarbeiterin etwas Neues aus und die beiden finden zu einer Einigung. Die irritierende Abweichung führte zu einer neuen Lösung, mit der beide leben können.

Wie verhält es sich bei Führung auf Distanz?

Nun stellt sich die Frage, wie ähnlich simple Beispiele im Falle einer Führung auf Distanz ausgehen. In der Distanz bekommt das spontane, vermeintlich abweichende Arbeiten Aufwind, der spontane Austausch jedoch nicht. In der Ferne gibt es daher meist zwei extremere Versionen: Die Mitarbeiterin muss sich entscheiden, ob sie es ohne Testballon ausprobiert oder nicht. Je nachdem, wie gut sie sich in ihre Chefin hineinversetzen kann, wird sie das Risiko eingehen, sich anschließend mit ihrer Führungskraft zu kabbeln oder eben nicht? Die Alternative, auch bei kleinen Themen zum Telefon zu greifen, ist in der Regel nicht praktikabel. Während das Prinzip eines jeden kommunikativen Austauschs stetige Anpassungen aneinander sind, lautet die Devise zu Entscheidungen im Homeoffice: ganz oder gar nicht. Und im Anschluss müssen wir mit dem Scherbenhaufen leben.

Bei diesem Beispiel handelt es sich um eine Bagatelle. Was jedoch passiert, wenn Mitarbeiter grundsätzlich andere informelle Wege nutzen anstatt den offiziellen? Was passiert, wenn sich zwei Mitarbeiter auf unterschiedlichen Hierarchieebenen privat gut kennen und sich daher auch im Beruflichen gegenseitig Informationen zuspielen? Wird sich die Teamleitung übergangen fühlen? Was passiert, wenn zwei Kollegen Vorgehensweisen untereinander klären, ohne den Chef zu fragen und ihm später Ergebnisse präsentieren, mit denen er zwar zufrieden sein, deren Zustandekommen er jedoch nicht nachvollziehen kann? Und was passiert, wenn Arbeitsschritte übersprungen werden und das Ergebnis dennoch passt?

Was in einer Vor-Ort-Zusammenarbeit meist schnell geklärt werden kann, wird über die Ferne oftmals verschleppt. Manche Mitarbeiter präsentieren nur die Ergebnisse, ohne den Weg dazu, sei es aus Angst oder Egoismus. In einer ergebnisorientierten Führung ist daran erst einmal nichts auszusetzen. Was das Unternehmen nicht weiß, kann jedoch nicht aufgearbeitet werden. So geht die Erkenntnis über praktikable neue Vorgehensweisen verloren. Und der Mitarbeiter erfährt nicht, warum manche seiner Versuche in eine Sackgasse führten.

Kommunikation spielt eine wichtige Rolle

Neben Vorgehensweisen und Abläufen, die irritierend anders gemacht werden, spielt, wie bereits angeklungen, das Thema Kommunikation eine enorm wichtige Rolle. Das Beispiel mit den Farben zeigte bereits die Wirkungsweise kommunikativer Testballons von Seiten der Mitarbeiter und verdeutlichte, wie wichtig es ist, vermeintliche Störungen formeller Abläufe prozesshaft zu verarbeiten.

Dies funktioniert natürlich auch in die Gegenrichtung. Ein Mitarbeiter, der aufgrund einer eigenen Aussage in einem Meeting das Zucken einer Augenbraue des Chefs sieht, hat mindestens vier Möglichkeiten. Er kann:

  • …das Zucken ignorieren.
  • …das Zucken direkt ansprechen: Ich glaube, Sie sind mit dem, was ich gerade sagte, nicht ganz zufrieden.
  • …den Chef später unter vier Augen ansprechen.
  • …später einen Kollegen fragen, was er von seiner Idee hält und ob er bemerkt hat, dass der Chef nicht ganz zufrieden ist.

Im Homeoffice sieht die Sache logischerweise anders aus. Zum einen kann es sein, dass der Mitarbeiter die Irritation seines Chefs erst gar nicht bemerkt. Er ist meist auf Anzeichen von Irritationen in der Stimme seiner Führungskraft oder anderer Kollegen angewiesen. Wer jedoch nichts bemerkt, weil er zu sehr von seinem eigenen Schreibtisch gefangen genommen wird, kann auch nicht reagieren.

Zum anderen stellt sich die beinahe noch schwierigere Frage der Reaktion über die Ferne. Sollte der Mitarbeiter tatsächlich bemerken, dass sein Chef eine Augenbraue nach oben zieht, wie soll er reagieren? Das Bild ruckelt meist ein wenig. Die Aufnahme ist selten perfekt. Manche Übertragungsraten führen zu einer zeitlichen Verzögerung. (Habe ich das wirklich beobachtet? Und wenn ja: Soll ich einen Staatsakt daraus machen? Und was, wenn ich falsch liege? Dann stehe ich als Sensibelchen da. Soll ich stattdessen um ein Einzelgespräch bitten? Oder ist das nicht ein wenig übertrieben?) Das Gehirn macht sich diese und ähnliche Gedanken über die Irritation. Und bis es zu einem Schluss kommt, ist die Situation schon lange vorbei und die anderen Kollegen sind bereits beim nächsten Thema angelangt.

2) Der Sinn hinter Irritation im Unternehmen

Die Digitalisierung ist ein Segen für Menschen, die gerne die Kontrolle behalten wollen. Während im privaten Bereich Menschen ihre Krankheiten mit digitalen Hilfsmitteln bis in das kleinste Jota vermessen und dokumentieren, bietet die virtuelle Zusammenarbeit die Möglichkeit einer perfekten zeitlichen Planung. Ein virtuelles Meeting, das um 9.00 Uhr startet und um 10.00 Uhr endet, geht eben nicht, wie so oft im analogen Pendant bis um 10.10 Uhr oder darüber hinaus, sondern endet mit einer zeitlichen Punktlandung. Das führt zu einer immensen Erhöhung der Effizienz aller.

Auf der anderen Seite fehlt jedoch der Freiraum für dumme Ideen, der Small-Talk, es fehlen die Pausen und der Leerlauf, in dem häufig ungeahnt spannende Gespräche stattfinden. In dieser lockeren Atmosphäre lassen sich heikle Themen ansprechen, die ansonsten eine Menge Konfliktpotential mit sich bringen. Es sind ja oft die kleinen Klärungen am Rande des „wie hat er es gemeint?“, die garantieren, dass Zusammenarbeit reibungsfrei funktioniert. Diese ungeahnten Gespräche lassen sich logischerweise schlecht planen. Sie können nicht effizient abgearbeitet werden. Das Paradoxon der geplanten Spontaneität spricht dagegen. Was also tun?

Systeme müssen irritiert werden, damit sie sich weiterentwickeln

Die Geschichte der Forschung und der Innovationen ist eine Geschichte voller Regelbrecher. Isaac Asimov prägte dazu den Sollte-Lieblingsspruch für Wissenschaftler „Das ist ja seltsam“. Würden wir immer nach Schema F vorgehen, würde sich niemals etwas ändern. Musterbrecher irritieren das System mit Überraschungen.

Diese Vorgehensweise finden wir letztlich auch in der Evolution wieder. Wer kommt schon auf die dumme Idee, einem Pferd Streifen aufzumalen und es Zebra zu nennen? Oder ein Tier zu erfinden, das den ganzen Tag Faul im Baum hängt – so unbeweglich, dass Schmetterlinge in seinem Fell nisten. Dass beide Tierarten einen evolutionsbiologischen Vorteil ausnutzen, zeigte sich auch hier erst nach dem Regelbruch. Während viele Tiere eher unauffällig sind, um keine Fressfeinde anzuziehen, wirkt das Zebra verwirrend für Tsetsefliegen. Und während sich viele Tiere einen Wettkampf der Schnelligkeit liefern, ist das Faultier so langsam, dass es von Fressfeinden nicht einmal wahrgenommen wird. Ameisen ärgern Bäume mit ihrem Befall, halten damit jedoch Blätter fressende Elefanten fern, die offensichtlich wesentlich schädlicher für die Bäume wären. Die Liste ließe sich beinahe endlos fortführen.

Derartige Symbiosen bestehen immer aus gegenseitigen Ergänzungen, verbunden mit einer Irritation des großen Partners. Übertragen auf uns Menschen sollten wir die Funktion der Querulanten und Skeptiker in unseren Teams noch einmal überdenken. Ist jemand, der einen anderen Plan hat, automatisch ein Störfaktor? Oder könnte er dem System auch positiv irritierende Impulse geben?

Die Welt hat sich nie durch diejenigen weiterentwickelt, die sich immer regelkonform verhielten, sondern durch die Menschen, die aneckten. Das soll nicht heißen, dass die coolen Regelbrecher immer die Guten und die Mustergültigen immer die Bösen sind. Beide Gruppen können positive und negative Aspekte beinhalten. Wichtig ist, mit welcher Intention die beiden agieren. Für das System oder für das eigene Ego? Ein Mustergültiger stabilisiert das System oder blockiert Veränderungen. Der Regelbrecher ist zu egoistisch, um sich an Regeln zu halten oder möchte das System innovativ weiterentwickeln. Wir brauchen folglich ein positives, auf einer gegenseitigen Wertschätzung beruhendes Zusammenspiel zwischen Mustergültigen und Regelbrechern.

Weiter geht es mit Teil II

Im  zweiten Teil zum Thema „Irritation und Missverständnisse in der digitalen Zusammenarbeit“ geht es um den sinnvollen Umgang mit diesen Faktoren über die Ferne.


bunker Arbeitsplatz dunkel keller

Noch mehr Beiträge aus den Bunker-Chroniken findet ihr
 hier.
Mehr zum Thema gibt es im  zweiten Teil.

 

 


Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

Bei metropolitan von Michael Hübler erschienen:

 Provokant – Authentisch – Agil
Die neue Art zu führen
Wie Sie Mitarbeiter humorvoll aus der Reserve locken
ISBN 978-3-96186-004-3

 New Work: Menschlich – Demokratisch – Agil
Wie Sie Teams und Organisationen erfolgreich in eine digitale Zukunft führen
ISBN 978-3-96186-016-6

 Die Bienen-Strategie und andere tierische Prinzipien
Wie schwarmintelligente Teams Komplexität meistern
ISBN 978-3-96186-031-9

Bunte Menschen halten sich in den Armen Mit Charisma Menschen bewegen

Mit Charisma Menschen bewegen

In unserer zunehmend digitaler werdenden Welt ist es scheinbar problemlos möglich, schnell und unmittelbar mit anderen in Kontakt zu treten. Doch gerade in der aktuellen Zeit, in der Führungskräfte zunehmend verteilte Teams zu managen haben, reicht Kommunikation auf Knopfdruck nicht mehr aus. Stattdessen brauchen Führungskräfte eine besondere Stärke: eine Ausstrahlung, die auf andere inspirierend, orientierend und anziehend wirkt, sprich: Charisma.

 Christiane Deters beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Phänomen Charisma. Um diesem auf die Spur zu kommen, hat sie in ihrem soeben erschienenen Buch  It´s all about CHARISMA das Leben und Wirken sechs bekannter Persönlichkeiten anhand ihres eigens entwickelten Charisma-Code 5 ¾ durchleuchtet. In unserem heutigen Interview versuchen wir, einige Geheimnisse um das Charisma zu entschlüsseln.

Liebe  Frau Deters, danke, dass Sie sich Zeit für unsere Fragen genommen haben. Wie kommt eine Juristin dazu, sich mit Charisma zu beschäftigen und einen ganz neuen beruflichen Werdegang einzuschlagen?

Auch wenn wir alle durch unser Expertenwissen punkten, sind es doch gerade die Persönlichkeit und Ausstrahlung, durch die wir Menschen erreichen und bewegen. Dies wurde mir im Rahmen meiner juristischen Tätigkeiten zunehmend klarer. Und vielleicht ist es gerade die faktenorientierte Juristerei, die den hohen Stellenwert von Charisma zutage treten lässt.  Auf jeden Fall fing ich an, mich für diese Phänomen zu interessieren. Irgendwann war es dann soweit, und die Zeit war reif für eine berufliche Veränderung zur Dozentin, Trainerin und Coach. Und so ist es heute mein Auftrag, Menschen dabei zu unterstützen, ihr Charisma zu entdecken, es zu entfalten und zu kultivieren.


In Ihrem  Buch haben Sie die unterschiedlichsten Persönlichkeiten ausgewählt, von der Modeschöpferin, über Politiker bis hin zu zur Obersten Richterin. Warum haben Sie gerade diese Personen ausgewählt?

Nun, zunächst haben alle ausgewählten Persönlichkeiten eine großartige Ausstrahlung und viel Charisma. Weiterhin handelt es sich unisono um Menschen, die an sich geglaubt und unsere Welt durch ihr Denken und Handeln positiv verändert haben. Mit Mut, Entschlossenheit und der jeweils notwendigen Haltung haben sie sich gegen Widerstände zur Wehr gesetzt und Regeln gebrochen, um ihre jeweiligen Visionen mit Begeisterung umzusetzen. Alle standen mit tiefer Überzeugung für ein Thema ein oder tun das auch heute noch.

Da ist zunächst Coco Chanel. Eine starke und mutige Frau, die im letzten Jahrhundert die Modewelt auf den Kopf gestellt hat. Ihr Motto Emanzipation durch Mode hinterlässt selbst noch im 21. Jahrhundert gesellschaftliche Spuren.

Martin Luther King ist der Inbegriff für gewaltlosen Widerstand und für Menschlichkeit. Er wirkte durch Inspiration, tat den Menschen gut und hatte den Status eines moralischen Anführers, der Tausende Menschen durch eine gemeinsame Vision vereinte.

Willy Brandt als erster sozialdemokratischer Bundeskanzler stand für Versöhnung, für Freiheit, für Gerechtigkeit und für Frieden. Willy Brandt und Menschlichkeit in der Führung sind untrennbar miteinander verbunden.

Barack Obama verkörperte Logos, Pathos und Ethos so einzigartig, dass er damit die Menschen mit seinen Ideen ansteckte und für eine gemeinsame Vision vereinte: „Yes, we can!“

Dank Elisabeth Selbert, Politikerin und Juristin, hat es der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ ins Grundgesetz geschafft.

Und die erst kürzlich verstorbene Oberste Richterin Ruth Bader Ginsburg steht für Wahrheit und den beharrlichen Kampf gegen jegliche Form der Diskriminierung.


Haben Sie denn selbst ein Vorbild? Eine Person, die Sie besonders inspiriert hat?

Dazu fallen mir zunächst die Worte von Erich Kästner ein: „Man muss mehrere Vorbilder haben, um nicht eine Parodie eines einzelnen zu werden.“ Vor allem inspirieren mich gerade in der Unternehmenswelt Menschen, die Menschlichkeit in der Führung vorleben und den Fokus auf die Mitarbeiter/innen richten, statt den Menschen als Mittel zu betrachten. Menschlichkeit und Werte wie Wahrheit, Respekt und Empathie zählen. Gerade unter dem Aspekt, dass – wie wir alle wissen – Mitarbeiter/innen keine Unternehmen verlassen, sondern ihre Vorgesetzten, hat menschliche und damit auch auf Empathie basierte Führung einen hohen Stellenwert für die Mitarbeiterzufriedenheit. Und augenscheinlich lassen diese Schlüsselfaktoren auch Wahlen gewinnen. „The people have chosen empathy.“, war auf den großen Videoscreens zu lesen, als Joe Biden „President Elect“ und die designierte Vizepräsidenten Kamala Harris ihre Siegesreden präsentierten


In erster Linie verbindet man Charisma mit positiven Eigenschaften. Doch gerade wenn man an Personen denkt, wie Donald Trump, dem man vieles absprechen kann, aber sicherlich nicht, dass er auf andere charismatisch wirkt … Würden Sie sagen, es gibt auch negatives Charisma?

Charisma an sich ist nicht positiv oder negativ. Vielmehr kommt es darauf an, wer und wie es zum Klingen gebracht wird. Es kann aber durchaus dunkel im Sinne von unheilbringend und negativ erklingen. Ist das der Fall, steht Charisma für Manipulation, Verführung, Intoleranz, schürt Ängste, arbeitet mit Feindbildern, lässt Abhängigkeiten entstehen und tritt egoistisch sowie narzisstisch auf. Ausschließlich das eigene Interesse und der eigene Nutzen stehen dabei im Vordergrund. In diesem Fall wirkt es letztendlich negativ, ja geradezu destruktiv auf Menschen in Organisationen und ganzen Systemen.

Also: Charisma ist dann in guten Händen, wenn es mit Herz und Verstand, verantwortungsbewusst, das heißt auch zum Wohle seines Gegenübers, der Organisation, des ganzen Systems eingesetzt wird.


Sie sagen, Charismatiker fallen nicht vom Himmel, sondern werden gemacht. Kurz gesagt, Charisma kann man lernen. Charisma hat doch aber auch viel mit Selbstbewusstsein zu tun, sich anderen öffnen und begegnen. Doch nicht jedem fällt das leicht. Was würden Sie diesen Menschen raten?

Da haben Sie völlig recht. Selbstbewusste Menschen haben es sicherlich ein wenig einfacher, ihr Charisma klingen zu lassen. Aber grundsätzlich können wir alle unser Charisma ausbauen und stärken. Genau darum geht es in meinem  Buch. Dort begegnen wir den eben erwähnten sechs charismatischen Persönlichkeiten sowie ihren Biografien, ihrem Streben, Handeln und Denken.

Dabei fungiert jede/r Protagonist/in als Role Model für den Charisma-Code 5 3/4, der für Führungskräfte zugleich die Marschroute und den Schlüssel für die Entdeckungsreise zum eigenen charismatischen Potenzial bildet. Mit Übungen zur Selbstreflexion, Strategieempfehlungen, Extrameilen sowie leicht umsetzbaren Tipps darf der Leser bzw. die Leserin ebenfalls rechnen.


its-all-about-charisama-hardcover It`s all about CHARISMA

Menschen bewegen wie Coco Chanel, Barack Obama & Co.
Der Charisma-Code 5 ¾ für Führungskräfte
ISBN 978-3-96186-042-5

 Zum Buch

Mehr über die Autorin auch auf Ihrer Website  christiane-deters.com

 

 

Video zur Buchvorstellung

 Hier geht´s zur Buchvorstellung von Christiane Deters in Kooperation mit dem Literaturhaus Herne Ruhr.

bunker Arbeitsplatz dunkel Beitrag 19 Methoden einer radikalen Bewussheit

Methoden einer radikalen Bewusstheit

Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor  Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich mit der Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt!

In gewohnt kritischer, leicht zynischer, aber auch humorvoller Manier reflektiert  Michael Hübler die derzeitige Situation und damit Themen, die ihn bewegen. Er möchte Mut machen, Ablenkung schaffen, vielleicht auch zum Nachdenken anregen in einer aktuell schwierigen Zeit. Eine Zeit, der wir uns als Gesellschaft, Familie, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, aber auch als Freunde und Individuum stellen müssen. Daraus entstehen – mit dem ihm so typischen Augenzwinkern – die Hübler Bunker-Chroniken.

Im heutigen Beitrag geht es um die Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Oftmals sind es nur kleine Nuancen, die den Unterschied machen. Doch welche Methoden (einer radikalen Bewusstheit) funktionieren und sind wirklich anzuraten?

Die Gewaltfreie Kommunikation als Basis einer radikal-ehrlichen Haltung

Die Prinzipien der gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg sind per se sehr radikal im Ansatz. Die GFK, wie sie in der Kurzform lautet, geht davon aus, zuerst an sich selbst zu arbeiten und erst dann auf andere zuzugehen. Ähnliches gilt für Ich-Botschaften, die in der Vergangenheit oftmals als Methode und weniger als Haltung eingesetzt wurden. Damit verfehlen sie jedoch ihren Sinn. Schließlich kann ich die Ich-Botschaft “Mir ist es wichtig, dass Sie diese Aufgabe bis morgen erledigen, weil ich ansonsten Ärger mit unserem Kunden bekomme” auf unterschiedliche Weise äußern.

Beispielsweise streng: “Mir ist es wichtig, dass Sie diese Aufgabe bis morgen erledigen, weil ich ansonsten Ärger mit unserem Kunden bekomme”, oder aggressiv: “Mir ist es wichtig, dass Sie diese Aufgabe bis morgen erledigen, weil ich ansonsten Ärger mit unserem Kunden bekomme.” Eine anschließende Frage kann ebenso unterschiedlich ausfallen, entweder giftig oder fürsorglich: “Oder schaffen Sie das nicht?” Im zweiten Fall bietet es sich an weiterzufragen: “Wenn ja, wie kann ich Sie unterstützen?”

Auf der Basis einer Balance zwischen Erwartungsaussagen und -fragen bietet die GFK einige spannende Prinzipien: Wenn du dir dein Leben erschweren willst, denk darüber nach, warum dein Team so schwierig ist. Wenn du dir dein Leben noch schwerer machen willst, sag deinem Team, was es falsch macht, denk darüber nach, was du selber falsch machst und was andere über deine Fehler denken.

Die eigenen Fehler zu erkennen und darüber zu reflektieren, was ich besser machen kann ist die eine Sache. Sich dafür Vorwürfe zu machen, ist eine ganz andere Baustelle.

Den Mitarbeitern geht es ähnlich. Auch sie wollen nicht wissen, was sie richtig oder falsch gemacht haben, sondern wünschen sich ein echtes und ehrliches Feedback mit Informationen darüber, warum sie eine Aufgabe gut erledigt haben und wie dies ihrer Führungskraft persönlich weiterhilft. Hat ein Mitarbeiter eine Aufgabe fristgerecht abgeliefert, ist er auch in Zukunft glaub- und vertrauenswürdig. Seine Führungskraft kann sich auf ihn verlassen und wird ihm auch andere Aufgaben zutrauen. Vielleicht wächst er damit über sich hinaus, was sie freuen würde. Sie selbst wird damit entlastet. Sie kann Aufgaben abgeben, ohne sie ständig mit Sorge im Hinterkopf zu behalten. Folglich muss Sie nicht andauernd nachhaken und nachtelefonieren und hat den Kopf frei für andere Aufgaben, am besten für Themen, die ihr mehr Spaß machen als Mitarbeiter zu kontrollieren.

Wir sehen also, welche komplexen Auswirkungen eine fristgerechte Abgabe hat und was passieren könnte, wenn ein Mitarbeiter Aufgaben regelmäßig zu spät abgibt. Dieses “Könnte” können wir ebenso rückmelden, sozusagen als Antiwunsch: “Gibst du diese Aufgabe später als ausgemacht ab, werden wir nicht nur beim Kunden in Verzug kommen. Dieser Akt wird sich auch auf unsere Arbeitsbeziehung auswirken, ob ich will oder nicht. Das macht bei einem mal nichts aus. Beim zweiten oder dritten mal werde ich vielleicht kein Vertrauen mehr zu dir haben. Ich werde genervt sein, weil ich dir hinterhertelefonieren muss. Das macht mir ehrlich gesagt keinen großen Spaß.

Zudem kostet es eine Menge Zeit, die ich lieber anderweitig einsetzen würde. Dabei liebe ich es mit Vertrauen zu führen. Ich gebe dir eine Aufgabe, sage, bis wann sie erledigt sein sollte und frage dich, ob du das schaffst. Ich frage dich auch, was du dafür an Ressourcen brauchst oder du meinst, dass das in der Zeit nicht möglich wäre und wünsche hier auch eine ehrliche Antwort. Eine klare Einschätzung ist nicht immer möglich. Das weiß ich natürlich. Aber wenn sich etwas verschiebt, wäre es klasse, wenn du auf mich zukommst und nicht wartest, bis ich bei dir nachhake. Wie siehst du das? Haben wir einen Deal?”

Mentoren, die ihren Mitarbeitern eine Struktur vorgeben und sie anschließend laufen lassen, sollte es nicht schwerfallen, so zu agieren. Wenn Teamplayer lernen, sich abzugrenzen, indem sie klar ihre Erwartungen äußern, ohne Angst zu haben, jemandem auf die Füße zu treten, werden sie sich daran gewöhnen, ihre Mitarbeiter loszulassen. Rein bindungstechnisch wird es Strategen leicht fallen, solche klaren Statements abzugeben.

Sie sollten jedoch darauf achten, nicht zu unterkühlt rüber zu kommen. Distanzmenschen sollten aufpassen, zu viele unpersönliche Floskeln zu benutzen wie “Ich musste …, ich sollte … oder man hätte …”. Zudem verweisen Erwartungen auf Handlungen der Mitarbeiter in die Zukunft. Sie lassen sich schlecht spontan äußern und sollten für die Mitarbeiter konsistent und über einen längeren Zeitraum konstant sein. Hier besteht häufig ein Widerspruch zwischen den langfristigen im Hinterzimmer ausbaldoverten Strategien und dem, was bei den Mitarbeitern als Überfallkommando ankommt. Am schwersten werden sich Visionäre tun. Zur Problematik der Spontaneität und der damit verbundenen mangelnden inneren Klarheit eigener Erwartungen kommt die bisweilen zu große Nähe hinzu, die sie darin hindert Tacheles zu reden.

Ausgehend von sich selbst, meldet eine gute Führung ihren Mitarbeitern zurück, wann und warum sie zufrieden und wann und warum sie enttäuscht, verärgert oder frustriert ist. Sie sollte sich klar darüber sein, was sie im weitesten Sinne glücklich macht und wann sie angefressen ist. Oder sie könnte zufrieden sein, wenn Dinge fristgerecht erledigt werden. Sie könnte sogar begeistert sein, wenn Mitarbeiter Eigeninitiative übernehmen. Sie könnte persönlich enttäuscht sein, wenn ein Mitarbeiter sie belügt. Es gilt jedoch zu klären, ob dies wirklich eine Lüge war oder eher Angst vor einer Rüge. Vielleicht reagiert sie gereizt, wenn manche Mitarbeiter sich auf der sozialen Hängematte ausruhen und den Kollegen keinen Respekt entgegen bringen. Sie könnte in der Luft hängen, wenn sie nicht weiß, woran sie bei manchen Teammitgliedern ist. Oder überrascht sein, wenn sie auf Ablehnung im Team stößt, die sie so nicht erwartete.

Schritt 1: Radikale Ehrlichkeit zu sich selbst

Um sich selbst mit seinen Emotionen und Bedürfnissen auseinander zu setzen, ist es hilfreich, für sich die folgende Liste zu ergänzen:

Ich…

  • bin zufrieden, wenn …
  • bin erleichtert, wenn …
  • reagiere enttäuscht, wenn …
  • hänge in der Luft, wenn …
  • bin überrascht, wenn …
  • bin frustriert, wenn …
  • reagiere enttäuscht, wenn …
  • hänge in der Luft, wenn …
  • reagiere gereizt, wenn …
  • Die Arbeit macht Spaß, wenn …
  • Die Arbeit macht keinen Spaß, wenn …
  • Die Zusammenarbeit ist anstrengend, wenn …

Ergänzend dazu können Sie die Karten durch einen zweiten Stapel mit Bedürfnissen ergänzen. Die folgenden Aussagen lassen sich positiv oder negativ formulieren:

  • (… wenn) ich ernst genommen werde.
  • Aufgaben fristgerecht erledigt werden.
  • ich nachhaken muss.
  • die Kollegen ihre Aufgaben sauber erledigen.
  • die Kollegen geschludert haben.
  • sich jemand von einer Frage angegriffen fühlt.
  • manche sich auf der Leistung anderer ausruhen.
  • ich missverstanden werde.
  • das Zwischenmenschliche zu kurz kommt.

Haben Sie sich als Führungskraft entsprechend kennengelernt, können Sie diese Aussagen als Vorbild nach außen kehren, verbunden mit der Hoffnung, dass Ihre Mitarbeiter nicht nur Sie selbst kennen lernen, sondern auch das implizite Angebot annehmen, ebenso über ihre Emotionen und Bedürfnisse in der Arbeit nachzudenken.

Schritt 2: Radikale Ehrlichkeit mit den Mitarbeitern

Um Ihre Teammitglieder kennenzulernen bzw. diese untereinander, ist es in einem zweiten Schritt sinnvoll, diese Liste auch mit dem Team durchzugehen. In Teamfindungs-Workshops bereite ich dazu für jede Emotion eine Moderationskarte vor, über die die Mitarbeiter diskutieren.

Die Bedürfnisse lassen sich für die Mitarbeiter mit einigen Aussagen ergänzen:

  • (… wenn) ich keine Zeit für Pausen habe.
  • Aufgaben unklar fomuliert sind.
  • es keine Entscheidungsspielräume gibt.
  • ich meine Interessen, Fähigkeiten und Kompetenzen einbringen kann.
  • ich mich im Team wohl fühle.
  • Chaos herrscht und niemand weiß was zu tun ist.
  • ich weiß, wem die Erledigung meiner Aufgaben nutzt und wofür ich all das mache?
  • wir uns zoffen.

Diese ergänzende Liste für die Mitarbeiter hilft Führungskräften zudem, sich in die Bedürfnisse der Mitarbeiter hinein zu denken.

Schritt 3: Von der radikalen Bewusstheit und Offenheit zu klaren Erwartungen und Wünschen

Anschließend sollte das Team darüber diskutieren, welche Erwartungen oder Wünsche aus den Emotionen und Bedürfnissen ableitbar sind. Ein Beispiel: Ich hänge in der Luft, wenn ich nicht ernst genommen werde. Welcher Wunsch steht jedoch hier konkret dahinter? Wofür möchte der Kollege ernst genommen werden? Für seine Aussagen, Meinungen, Leistungen, kreativen Ideen oder für seine ganze Person. Dies gilt es zu klären. Oder: Die Arbeit macht keinen Spaß, wenn ich missverstanden werde. Worin besteht das Missverständnis? Und warum verstehen sich manche Kollegen nicht? Spricht der eine beispielsweise von Sachleistungen und der andere von der Beziehung zum Kunden, wenn der eine behauptet, der Kunde war unzufrieden und der andere meint: Stimmt gar nicht?

Damit wird nicht nur die Verbindung zwischen Emotionen, Bedürfnissen und Erwartungen oder Wünschen, die ja mit einem konkreten Handeln verbunden sind, deutlich.

Die nach außen klare Trennung sorgt auch dafür, dass ein bisher vorhandener unklarer Mischmasch aus Emotionen, Bedürfnissen, Erwartungen und Wünschen geklärt wird. Der Chef ist nun nicht mehr einfach so sauer, weil nicht deutlich wird, warum dies so ist und was wir tun können, damit er zufrieden wird. Der Chef wiederum weiß nun, wie er seine Mitarbeiter motivieren oder demotivieren kann. Die radikale und bewusste Offenheit aller führt folglich dazu, dass sie sich nicht nur besser kennenlernen, sondern auch zu einem effektiveren und effizienteren Team zusammenwachsen können.

In einem Präsenz-Teamworkshop lässt sich dies unter der Vorraussetzung, dass sich alle darauf einlassen, gut durchführen. Auf Distanz ist es sinnvoll, daraus ein Aussage-Frage-Spiel zu machen: Mir ist es wichtig, dass ihr mich ernst nehmt. Deshalb hätte ich gerne, dass ihr mir zuhört und solange nachfragt, bis ihr das Gefühl habt, dass ihr das, was ich gerne von euch hätte, richtig verstanden habt. Kommt euch das entgegen? Oder eher nicht? Was braucht ihr von mir?

Nachrichten radikal-ehrlich äußern mit dem 4-Ohren-Modell

Nachdem wir mit der GFK einen radikal-ehrlichen Haltungsgrundsatz haben, wollen wir ansehen, wie mithilfe des sattsam bekannten 4-Münder- und Ohren-Modells nach Schultz von Thun Informationen auf vier verschiedene Intentionen gesendet und erfasst werden. Ziel des Modells ist die Erklärung von Wahrnehmungsdiskrepanzen, wenn der Sprecher seine Nachricht auf einem Kanal sendet und der Zuhörer die Nachricht mit einem anderen Ohr hört. Daher kommt wohl auch der Auspruch “Ich glaube ich habe mich verhört”.

Senden oder verstanden werden:

  • Der reine Sachverhalt, beispielsweise “Bis wann sind die Unterlagen fertig?”,
  • die Selbstoffenbarung “Ich brauche sie dringend”,
  • der darin evtl. enthaltene Appell “Mach schneller” oder auch “Bitte mach schneller” sowie
  • eine Aussage über die Beziehung “Ich bestimme, wie du zu arbeiten hast” oder “Ich bin anhängig von dir”.

In der Präsenzkommunikation enthällt die Nachricht “Bis wann sind die Unterlagen fertig?” durch die Mimik, Gestik und Tonation ebenso die anderen drei Ebenen. Ist der Ausspruch schneidig, hektisch, drängend, ungeduldig und anklagend oder unsicher und unruhig, sind die Gesten zackig und die Mimik streng oder schüchtern, wird deutlich, was dahinter steht.  Der Zuhörer kann daraufhin angemessen reagieren.

In der digitalen Welt, selbst in Videokonferenzen, ist es schwer, die anderen Ebenen zu erkennen. Das Bild hinkt oft hinterher, der Ton knarzt und wir selbst sind oftmals so mit der Technik beschäftigt, dass die volle Konzentration auf unser Gegenüber schwer fällt. Der Empfänger hat es damit schwerer, eine Nachricht richtig zu deuten. Umso wichtiger ist es, sich dessen als Sender bewusst zu sein und die ansonsten impliziten Inhalte deutlicher zu machen: “Bis wann sind die Unterlagen fertig? Ich brauche sie dringend und bitte dich deshalb, mir eine grobe Zeitansage zu geben, weil ich ansonsten in der Luft hänge und nicht planen kann.”

Wenn wir von Videokonferenzen oder Telefonaten absehen und unseren Blick auf komplett asynchrone digitale Kommunikationsformen richten wie Chatrooms oder Messenger-Dienste wird deutlich, dass hier manche Kanäle bewusst nicht bedient werden. Auf WhatsApp stehen eher die Ebenen Sachinhalt und Appell im Vordergrund, da es häufig um einen kurzen Informationsaustausch geht und sich die einzelnen Nachrichten sprachlich wenig unterscheiden, beispielsweise Treffen heute um 5 Uhr im Raum Turin. Bring die Unterlagen zum Bauprojekt XY mit. Hier spielt die Beziehungsebene oder die Selbstoffenbarung eine geringere Rolle. Bei Twitter, Facebook oder Instagram steht vor allem die Selbstoffenbarung im Vordergrund. Die Nachrichten richten sich schließlich nicht an eine bestimmte Person, sondern an alle Freunde und Follower. Eine Beziehungsebene wird damit ausgeschlossen. Die Appell-Ebene kann ebenso wichtig sein, wenn es damit geht eine bestimmte Veranstaltung zu besuchen.

In einer medialen Welt, in der Nachrichten potenziell von vielen Menschen gelesen werden, jedoch keinen konkreten Addressaten haben, wird die Beziehungsebene immer weniger bedient. Während sich die einen nicht angesprochen fühlen, könnten sich andere angegriffen fühlen. Dieses Phänomen zeigt sich aktuell in der Corona-Krise. Eine Nachricht pro oder kontra Corona-Maßnahmen auf Facebook findet in jedem Fall eine Person, die sich persönlich angesprochen fühlt, auch wenn die Nachricht vielleicht gar nicht an sie gerichtet war. Auch hier wäre es folglich sinnvoll, eine Nachricht konkreter zu addressieren und mit einem Wunsch zu versehen, anstatt lediglich den Link eines Zeitungsartikels zu kopieren.

Ähnliches gilt ebenso für berufliche Chats. Die Digitalisierung erfordert ein höheres Maß an Bewusstheit des Senders, um den Empfängern die Aufnahme und Verarbeitung einer Nachricht zu erleichtern. Ich sollte mir also als Sender, insbesondere als über Distanz leitende Führungskraft genau klar machen, was, warum und in welchem Rahmen ich etwas von meinem Gegenüber erwarte, um Missverständnisse zu vermeiden.

Die fünf Ebenen eines radikal-bewussten Erlebens

Die fünf Ebenen unseres Erlebens betreffen unsere Wahrnehmung, unser Fühlen, Denken, Wollen und Handeln. In einer Präsenzkommunikation nehmen wir zwar auch primär wahr, was unser Gegenüber tut, wir schließen jedoch aus nonverbalen Zeichen zumindest auf die Gefühlswelt unseres Gegenübers, wodurch wir Rückschlüsse auf die Gedanken unseres Gesprächspartners ziehen können. Im Digitalen wiederum erkennen wir nur sehr wenig. Wir sehen, dass ein Kollege pünktlich oder zu spät zu einem Online-Meeting kommt. Wir sehen, dass er irgendwie abwesend ist oder bekommen mit, dass er seine Aufgaben für diese Woche noch nicht erledigt hat. Was früher im Vorbeigehen erfasst und mit einem kurzen Nebensatz erklärt wurde, muss nun extra eingeplant und erfragt werden. Die Gefahr, hier bei Nachfragen in eine Rechtfertigungsdruck zu geraten, ist groß. Andererseits kann es ebenso passieren, dass Mitarbeiter nicht wissen, woran sie bei ihrer Führungskraft sind.

Deshalb gilt auch hier für Führungskräfte, Aussagen klarer zu formulieren, um ein gutes Vorbild abzugeben: Offensichtlich ist die Sache noch nicht erledigt. Ich brauche das bis morgen. Andernfalls bekommen wir aufgrund des Zeitverzugs mächtig Ärger. Und das will ich auf jeden Fall vermeiden. Nach einem solchen klaren Statement ist es wichtig, auch die Erlebensebenen der Kollegen abzufragen: Wie seht ihr das? Schafft ihr das oder macht euch das zu viel Druck? Ich will schließlich nicht, dass die Qualität leidet. Und kann ich euch noch irgendwie unterstützen, dass wir das hinbekommen? Was meint ihr? Momentan hänge ich noch in der Luft, weil ich nicht weiß, warum wir in einem solchen Verzug sind. Aber ich würde eure Lage gerne verstehen.

Mit der Themenzentrierten Interaktion zur radikalen Bewusstheit

Mit der Themenzentrierten Interaktion werden die vier Elemente Ich, Wir, Thema und Globe in einem Team in einer Balance gehalten. Nach der TZI wird ein Gruppenprozess bestimmt durch:

  • die Fähigkeiten, das Verhalten und die Persönlichkeit eines einzelnen Gruppenmitglieds
  • die Interaktionen, der Kommunikation, der Kultur und Dynamik der Gruppe
  • dem Anliegen, Auftrag und den Zielen der Zusammenarbeit
  • dem sozialen, ökologischen, ökonomischen, technischen, räumlichen oder zeitlichen Umfeld bzw. Kontext, in dem das Team agiert

Daraus ergeben sich einige Fragen, die sich ein Team in radikaler Offenheit stellen sollte:

  • Was bringe ich persönlich für das Gelingen einer Aufgabe und das Erreichen eines Ziels mit? Welche Eigenschaften sind förderlich? Welche hinderlich?
  • Wie gehen wir miteinander um? Wann und wodurch lernen wir voneinander? Wo ergänzen wir uns? Was macht uns Spaß? Wo geraten wir aneinander?
  • Was wollen wir gemeinsam erreichen? Und welche Ziele verfolgen wir?
  • Welche Rahmenbedingungen sind hinderlich, welche förderlich? Welche gesellschaftlichen Regeln beeinflussen uns?

Sie merken schon: Die vier Dimensionen sind sehr umfangreich und sollen hier auch nicht allumfassend erläutert werden. Wichtig für Führungskräfte, sowohl in Präsenz als auch auf Distanz ist es jedoch, auf die Balance zu achten:

  • Nehmen sich einzelne Personen zu viele Freiheiten heraus? Opfern sich andere für das Team auf?
  • Haben wir eine produktive oder destruktive Kommunikation?
  • Verlieren wir uns im Klein-Klein oder überharmonischem Gesäusel und verlieren unsere Ziele aus dem Auge?
  • Steht unser Unternehmen hinter uns oder erschwert es unsere Arbeit? Inwieweit werden wir positiv oder negativ von außen beeinflusst?

Ruth Cohn, die Entwicklerin des Modells, prägte dafür den Spruch “Störungen haben Vorrang”. Sobald das Ich, das Wir, das Thema oder der Globe zu viel negativen Einfluss auf die Gruppe nehmen, muss dies zuerst geklärt werden, bevor es weitergeht. Teams, die ich in den letzten Jahren begleiten durfte, handelten jedoch meistens nach dem Motto “Störungen bekommen einen Vorhang”. Laut der TZI ist die vielleicht wichtigste Aufgabe einer Teamleitung, genau diese Störungen und Disbalancen anzusprechen und zu klären.

Einige TZI-Regeln sind hilfreich, um den hier vorgestellten Ansatz einer radikalen Offenheit auf dem Weg zu einem glücklichen und produktiven Team zu unterstützen:

  • Sei authentisch und mach dir bewusst, was du denkst, fühlst und glaubst. Bevor du etwas sagst oder tust, denke darüber nach, welche Auswirkungen dein Handeln hat und was du damit erreichen willst.
  • Wenn du eine Frage stellst, äußere auch, warum dir die Antwort wichtig ist.
  • Halte dich mit Interpretationen und Spekulationen zurück, wenn du nicht genau weißt, um was es geht. Frag lieber solange nach, bis du die Hintergründe verstanden hast.

Die TZI geht in der Tradition der humanistischen Psychologie und damit dem Vorläufer heutiger Ansätze agiler Teams davon aus, dass jeder Mensch gerne Verantwortung in einem Team übernimmt und an seinen Aufgaben wachsen will und kann. Dies mag in der Realität nicht für jeden Mitarbeiter gelten. Es wäre dennoch schade, sich wegen einiger weniger diese schöne Utopie zerstören zu lassen.


bunker Arbeitsplatz dunkel keller

Noch mehr Beiträge aus den Bunker-Chroniken findet ihr
 hier.

Das Thema “Proaktives Führen” beschäftigt Michael Hübler auch in seinen  Büchern.

 

 


Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

Bei metropolitan von Michael Hübler erschienen:

 Provokant – Authentisch – Agil
Die neue Art zu führen
Wie Sie Mitarbeiter humorvoll aus der Reserve locken
ISBN 978-3-96186-004-3

 New Work: Menschlich – Demokratisch – Agil
Wie Sie Teams und Organisationen erfolgreich in eine digitale Zukunft führen
ISBN 978-3-96186-016-6

 Die Bienen-Strategie und andere tierische Prinzipien
Wie schwarmintelligente Teams Komplexität meistern
ISBN 978-3-96186-031-9

Cover Gründen in 90 Tagen metropolitan

Gründen in 90 Tagen

In sechs Schritten zum Erfolg

Gehörst du auch zu den Menschen, die unglücklich in ihrer Festanstellung sind und davon träumen, mal „etwas ganz eigenes“ zu machen. Doch wie vielen von ihnen fehlt dir schlicht der Mut, es zu versuchen?

Vielleicht fehlt dir nur ein klarer Weg, wie du dich selbstständig machen können? Dieser Weg müsste es dir erlauben, in der Festanstellung zu bleiben, bis sich die Selbstständigkeit als tragfähig genug erweist.

Genau diesen Weg möchte  Moritz Gomm in seinem Buch  Gründen in 90 Tagen aufzeigen! Dabei soll der Weg in die Selbstständigkeit dazu dienen, ein zufriedeneres und freieres Leben zu führen und nicht nur dazu, möglichst schnell reich zu werden – und damit in einem neuen Hamsterrad zu landen.

Schritt 6: Bring dein Geschäft auf die für dich richtige Größe!

Zwischenzeitlich ist Buch endlich da und  Moritz Gomm teilt in Teil 6 seiner Teaser-Reihe nicht nur seine Freude darüber, das fertige Buch endlich in Händen zu halten, sondern auch den letzten wichtigeb Schritt: Bring dein Geschäft auf die für dich richtige Größe!


Schritt 5: Mach, was dir liegt und outsource den Rest!


Schritt 4: Teste deine Geschäftsidee!

Schritt 3: Finde deine Geschäftsidee!

Den Extended Canvas, um dein Geschäftsmodell auf einer Seite darzustellen, findest du kostenfrei zum Download unter: www.90-tage-programm.de/canvas


Schritt 2: Schaffe dir Zeit für deine Geschäftsidee!


 

Schritt 1: Erkenne deine Motivation und Stärken

 


Cover Gründen in 90 Tagen Gründen in 90 Tagen

Schritt für Schritt in eine erfolgreiche Selbstständigkeit – ohne gleich den Job zu kündigen

ISBN 978-3-96186-050-0

Header Cover Auflösung Gewinnspiel

Wir feiern Geburtstag und haben Geschenke für euch! 

Im  Herbst 2017 gingen wir mit vier Titeln an den Start und überzeugten von Anfang an mit aktuellen Themen, schlagfertigen Titelformulierungen und nicht zuletzt mit unserem ausgefallenen Cover-Design. Drei Jahre später blicken wir auf eine stolze Anzahl an tollen Titeln zurück, nämlich …. Nein, das wird nicht verraten!  

Gewinnspiel Rätsel – Wir feiern Geburtstag

Zu unserem 3. Geburtstag haben wir uns ein kleines Rätsel für euch ausgedacht. Wie viele Cover haben sich in der Animation versteckt?

 Zum Facebook-Post

 

Kommentiert eure Antwort unter unserem  Facebook-Beitrag. Aus allen richtigen Antworten ziehen wir drei glückliche Gewinner, die sich über ein Buch aus dem metropolitan-Programm freuen dürfen.  Das Gewinnspiel “3 Jahre metropolitan – Wir feiern Geburtstag” läuft vom 9. bis zum 29. November 2020.

Hier geht´s zu den  Teilnahmebedingungen!

bunte luftballons Wir feiern Geburtstag

© comicsans | Adobe Stock

Auszug aus den Teilnahmebedingungen

4. Teilnahmezeitraum und Gewinne

Das Gewinnspiel findet vom 09.11.2020 ab Beginn der Veröffentlichung des Posts auf der Facebook-Seite  metropolitan bis zum 29.11.2020 23:59 Uhr (Mitteleuropäische Zeit) statt. Zu gewinnen gibt es einen Titel aus dem metropolitan-Sortiment, den sich der/die Gewinner/in frei wählen darf (Auswahl einzusehen auf der Seite  https://www.metropolitan.de/buch/; Stand: 02.11.2020).

Der/die Gewinner/in wird unter den Teilnehmer/innen mit der richtigen Antwort ausgelost. Eine Barauszahlung der Gewinne erfolgt nicht.
Der/die Gewinner/in wird nach Ablauf des Teilnahmezeitraums über Facebook benachrichtigt. Jede/r Gewinner/in  muss ihren/seinen vollständigen Namen inkl. Anschrift an metropolitan übermitteln. Wenn dies nicht innerhalb von zwei Wochen nach Gewinnbenachrichtigung geschieht, behält sich metropolitan vor, den Gewinn neu zu vergeben.

(Zu den vollständigen Teilnahmebedingungen)

bunker Arbeitsplatz dunkel Proaktives Führen in der digitalen Welt

Proaktives Führen in einer digitalen Welt

Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor  Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich mit der Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt!

In gewohnt kritischer, leicht zynischer, aber auch humorvoller Manier reflektiert  Michael Hübler die derzeitige Situation und damit Themen, die ihn bewegen. Er möchte Mut machen, Ablenkung schaffen, vielleicht auch zum Nachdenken anregen in einer aktuell schwierigen Zeit. Eine Zeit, der wir uns als Gesellschaft, Familie, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, aber auch als Freunde und Individuum stellen müssen. Daraus entstehen – mit dem ihm so typischen Augenzwinkern – die Hübler Bunker-Chroniken.

Nachdem uns die befürchtete zweite Welle der Pandemie getroffen hat und die Mitarbeiter wieder vermehrt das Homeoffice nutzen, stellt sich nun erneut die Frage, wie Führungskräften der Spagat zwischen Nähe, Distanz, Flexibilität und Planung gelingt.

Führungskräfte zwischen Nähe, Distanz, Flexibilität und Planung – Proaktives Führen

Brauchen wir eine neue Art des Führens in einer Welt der digitalen Ferne? Offensichtlich ja, denn eine Führung auf Distanz erfordert einen anderen Ansatz als eine Führung vor Ort. Vor Ort kann ich eine spontane Idee meinen Mitarbeitern auf dem Gang mitteilen. Auf Distanz muss ich besser planen. Vor Ort machen sich wenige Führungskräfte Gedanken über die Bindung der Mitarbeiter. Ein paar Gespräche, ein wenig Lob und Feedback reichen zwar nicht aus, sind aber ein guter Anfang. Auf Distanz wird es holprig. Die Gesprächsführung im digitalen Raum ist vielleicht nur eine Gewöhnungssache. Dennoch wissen wir alle, wie künstlich der Austausch manchmal wirkt, wenn Mimik und Gestik weitgehend fehlen.

Führungskräfte, die bisher eine gute Balance zwischen Planung und Distanz mit einer Spureneinheit Nähe pflegten, werden sich leichter tun. Führungskräfte, die bisher sehr spontan und dazu entweder mit sehr viel Nähe oder sehr viel Distanz führten, wird die Umstellung schwerer fallen. Was also tun?

Für die Frage, ob Führungskräfte in einer digitalen Welt effektiv und effizient über Distanz führen, ist es hilfreich, sich das Riemann-Thomann-Modell mit den Dimensionen Nähe, Distanz sowie Flexibilität und Planung anzusehen. Dadurch erhalten wir vier verschiedene Führungstypen:

Planung und Distanz

Eine Führungskraft, die gerne plant, indem sie Prozesse, Aufgaben oder Rollen vordefiniert und gleichzeitig ihren Mitarbeitern Freiräume für individuelle Entscheidungen lässt, könnte als Mentor bezeichnet werden. Solche Führungskräfte werden am leichtesten mit einer Führung auf Distanz zurecht kommen. Sie gehen davon aus, dass die Mitarbeiter zwar einen Rahmen für ihre Arbeit brauchen, dann jedoch gut auf eigenen Füßen stehen.

Planung und Nähe

Eine Führungskraft, die gerne plant, das heißt auf Rituale, Strukturen und Prozesse achtet und der gleichzeitig Bindung durch Nähe und Harmonie wichtig ist, ist ein guter Teamplayer. Solche Führungskräfte werden es in der Zukunft ein wenig schwerer haben. Sie werden die Nähe vermissen. Wenn sie jedoch lernen, Nähe auch auf Distanz, beispielsweise über Telefonate aufzubauen oder aufrechtzuerhalten, werden sie sich jedoch schnell an die neue Situation gewöhnen.

Flexibilität und Nähe

Eine Führungskraft, die gerne spontan und kreativ ist und gleichzeitig wert auf Nähe und Bindung legt, lässt sich als Visionär Ihr Ideen brauchen schließlich ein Publikum. Und Kreativität entsteht häufig erst im Austausch mit dem Team. Visionäre erzählen gerne Geschichten oder führen mit Humor. Solche Führungskräfte werden es noch schwerer haben. Während die Teamplayer durch ihr Faible für Planungen den Mitarbeitern über die Ferne im Homeoffice Sicherheit vermitteln, hängen diese bei Visionären in der Luft. Führungskräfte dieses Typus sollten einerseits lernen, sich von ihrer Spontaneität in Richtung Planung zu entwickeln, um Unsicherheiten bei ihren Mitarbeitern zu vermeiden, indem sie beispielsweise Feedbackrituale einplanen. Andererseits ist es wichtig, unter Berücksichtigung der individuellen Vorlieben ihrer Mitarbeiter neue Wege für der Bindung und Beziehungspflege zu suchen.

Flexibilität und Distanz

Eine Führungskraft schließlich, die gerne spontan und kreativ ist und gleichzeitig eine emotionale Distanz zu ihren Mitarbeitern bevorzugt, könnte als Stratege bezeichnet werden. Diese Art des Führens wird in Zukunft am problematischsten sein, da hier zwei ungünstige Faktoren zusammenspielen. Mitarbeiter ziehen bei einem Projekt mit, wenn sie entweder den Sinn dahinter verstehen oder ihrer Führung vertrauen. Fehlt beides, könnte der Eindruck einer Willkür entstehen. Führungskräfte dieses Typus sollten einerseits lernen, sich von ihrer Spontaneität in Richtung Planung zu entwickeln, um Mitarbeitern das Signal zu geben, dass ihre Strategien keiner Willkür entspringen. Dafür spielt die Transparenz von Entscheidungen eine wichtige Rolle. Andererseits ist es wichtig, die Bindung zu den Mitarbeitern zu suchen, indem sie sich regelmäßig darüber informiert, ob der Sinn hinter ihren Entscheidungen nachvollziehbar ist.

Radikales, bewusstes und proaktives Führen

In meinen Seminaren zum Thema Führung auf Distanz tauchte in letzter Zeit immer wieder der Begriff der Proaktivität bzw. proaktives Führen auf. Führungskräfte sollten von sich aus auf Mitarbeiter zugehen, um Missverständnisse zu vermeiden. Was früher spontan erledigt werden konnte, muss nun eingeplant und frühzeitig angesprochen werden. Dazu brauche ich als Führungskraft die Bewusstheit der eigenen Wirkung auf meine Mitarbeiter. Dies wiederum bringt uns auf den Ansatz einer radikalen Ehrlichkeit, zu mir selbst sowie im Umgang mit meinem Team. Welche Konsequenzen lassen sich hieraus für unsere vier verschiedenen Führungstypen ziehen:

Proaktives Führen für Mentoren

Eine Führungskraft, die gerne plant und gleichzeitig Mitarbeitern Freiräume für Entscheidungen lässt, muss aufpassen, nicht zu weit von ihren Mitarbeitern weg zu sein. Das schafft sie, indem sie sich klar macht, was sie von ihren Mitarbeitern erwartet, warum ihr das wichtig ist und dies auch proaktiv äußert. Wie das konkret funktioniert, werden wir uns in einem späteren Beitrag ansehen.

Für Teamplayer

Eine Führungskraft, die gerne plant und gleichzeitig Bindung durch Nähe herstellen möchte, wird auf andere radikale Erkenntnisse kommen, die sie bewusst und proaktiv einbringen sollte. Sie sollte sich eingestehen, dass die Nähe, die sie sonst als Teamplayer genoss, über die Distanz nicht haben wird. Die radikale Ehrlichkeit zu sich selbst wird daher zuerst einmal schmerzhaft für sie sein. Gleichzeitig sollte sie sich die Frage stellen, wie viel Nähe bisher gut und ob die Verbindung zu ihren Mitarbeitern vielleicht sogar an manchen Stellen und in manchen Momenten zu viel des Guten war, weil die Mitarbeiter damit zu wenig Freiräume bekamen, um eigene Ideen auszuprobieren.

Es stellt sich auch die Frage nach einer übertriebenen Harmonie als Hindernis für harte, aber notwendige Entscheidungen. Hierzu sollte eine Teamplayer-Führungskraft radikal ehrlich mit sich ins Gericht gehen, um daraus die Erkenntnis zu ziehen, wie sie dennoch eine gute und sinnvolle Nähe über die Distanz beispielsweise mittels Telefonaten herstellen kann.

Für Visionäre

Eine Führungskraft, die gerne spontan und kreativ ist und gleichzeitig wert auf Nähe und Bindung legt, sollte sich radikal ehrlich eingestehen, dass Spontaneität und Kreativität in einem nahen Setting beispielsweise im Rahmen eines Projektteam-Brainstormings eine spannende Sache, jedoch auf Distanz schwieriger umzusetzen ist. Auf Distanz wirken sie weniger sympathisch, wie sie es sonst gewohnt sind, sondern chaotisch. Sie sind es nicht gewohnt zu planen, weil sie Angst davor haben, dass ihnen das enge Korsett und die Festlegung von Planungen ihre Kreativität raubt.

Diese Erkenntnis einer radikal persönlichen Ehrlichkeit sollten sie auch ihren Mitarbeitern zutrauen. Insbesondere diejenigen, die sie bereits gut kennen, werden es verstehen. Vielleicht ergibt sich daraus ein gemeinsamer proaktiver Lernprozess, der sowohl die Kreativität erhällt als auch dem Bedürfnis der Mitarbeiter nach Klarheit entgegen kommt. Auch hier kann die Erkenntnis erhellend sein, dass der bisherige Führungsstil zwar sympathisch war, jedoch auch an manchen Stellen zu Verunsicherungen führte, die nun schlechter durch Nähe aufgefangen werden.

Proaktives Führen für Strategen

Eine Führungskraft schließlich, die gerne spontan und kreativ agiert oder dies zumindest nach außen den Anschein hat und gleichzeitig die emotionale Distanz zu ihren Mitarbeitern bevorzugt, sollte sich radikal ehrlich eingestehen, dass dies gerade über die Distanz zu massiven Verunsicherungen bei den Mitarbeitern führt. Wir sehen dieses Phänomen häufig in politischen Entscheidungen. Politiker jenseits der Gemeindepolitik können logischerweise kaum enge Bindungen zu Bürgern pflegen. Sind Sie dennoch willens und fähig, ihre Entscheidungen den Bürgern langfristig zu vermitteln, agieren sie mediativ. Werden sie jedoch als zu spontan wahrgenommen, verlieren sie das Vertrauen der Bürger. Die Spontaneität und mangelnde Bindung zieht den Willkür-Vorwurf nach sich.

Wollen strategisch agierende Führungskräfte, dass ihre Mitarbeiter ihnen auch über die Distanz folgen, sollten sie sich am ehrlichsten von unseren vier Typen vor den Spiegel stellen. Es mag sein, dass manche Entscheidungen schnell gefällt werden müssen und eine zu frühe Festlegung eine strategische Flexibilität zunichte macht. Es mag auch sein, dass strenge Entscheidungen leichter zu fällen sind, wenn die Bindung zu den Mitarbeitern nicht zu groß ist. Für strategisch handelnde Führungskräfte ist es folglich leichter, agil-flexible Entscheidungen auf Distanz zu treffen.

Mitarbeiter, die weder Vertrauen in ihre Führungskraft haben, noch die Entscheidungen insbesondere aufgrund der Schnelle, nachvollziehen können, werden dies anders sehen. Strategisch orientierte Führungskräfte sollten daher lernen, ihre Entscheidungen sofern möglich langfristiger zu planen und den Werdegang eines Urteils transparent und proaktiv mitzuteilen. Auch wenn manche Mitteilungen noch nicht spruchreif sind, ist es dennoch hilfreich, wenn der Prozess der Entscheidungsfindung offener gehandhabt wird, um Unsicherheiten oder Gerüchte zu vermeiden. Den meisten Mitarbeitern reicht es zu wissen, dass aktuell über ein bestimmtes Thema diskutiert und ab einem bestimmten Zeitpunkt in der Zukunft eine Entscheidung gefällt wird.


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Das Thema “Proaktives Führen” beschäftigt Michael Hübler auch in seinen  Büchern.

 

 


Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

Bei metropolitan von Michael Hübler erschienen:

 Provokant – Authentisch – Agil
Die neue Art zu führen
Wie Sie Mitarbeiter humorvoll aus der Reserve locken
ISBN 978-3-96186-004-3

 New Work: Menschlich – Demokratisch – Agil
Wie Sie Teams und Organisationen erfolgreich in eine digitale Zukunft führen
ISBN 978-3-96186-016-6

 Die Bienen-Strategie und andere tierische Prinzipien
Wie schwarmintelligente Teams Komplexität meistern
ISBN 978-3-96186-031-9

Mann am Boden

Corona – Fluch oder Segen für die neue Arbeitswelt?

Liebe  Frau Britz-Averkamp, liebe  Frau Eich-Fangmeier, gefühlt die halbe Welt sitzt aktuell im Homeoffice und versucht, in der neuen Arbeitswelt irgendwie zu überleben. Von einer gut organisierten Einführung  und Vorbereitung der Mitarbeiter, wie Sie sie In Ihrem Buch  Überleben in der neuen Arbeitswelt beschreiben, war die plötzliche Umsetzung im Frühjahr beim Ausbruch der Pandemie weit entfernt. Insofern stellt sich die Frage, inwieweit die aktuelle Lage, das Streben nach neuen Arbeitswelten beeinflusst. Danke, dass Sie sich Zeit für unsere Fragen genommen haben.

In vielen Unternehmen verlief der Rückzug ins „Arbeiten von Zuhause“ aber mehr im Hau-Ruck-Verfahren. Von geordnetem und geplantem Übergang, wie Sie ihn in Ihrem Buch beschreiben, konnte vielerorts nicht die Rede sein. Was glauben Sie? Hat dieses Vorgehen negative Folgen im Hinblick auf die Akzeptanz der neuen Arbeitswelt?  

Nein, ganz im Gegenteil. Wir hatten alle keine Wahl und wurden quasi über Nacht gezwungen, virtuell aus der Ferne zusammenzuarbeiten. Doch das Erstaunliche: Ds hat besser funktioniert als befürchtet. Ganz klar braucht es eine Übergangsphase bis die Technik steht, die Telefon- und Videotools einwandfrei bedient werden können, neue Regeln für die Zusammenarbeit entstehen, aber dieser weltweit erzwungene Feldversuch hat summa summarum den Beweis erbracht, dass Remote-Arbeit klappt.

Loslassen und Vertrauen schenken, das sind die großen mentalen Herausforderungen der Führungskräfte. Technik beherrschen, Raum und Zeit in Einklang bringen sowie sich selbst organisieren, das sind die großen Herausforderungen der Mitarbeiter. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer haben ihre Aufgaben bisher mit Bravour gemeistert und eine gute Basis geschaffen, auf der sie nun aufsetzen können. Corona hat die Umstellung auf die neue Arbeitswelt stark befeuert.

So manche Firmenchefs nehmen die Krise zum Anlass, sich mehr und mehr von der traditionellen Präsenzkultur zu lösen, mehr Freiräume zuzulassen und dadurch mehr Kreativität und Produktivität zu fördern. Und nicht zuletzt Kosten für Büromieten und Dienstreisen zu sparen. Für das verteilte Arbeiten und Führen auf Distanz sind die Analysen, Tipps und Checklisten in unserem Buch  Überleben in der neuen Arbeitswelt, das wir wohl gemerkt vor der Krise begonnen hatten, heute umso aktueller. Sie helfen nun beiden Seiten, die Ad-hoc-Situation in einen strukturierten, aber flexiblen Dauerzustand zu überführen.


War bis vor wenigen Monaten der Wunsch der Mitarbeiter nach vermehrtem Homeoffice groß, wünschen sich viele nach den langen Wochen am heimischen Schreib- oder sogar Küchentisch das emsige Treiben im Büro, den persönlichen Austausch mit den Kollegen, den morgendlichen Plausch an der Kaffeekanne, selbst den nervigen Bürokollegen zurück. Auch Führungskräfte sind das Führen auf Distanz oftmals leid, frisst es doch enorm viel Zeit und zurück bleibt häufiger ein flaues Gefühl, ob man noch die ganze Mannschaft im Griff hat. Hat die Pandemie das Bestreben der neuen Arbeitswelt nach neuen Bürokonzepten, flexibleren Arbeitsmodellen sowie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eher befeuert oder vielleicht sogar zurückgestoßen?

Es gibt natürlich Pro und Contra. Alle während der Krise durchgeführten Umfragen zeigen, dass die meisten Mitarbeiter nicht mehr ganz ins Büro zurück wechseln wollen. Wir schätzen, dass sich ein mehr oder weniger fester Mix von Heim- und Büroarbeit etablieren wird, zum Beispiel drei Tage offsite und zwei Tage onsite pro Woche oder umgekehrt. So wie wir es erleben, sind die Freiwilligkeit, Flexibilität und Abstimmung besonders wichtig. Nicht alle haben zu Hause einen Raum für einen geeigneten Arbeitsplatz, so manche fühlen sich zu sehr sozial isoliert und andere sind froh, tagsüber die Flucht aus dem häuslichen Umfeld mit den vielen Ablenkungen ergreifen zu können. Sie sehnen sich nach dem persönlichen Austausch und dem festen Rahmen in der Firma. Wieder andere freuen sich über mehr Freizeit durch enorm eingesparte Pendlerzeiten, kurze Wege zur Kita, ungestörtes Arbeiten im Homeoffice. Wir alle sind zum Glück verschieden und haben unterschiedliche Bedürfnisse in unterschiedlichen Lebensphasen.

Gute Zusammenarbeit und Teamspirit sind sowohl von Offenheit als auch von gegenseitigem Vertrauen abhängig. Die neuen flexiblen Arbeitsmodelle sind eine ideale Errungenschaft, um Privat- und Arbeitsleben in unterschiedlichen Lebensphasen miteinander zu vereinen. Von den jüngeren Bewerbern der Generation X und Z wird dieser Anspruch heute als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt.

Nach unserer Beobachtung erkennen viele Führungskräfte und Mitarbeiter, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen, wenn wir sie bewusst gestalten. Mobiles Arbeiten macht uns frei von Ort und Zeit. Klar, vielen von uns fehlt der persönliche Austausch und Smalltalk, der einerseits Orientierung und Impulse bringt, aber anderseits auch viel Zeit frisst. Doch auch Videokonferenzen eignen sich für Socializing und informellen Informationsaustausch. Das erfordert natürlich einiges an Überwindung, Selbstdisziplin und Eigenmotivation. Mit einigen Tricks geht das einfacher als gedacht: Für die Selbstorganisation im Multispace haben wir z. B. die 3-R-Methodik entwickelt: Mit selbstentwickelten Rahmen, Routinen und Ritualen erhalten wir Sicherheit, Effizienz und Bestätigung. Wenn die klaren, oft hierarchischen Ordnungsprinzipien um uns herum wegfallen, sind wir umso mehr gefordert, uns selbst eine gewisse Struktur zu geben, um die Komplexität zu reduzieren. Jetzt können wir uns endlich eine Struktur aussuchen, die am besten zu uns passt.


Insbesondere viele Frauen waren in den letzten Monaten gefordert, den Spagat zwischen Homeoffice und Homeschooling zu bewältigen. Die Work-Life-Balance – ein erklärtes Ziel der neuen Arbeitswelt – kam unter diesen Umständen sicherlich nicht zum Tragen.  Natürlich befinden wir uns aktuell in einer Extremsituation. Was raten Sie selbst als erfahrene Führungskräfte und Managerinnen, insbesondere Arbeitnehmerinnen, um in Zukunft alle Möglichkeiten der neuen Arbeitswelt für sich gewinnbringend auszuschöpfen?

Zunächst einmal ist festzuhalten, mobiles Arbeiten unabhängig vom Geschlecht ist. Im plötzlich verordneten Lockdown im Frühjahr 2020 hatten natürlich die meisten Frauen Mehrarbeit, da ihnen „automatisch“ die Zusatzaufgaben von Homeschooling und Haushalt zufiel. Doch nicht nur sie hatten mehr Stress. Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstitutes Forsa im April/Mai 2020 gaben 42 % der Väter und 49 % der Mütter an Erziehung und Beruf als Stressfaktor zu empfinden, während es vor der Krise „nur“ 33 % der Väter und 47 % der Mütter so beurteilte.

Da sich nun in den Unternehmen die Präsenzkultur zur Ergebniskultur verändert, können Männer genauso wie Frauen im Homeoffice tätig sein und ihren Teil des Familienmanagements – schon aufgrund der eingesparten Pendelzeiten – übernehmen. Da spricht nichts dagegen. Daher möchten wir alle Frauen auffordern, dies aktiv von ihren Partnern einzufordern.

Durch die flexible Arbeitsweise, unabhängig von Zeit und Raum, können die Einzelnen und insbesondere Frauen ihre Arbeits­kraft freier einteilen, ihre individuellen Kompetenzen zielorientierter einbringen und ihre persönlichen Prioritäten besser managen. Gleichzeitig wird es für Frauen leichter, Führung zu übernehmen, da diese nicht mehr durch die reine Demonstration von Macht und physischer Präsenz vor Ort bestimmt wird. Im Gegenteil, die verteilte Arbeit in virtuellen Teams braucht flexibles und vernetztes Denken, Intuition und Organisationstalent, soziale Intelligenz und empathische Kommunikation. Das sind bekanntermaßen weibliche Stärken.

Dazu ein paar Praxistipps aus unserem Buch und Beratungsangebot im Karriere-Coaching von workisfaction:

  • Machen Sie sich Ihre Talente bewusst, entwickeln Sie daraus Ihre eigene fachliche Rolle und übernehmen Sie dafür die Verantwortung im Sinne des kompetenzbasierten Rollenmanagements. Bringen Sie sich für ein messbares Ergebnis für das gesamte Team ein. Da die neue Arbeitswelt die patriarchalischen Hierarchiestrukturen aufbricht, entstehen neue Arbeitsmodelle, Berufsbilder und Aufgaben. Nutzen Sie die Kraft der Veränderungen, denn bei den verteilten Einsatzorten ist der Unternehmenserfolg mehr denn je von vielen unterschiedlichen Fähigkeiten abhängig.
  • Falls Sie sich nicht genug beachtet oder benachteiligt fühlen, achten Sie auf Ihre Sichtbarkeit und lernen Sie „selbst bewusster“ und somit „selbstbewusster“ zu werden. Das ist gerade in Online-Konferenzen gut machbar, wo zu viel Zurückhaltung zu dauerhafter Nichtbeachtung führen kann. Wer schüchtern ist und nichts sagt, wird schnell „unsichtbar“.
  • Stehen Sie zu Ihren Arbeitsbeiträgen und lernen Sie diese durch eine überzeugende Argumentation zu präsentieren – kurz, klar und kompetent. Legen Sie eventuelle Selbstzweifel ab und stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel. Die virtuelle Zusammenarbeit lebt von rhetorisch geschickter und empathischer Kommunikation.
  • Wenn Ihnen die Selbstdarstellung schwerfällt, versuchen Sie nach dem Prinzip „Learning from the best“ vom Verhalten anderer, auch männlicher Kollegen zu lernen. Allein die Körpersprache und die Stimme machen oft den Unterschied. Doch bitte nicht durch Nachahmen und Verstellen der eigenen Natur! Sondern durch die kluge Kombination Ihrer Naturbegabungen mit den Wirkungsmechanismen des Erfolgs – mit Charme und Empathie im Ton sowie mit Fokus und Stärke in der Sache.
  • New Work gibt Female Leadership einen Anschub, da es einen anlassbezogenen adaptiven Führungsstil erfordert. Führen auf Distanz funktioniert nicht mehr mit der hierarchischen Brechstange, nicht mehr alleine durch direktive Ansagen. Wirtschaftspsychologen empfehlen neben dem direktiven auch den visionären, den leistungsbezogenen, den beziehungsorientierten, den demokratischen und den Coaching-Führungsstil, der je nach Kontext anzuwenden ist. Auch das ist eine Chance für mutige, achtsame Frauen.
  • Natürlich gibt es noch viel Nachholbedarf, bis die Gleichbehandlung in den Unternehmen wie in der Gesellschaft erreicht ist, doch nie waren die Chancen größer als heute. Die rechtlichen Grundlagen sind längst geschaffen, wie etwa das Entgelttransparenzgesetz. Deshalb fordern wir die Frauen auf: Kämpfen Sie für Ihre Rechte, für Ihre Karriere, für ein erfülltes Berufsleben und eine gute Work-Life-Balance! Die flexiblen Strukturen der neuen Arbeitswelt bieten Ihnen jetzt (endlich) die Grundlage dafür. Trauen Sie sich!

Um es auf den Punkt zu bringen: Corona – Fluch oder Segen für die neue Arbeitswelt?

An der Krise gibt es nichts zu beschönigen. Sie bringt unermessliches Leid und große Schäden mit sich und schränkt jeden von uns sowohl privat als auch beruflich enorm ein. Allerdings erzwingt sie durch den massiven Änderungsdruck neues Denken und weitreichende Umstellungen in vielen Disziplinen, was andernfalls nicht oder nur langsam passiert wäre. Sie bringt einen enormen Schub für die längst überfällige Digitalisierung und für die Einführung ebenso überfälliger flexibler Arbeitsmodelle. Das birgt sowohl Chancen als auch Risiken für Unternehmen und Individuen.

Für die Wissensarbeiter überwiegen unseres Erachtens ganz klar die Vorteile, wenn die Chancen in der neuen Arbeitswelt erkannt werden. Vielfältige Impulse, Denkanstöße und individuelle Lösungsstrategien dazu finden sie in unserem Buch  Überleben in der neuen Arbeitswelt. An dieser Stelle möchten wir vor allem auf die Darstellung der „Future Skills“ (Zukunftskompetenzen) hinweisen, die für die berufliche Entwicklung jedes Menschen eine gute Leitlinie bieten.

Ein weiterer vorteilhafter Aspekt: Wenn persönliche Präsenz zukünftig beispielsweise an einem Arbeitstag pro Woche ausreichend ist, können für diesen einen Tag auch weitere Anfahrtswege in Kauf genommen werden. Dadurch ergeben sich neue und günstigere Wohnmöglichkeiten und somit Vorteile für Bewohner abseits von den großen Metropolen.


Nach der Pandemie: Was wünschen Sie sich? Welche Punkte, glauben Sie, gilt es unbedingt aufzuarbeiten, damit die Konzepte der neuen Arbeitswelt erfolgreich umgesetzt werden können?

Die unvermittelte Situation in der Arbeitswelt ist eine einmalige Chance für Unternehmen und Mitarbeiter (wenn wir mal von den großen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Pandemiebelastungen absehen). Sie wird den Abbau von Hierarchien und den Aufbau einer Vertrauenskultur beschleunigen, da Führen auf Distanz nur durch partnerschaftliche Kooperation, Eigenverantwortung und Freiräume erfolgreich sein wird. Das erfordert einen Bewusstseinswandel auf allen Ebenen. Jeder kann und sollte dazu beitragen, sowohl die Leistungsfähigkeit und Produktivität hochzuhalten, als auch das berufliche und soziale Leben besser miteinander zu verzahnen.

Gesellschaftlich und volkswirtschaftlich werden die größere Flexibilität, eingesparte Pendlerfahrten sowie reduzierte Büroflächen zu signifikanten ökonomischen und ökologischen Vorteilen führen wie weniger Verkehr, weniger Umweltbelastungen. Hier sind nun neue Konzepte in der Verkehrs- und Städteplanung notwendig.

Gleichzeitig hat die Zwangsdigitalisierung eklatante Mängel in der IT-Ausstattung im privaten und vor allem im öffentlichen Bereich sowie in den Digitalkompetenzen der Anwender offengelegt. Spätestens jetzt ist allen klar, dass der Nachholbedarf und der Handlungsdruck hoch sind. Natürlich bedeutet diese rasante Entwicklung große Nachteile für Menschen, deren Jobs durch Automatisierung und Digitalisierung bedroht sind. Am Arbeitsmarkt wird es daher zu großen Verschiebungen kommen. Wir wünschen uns deshalb mehr Digitalbildung für alle, insbesondere für Kinder aus sozial benachteiligten Familien, flächendeckender Ausbau von schnellem Internet, bessere digitale Ausstattung von Verwaltung und Schulen, Förderung von Mädchen in MINT-Berufen, Lifelong-Learning und Qualifizierung. In Sachen Digitalisierung steht Deutschland auf einem beschämend schlechten Platz in der Welt. Schließlich werden Änderungsfähigkeit, Weiterentwicklung und die dafür notwendige Digitalisierung zum Überlebensprinzip in der Zukunft.

Was noch fehlt ist ein Homeoffice-Gesetz, wie es jetzt diskutiert wird. Einen Rechtsanspruch auf Homeoffice gibt es in Deutschland nicht. Der Gesetzesvorstoß soll nun jedem, der möchte und bei dem es der Arbeitsplatz zulässt, die Arbeit im Homeoffice grundsätzlich gestatten. Nun ist eine rechtliche Grundlage dringend notwendig, insbesondere im Hinblick auf Arbeitsschutz, -sicherheit, -ergonomie und -ausstattung zu Hause sowie steuerliche Berücksichtigung von entsprechenden Investitionen und Heimarbeitsplätzen. Doch sollten daraus keine Zwangsjacke und Bürokratielast entstehen. Statt enger Vorgaben, wie z. B. ein Recht auf 24 Tage Homeoffice, die willkürlich und realitätsfern sind, brauchen wir einen klaren Rechtsrahmen, der zugleich viel Gestaltungsfreiraum für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zulässt. Denn nur die Betroffenen wissen, welche Arbeitsmodelle für sie jeweils sinnvoll sind.

Und eines liegt uns besonders am Herzen: Wir brauchen einen kulturellen Wandel in der Gesellschaft und besonders in den Familien. Ein partnerschaftlich gleichberechtigtes Familienmanagement mit einer Familienarbeitszeit und flexiblen Arbeitsmodellen sind entscheidende Voraussetzungen die Existenzgrundlagen von Frau und Mann bis ins hohe Alter zu sichern. In diesem Sinne, es gibt noch viel zu tun.


ueberleben-in-der-neuen-arbeitswelt-400x400 Überleben in der neuen Arbeitswelt

Desk Sharing, Open Space, Mobiles Arbeiten & Co.
Survival Guide für Manager und Mitarbeiter
ISBN 978-3-96186-040-1

Kamera Vortrag Moritz Gomm

Facebook Live: Vortrag von Moritz Gomm “Gründen in Zeiten von Corona”

 Moritz Gomm ist selbst erfolgreicher Gründer und hat mit seinem 90-Tage-Coaching ein Programm entwickelt, das potenziellen Gründern und allen, die es werden wollen, einen einfachen, aber effektiven Weg in die Selbstständigkeit aufzeigt – ohne dabei gleich den Job kündigen zu müssen.

Doch gerade in der aktuellen Zeit stellt sich natürlich die Frage, ob es sinnvoll ist, ein solches Wagnis einzugehen. Kann ein solcher Schritt in der jetzigen Situation tatsächlich richtig sein?

Ja, sagt Autor und Gründer-Coach  Moritz Gomm. In einem 90-minütigen Live-Vortrag aus der Thalia Buchhandlung Darmstadt, erklärt er auch warum, stellt sein neues Buch  Gründen in 90 Tagen vor und steht anschließend für eine Fragerunde zur Verfügung.

Vortrag von Moritz Gomm auf Facebook Live

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Geschätsmann mit Jetpack auf dem Rücken

Gründen in der Krise? Ja, wann sonst!

Lieber  Herr Gomm, Sie sind selbst erfolgreicher Gründer und haben mit Ihrem 90-Tage-Coaching ein Programm entwickelt, das potenziellen Gründern und allen, die es werden wollen, einen einfachen, aber effektiven Weg in die Selbstständigkeit aufzeigt. Vielen Dank, dass Sie sich unseren Fragen stellen.

Gründen in der Krise – 5 Fragen an Moritz Gomm

In Ihrem Buch  „Gründen in 90 Tagen“ leiten Sie potenzielle Gründer den Weg in die Selbstständigkeit. Gerade in der aktuellen Zeit stellt sich natürlich die Frage, ob es sinnvoll ist, ein solches Wagnis einzugehen. Kann ein solcher Schritt, also Gründen in der Krise, aktuell tatsächlich richtig sein?

Diese Bedenken sind verständlich: Sollte man nicht gerade jetzt auf Nummer sicher gehen und in der Festanstellung bleiben?

Aber: Krisenzeiten sind zwar schlecht, um selbstständig zu sein. Aber sie sind ideal, um sich selbstständig zu machen. Warum?

Erstens brechen in Krisenzeiten alte Bedürfnisse weg, wie etwa jetzt  Langstreckenflüge, und werden durch neue ersetzt, die befriedigt werden wollen – also zukünftig zum Beispiel mehr Urlaub in der Region.

Zweitens ist in Krisenzeiten für Gründer vieles leichter verfügbarer, zum Beispiel qualifizierte Mitarbeiter oder günstiges Marketing, da die Nachfrage der bestehenden Branchen eingebrochen ist.

Drittens hilft den Neugründern der Aufschwung nach der Krise, das eigene Geschäft schneller als sonst auf eine kritische Größe zu bringen. Wenn du gründest, wenn die Wirtschaft gerade am besten läuft, dann nimmst du die nächste Krise voll mit. Daher rate ich anti-zyklisch zu gründen.


Mit dem Begriff „Selbstständigkeit“ assoziieren viele Menschen den Ausspruch „Selbstständig kommt von selbst und ständig“. Ihnen geht es aber mit Ihrem Coaching auch darum, wieder zurück in ein freieres und selbstbestimmtes Leben zu finden. Ist dieses Vorhaben überhaupt mit einer Selbstständigkeit vereinbar?

Für mich kommt erst das Leben und dann die Arbeit, sprich: Die Arbeit sollte dazu dienen, gut zu leben und nicht umgekehrt.

Man kann sich natürlich in der Selbstständigkeit genauso in Arbeit verlieren wie in der Festanstellung. Mein Ziel ist es, dass Menschen ihr Geld mit etwas tun, das sie lieben und das ihnen liegt. Dann fühlt es sich nicht mehr nach “Arbeit” an, sondern nach einem spannenden und erfüllenden Teil deines Lebens, der dir mehr gibt als nimmt.


Was passiert, wenn ich am Ende der 90 Tage feststelle, dass ich die Selbstständigkeit vielleicht doch nicht das Richtige für mich ist?

Für mich wäre das ein phantastisches Ergebnis, wenn du bis dahin – wie so viele – immer mit einer romantischen Vorstellung davon geträumt hast, dich selbstständig zu machen. Wenn du dann erkennst, dass die Anstellung doch das Richtige für dich ist, dann bist du dir über eine wichtige Sache in deinem Leben klarer und kannst dich jetzt darauf konzentrieren, zufrieden in deiner Festanstellung zu werden, indem du dich dort weiterentwickelst, die Postion wechselst oder gleich zu einem anderen Arbeitgeber wechselst.


Sie haben bereits viele Gründer beraten und auf ihrem Weg begleitet. Haben Sie schon potenziellen Gründern von einer Selbstständigkeit abgeraten und wenn ja, warum? Gibt es bestimmte Kriterien oder auch Eigenschaften, bei denen Sie sagen würden: Lass das besser mit Gründung.

Ja, aber meine Kunden kommen da in der Regel selber darauf. Es geht ja meistens erstmal um eine Orientierung: Was will ich eigentlich? Diese Frage können ja erstaunlich viele Menschen nicht für sich beantworten. Daher rate ich ganz bewusst dazu, die Idee einer Selbstständigkeit auszuprobieren, bevor man den alten Job kündigt. Wie fühlt es sich an, Dinge selbst zu erschaffen und viel selber zu machen? Beflügelt mich das oder belastet es mich eher? Ein wichtiges Kriterium ist für mich, ob ein Mensch schon immer mal wieder über die Selbstständigkeit nachgedacht hat oder ob das nur als Mittel gesehen wird, um aus einem unangenehmen Arbeitsverhältnis zu fliehen. Es reicht nicht aus zu wissen, von wo man weg will, man muss auch eine Idee haben, wo man hinmöchte.


Herr Gomm, Sie sind selbst erfolgreicher Gründer, aber auch glücklicher Angestellter. Was sind Sie denn lieber?

Das ist eine sehr gute Frage. Ich habe das Glück, für ein ganz tolles Unternehmen zu arbeiten, in dem es eine sehr positive Unternehmenskultur gibt und das auch in einer 50 Prozent-Stelle. Hier arbeite ich mit Unternehmen zusammen und habe viele sehr smarte Kollegen, mit denen ich mich austausche. In der Selbstständigkeit arbeite ich mit und für Menschen, was ich sehr befriedigend finde und kann meine “Arbeit” vollständig frei einteilen. Aber wenn ich mich nur für eins entscheiden müsste, dann wäre es auf jeden Fall die Selbstständigkeit, wegen der Selbstbestimmung und dem erfüllenden Gefühl, die Dinge selber aufgebaut zu haben.


Cover Gründen in 90 Tagen Gründen in 90 Tagen

Schritt für Schritt in die erfolgreiche Selbstständigkeit – ohne gleich den Job zu kündigen
ISBN 978-3-96186-050-0

Überleben in der neuen Arbeitswelt Hard Facts New Work

Hard Facts New Work

Auszüge aus dem Ratgeber von Ingrid Britz-Averkamp und Christine Eich-Fangmeier

Wer sich in diesen Tagen über die “neue Arbeitswelt” Gedanken macht bzw. machen muss, wird von vielen Schlagworten, Theorien und Experten hören. Gerade als Führungskraft muss man hier am Ball bleiben. Das Buch “Überleben in der neuen Arbeitswelt” (Neuerscheinung im metropolitan Verlag 2020) versteht sich als umfassender Leitfaden, wie das Thema praktisch umgesetzt werden kann.

Hier ein kleiner Einblick:

10 Hard Facts zu New Work

Um einen Eindruck vom Buch zu bekommen, haben wir hier zehn Auszüge – die Hard Facts New Work – zusammengetragen. Sie wurden rund um den Erscheiungstermin des Buches (Anfang September 2020) auf dem LinkedIn-Kanal von metropolitan gepostet.

#1 HARD FACT #SurviveNewWork

Was meinen Sie: Wie viele Menschen in Unternehmen tragen Veränderungen grundsätzlich NICHT mit?
Umfragen zeigen, dass bis zu 90 % (!) der Mitarbeiter Veränderungen verlangsamen oder gar blockieren (73 % sind abwartend und 17 % sind dagegen).*

* Agentur ohne Namen: Time for Change. HR Future Trend 2017, VUCA – eine Herausforderung für Unternehmen. HR Trends 2017. – www.agenturohnenamen.de/fileadmin/user_upload/HR_Future_Trend_2017.pdf

#2 HARD FACT #SurviveNewWork

In Deutschland alleine wurden 2018 fast 850 Milliarden E-Mails (ohne Spam-Mails) ver­sandt – das ist im Vergleich zu 2017 eine 10-prozentige Steigerung. Für das Jahr 2019 wird eine weitere Zunahme erwartet.*
Das bedeutet pro Bundesbürger und Arbeitstag 47 Mails. Bei drei Minuten Bearbeitungszeit ergäbe das rein rechnerisch mehr als zwei Stunden pro Arbeitstag.

* Rabe, l.: Anzahl der versendeten E-Mails in Deutschland pro Jahr bis 2018. Statista 2019. – https://de.statista.com/statistik/daten/studie/392576/umfrage/anzahl-der-versendeten-e-mails-in-deutschland-pro-jahr/

#3 HARD FACT #SurviveNewWork

Wussten Sie, dass wir laut einschlägigen Studien 10 bis 13 % unserer Arbeitszeit mit Suchen verbringen?*
Eine gut durchdachte, vernünftige Ablagestruktur hilft enorm, Zeit für unnötiges Su­chen zu sparen. Schon 5 Minuten weniger Suchzeit am Tag schafft pro Monat einen Frei­raum von 1,5 Stunden für sinnvollere Tätigkeiten (bei 220 Arbeitstagen/Jahr).

* vgl. https://kyocera.blog/kyocera-studie-so-viel-zeit-verbringen-die-deutschen-mit-der-dokumentensuche/

#4 HARD FACT #SurviveNewWork

Bereits 2012 hat das amerikanische IT-Analystenhaus IDC prognostiziert, dass sich das weltweite Datenvolumen bis 2020 alle zwei Jahre verdoppelt und auf 40 Zettabyte stei­gen wird.* Diese Menge soll dem 57-Fachen der Sandkörner an allen Stränden der Erde entsprechen. Bis 2025 soll das weltweite Datenaufkommen von dem bereits hohen Niveau von 33 Zettabyte im Jahr 2018 auf die unvorstellbar hohe Größenordnung von 175 Zettabyte im Jahr 2025 laut IDC ansteigen.** Das ist mehr als eine Verfünffachung in nur sieben Jahren!

* Hase, M.: Unternehmen lassen das Potenzial ihrer Daten brach liegen. Bigdata. Big­data-Insider 2012. – www.bigdata-insider.de/unternehmen-lassen-das-potenzial- ihrer-daten-brach-liegen-a-448162
** Coughlin, T.: 175 Zettabytes By 2025. – www.forbes.com/sites/tomcoughlin/2018/11/27/175-zettabytes-by-2025/#1875364c5459

#5 HARD FACT #SurviveNewWork

In seiner Studie „Delivering Through Diversity“ belegt das Beratungsunternehmen McKinsey* eine klare Korrelation zwischen Frauenanteil und Geschäftserfolg: Bei Un­ternehmen mit besonders ausgeprägter Vielfalt steigt die Wahrscheinlichkeit, über­durchschnittlich profitabel zu sein, um 33 % – bei deutschen Unternehmen mit einem hohen Anteil weiblicher Führungskräfte im Topmanagement verdoppelt sich die Wahr­scheinlichkeit eines überdurchschnittlichen Geschäftserfolgs sogar. Die Förderung von Talenten mit unterschiedlichen Hintergründen, Männer wie Frauen, unterschiedliche Ethnien und wissenschaftliche Hintergründe, ist demzufolge sowohl eine Frage der Ge­rechtigkeit als auch eine Business-Priorität. Gelingen könne Vielfalt am effektivsten, wenn nach objektiven Kriterien befördert werde, zum Beispiel durch den Einsatz von datengestützten People Analytics.

* McKinsey & Company: Neue Studie belegt Zusammenhang zwischen Diversität und Geschäftserfolg. 24.01.2018. – www.mckinsey.com/de/news/presse/neue-studie-belegt-zusammenhang-zwischen-diversitat-und-geschaftserfolg

#6 HARD FACT #SurviveNewWork

Laut der Studie des Fraunhofer Instituts „Wirksame Büro- und Arbeitswelten“ ist „in ,Multispace‘ Arbeitsumgebungen die gelebte Zusammenarbeit statistisch signifikant stärker ausgeprägt als in anderen Bürostrukturen“.*

* Hanner, U./Wackernagel, S.: Kurzbericht zur Studie „Wirksame Büro- und Arbeits­welten“. Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO 2018, S. 12. – http://publica.fraunhofer.de/dokumente/N-494183.html

#7 HARD FACT #SurviveNewWork

Nach dem HR Future Trend 2016 durchlaufen über 60 % der Unternehmen Verände­rungsprozesse. Die drei wichtigsten Gründe für die Veränderungsprozesse sind Kosten­einsparungen (Platz 1), Digitalisierung von Geschäftsprozessen (Platz 2) und zuneh­mender Wettbewerbsdruck (Platz 3). Knapp 40 % der Unternehmen begleiten diese Veränderungsprozesse nicht durch Personalentwicklungsmaßnahmen.*

Die Studie zeigt nicht nur, dass oft die notwendige Begleitung bei Veränderungspro­zessen fehlt, sondern dass ein Großteil der Belegschaft auch als „veränderungsunwil­lig“ wahrgenommen wird. Unfreiwillige Change-Prozesse sind von Störemotionen be­gleitet. In den Unternehmen überwiegen eine abwartende Haltung und Unsicherheit. Auch Angst ist mit 20 % der Angaben ein mächtiger Veränderungsgegner.

* Agentur ohne Namen: Veränderung und Transformation im Windschatten von Digi­talisierung und Industrie 4.0. HR Trends 2016, S. 25. – www.agenturohnenamen.de/fileadmin/user_upload/HR_Future_Trend_2016.pdf

#8 HARD FACT #SurviveNewWork

„Beständig ist nur der Wandel.“ – Diese Weisheit gilt besonders für das heutige mo­derne Arbeits- und Privatleben angesichts der extrem hohen Änderungsgeschwindig­keit und -vielfalt. Doch wussten Sie, dass dieser weise Satz schon vor ca. 2500 Jahren von Heraklit von Ephesus (535–475 v. Chr.) manifestiert wurde? Für den vorsokrati­schen griechischen Philosophen war die Veränderung eine zentrale Eigenschaft unseres Universums. Ein wiederkehrendes Thema war für ihn – neben dem vielfältig interpretier­baren Begriff des „Logos“ – die vernunftgemäße Weltordnung und ihre Erklärung, der natürliche Prozess des beständigen Werdens und Wandels. In späterer Zeit wurde die­ser Wandel auf die populäre Kurzformel „pantha rei“ (alles fließt) zusammengefasst.

 

#9 HARD FACT #SurviveNewWork

Nach dem Statistischen Bundesamt* sind hierzulande fast drei Viertel der erwerbsfähi­gen Frauen berufstätig. Damit belegt Deutschland den zweiten Platz in der EU. Blickt man jedoch in die Leitungsebene deutscher Unternehmen, scheint der wirtschaftliche Zusammenhang kaum erkannt zu werden. „Schlusslicht Deutschland“ heißt auch das Resümee der Studie der deutsch-schwedischen Allbright-Stiftung**, die den Frauenan­teil in den DAX-30-Unternehmen untersucht und mit anderen Ländern verglichen hat. Bei den 100 größten deutschen Familienunternehmen hat die Stiftung ein ähnliches Bild ermittelt: „Am 1. März 2020 sind weniger als 7 Prozent der Mitglieder in den Ge­schäftsführungen Frauen.“ Ihr Anteil in Führungsebenen stagniert oder steigt nur lang­sam. Doch gerade in Zeiten der digitalen Transformation ist es essenziell, Frauen ins Management zu bringen.

* Statistisches Bundesamt: Arbeitsmarkt auf einen Blick – Deutschland und Europa. Ausgabe 2018. – www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Erwerbstaetigkeit/_inhalt.html#sprg230598
** AllBright Stiftung: Die deutschen Familienunternehmen: Traditionsreich und frauen­arm. AllBright Berichte 10.06.2020. – www.allbright-stiftung.de/berichte

#10 HARD FACT #SurviveNewWork

Auf Basis einer mit der Universität St. Gallen durchgeführten Studie veröffentlichte die Deutsche Telekom 2015 25 Thesen zu den „Megatrends digitaler Arbeit der Zukunft“. Die 22. These zu Führen auf Distanz lautet: „Der Abschied von der räumlich verorteten Arbeit geht mit einem Wandel von der Präsenz- zur Ergebniskultur einher. Führungs­kräfte müssen lernen, dass sie mehr motivieren als kontrollieren werden. Die Kunst be­steht darin, persönliche Bindung auch über unpersönliche technische Kanäle aufzu­bauen und zu erhalten.“ *

* https://www.telekom.com/de/medien/medieninformationen/detail/maschinen-werden-kuenftig-kollegen-sein-349222


ueberleben-in-der-neuen-arbeitswelt-400x400-1.pngÜberleben in der neuen Arbeitswelt

Desk Sharing, Open Space, Mobiles Arbeiten & Co.
Survival Guide für Manager und Mitarbeiter
ISBN 978-3-96186-040-1

Cover Fang an zu führen! metropolitan

Sprechen wir über Führung

Mit  Fang an zu führen! haben  Iris van Baarsen und  Sven Hantel „nicht noch ein Buch zum Thema Führung“ vorgelegt, sondern das Buch zum Thema Führung! Denn dieses Buch ist anders! Aufgebaut wie ein Roman ist es Fiktion und Realität gleichermaßen. Obwohl Iris van Baarsen und Sven Hantel vom fiktiven Werdegang ihres Protagonisten Gero zur besseren Führungskraft erzählen, beruhen die Zweifel, Probleme und Fragestellungen, mit denen Gero konfrontiert wird, auf Erfahrungen realer Führungskräfte, die sich täglich den Herausforderungen der Führung von heute stellen.

Im Oktober stellen wir Ihnen nun wöchentlich einen Ausschnitt aus ihrem Buch vor. Im heutigen Beitrag geht es um das Thema Wertediskussion im Unternehmen. Wie steht es in Ihrem Unternehmen darum?

Teil 4: Wie ein gesamtes Unternehmen in die Wertediskussion geht.

GESPRÄCH ZWISCHEN GERO & MAX 

MAX: Das klingt spannend. Wie genau liefen die Werkstätten ab? Und vor allem, wie habt ihr das mit der Schwarmintelligenz umgesetzt?

GERO: Zum Thema Schwarmintelligenz gibt es viele wissenschaftliche Untersuchungen, wobei Fisch- oder Vogelschwärme die drei immer gleichen Regeln aufwiesen, die wir uns schließlich in der Firma zu eigen gemacht hatten.

Regel Nummer eins: Der Schwarm bleibt immer zusammen!
Regel Nummer zwei lautet: Der Schwarm bewegt sich in dieselbe Richtung!
Und die dritte Regel heißt: Der Abstand innerhalb des Schwarms bleibt immer derselbe!

Regel Nummer eins – Der Schwarm bleibt immer zusammen! – haben wir für uns folgendermaßen übersetzt: Es ging uns darum, wie man eine Organisation zusammenhält. Meine These war, dass eine Organisation dann einen starken Zusammenhalt hat, wenn sie gemeinsame Werte lebt. Damit meine ich keine

Image-Kampagne. Werte dürfen keinen Alibi-Charakter haben oder vom Vorstand vorgegeben werden, weil es gerade schick ist. Werte müssen durch das gesamte Unternehmen entstehen, wahrhaftig und in erster Linie vom Management gelebt werden.

Aus der zweiten Regel – Der Schwarm bewegt sich in dieselbe Richtung! – haben wir die Frage abgeleitet: Wann bewegt sich eine Organisation in dieselbe Richtung? Die Antwort ist simpel, wenn sie dieselbe Vision hat und dieselben Ziele verfolgt. Mit Zielen identifizieren sich Menschen bekanntlich dann am besten, wenn es ihre eigenen Ziele sind.

Die dritte Regel – Der Abstand innerhalb des Schwarms bleibt immer derselbe! – haben wir so interpretiert, dass Menschen einerseits die Verbundenheit und Ge- meinschaft brauchen, also den Schwarm, aber innerhalb des Schwarms, genauer gesagt des Teams, genügend Platz benötigen, um sich zu entwickeln und um Potenzial zu leben. Also weniger allgemeingültige Vorschriften, lieber Regeln, die von kleineren Einheiten selbst definiert und deshalb viel eher eingehalten und respektiert werden. Den Abstand im Team zu halten, hat zudem mit Individualität zu tun. Menschen brauchen Gestaltungsspielräume, denn nur da, wo sie etwas gestalten und selbst entscheiden können, sind Menschen lebendig und kreativ.

MAX: Interessant, wie du das Thema Schwarmintelligenz auf die Firma übertragen hast. Ich persönlich glaube auch, dass die Masse oder das Kollektiv, wie du es gerne nennst, intelligenter ist als der Einzelne. Problematisch dabei ist nur, dass diese Meinung nicht alle teilen. Wenn ich an unser Mediengeschäft denke … da will jeder der Erste sein, jeder träumt von DER Exklusiv-Story, die er einmal in seinem Leben schreiben möchte. Und dabei geht es ganz gewiss nicht da- rum, sein Wissen zu teilen, sondern im Gegenteil. Informationen werden geheim gehalten, auch wenn am Ende alle Zeitungen, Nachrichten- und Fernsehsender mehr oder weniger dasselbe bringen. Der Wissensvorsprung bedeutet heute mehr denn je, über den entscheidenden Wettbewerbsvorteil zu verfügen. Somit klingt deine Theorie logisch und einfach, in der Praxis ist sie jedoch selten reales Handeln.

GERO: Es ist aber auch nicht so schwer. Aus meiner Sicht braucht es für einen solchen Ansatz zwei Dinge. Zum einen muss die Unternehmensspitze ihr Ego infrage stellen können. Wann handele ich wirklich zum Wohl des Unternehmens, meiner Mitarbeiter und zum Wohl der Gemeinschaft? Oder sogar etwas weiter gefasst: Wann handele ich zum Wohl unserer Erde? Und zum anderen: Wann geht es ausschließlich um mich?


Tei 3: Wie können wir wirklich kooperativ zusammenarbeiten?

Ich möchte Ihnen an dieser Stelle Connect – es ist Teil der Beyond Leadership Methode – genauer vorstellen. Ich kenne Sie natürlich nicht, nicht Ihre Erfahrungen und nicht Ihr berufliches Umfeld, aber möglicherweise haben Sie das auch schon erlebt, dass tolle Projekte oder gute Ideen gescheitert sind, eine Zusammenarbeit mit einer anderen Abteilung oder sogar innerhalb derselben Abteilung schwierig bis unmöglich war, weil es um Wettkampf und um Macht ging statt um ein konstruktives Miteinander, wobei ein solches Verhalten so- gar der eigentlichen Sache massiv geschadet hatte. Besonders in Organisationen, die ihren hierarchischen Strukturen entsprechende Statussymbole zuordnen, sind Machtspiele ein häufiges Phänomen. Und obwohl es die Organisationen und ihren Mitarbeitern viel Energie und Kraft kostet, wird das Problem liebend gern unter den Teppich gekehrt. Ich zumindest habe das oft erlebt, nicht nur bei Harris, auch bei vielen meiner Mandanten. Es klingt wahnwitzig und ist dennoch traurige Realität, dass es häufiger um die eigene Person geht, den eigenen Erfolg und das eigene Weiterkommen, verbunden mit mehr Gehalt, mehr Entscheidungsmacht, ein größeres Büro oder ein schnelleres Auto, als um das Gemeinwohl des Unternehmens oder gar unserer Gesellschaft.

Wenn ich die Frage Wer bin ich und warum bin ich hier? nicht oberflächlich beantworte, gebe ich anderen die Möglichkeit, mich kennenzulernen und mich einschätzen zu können. Und genau dieses „Einschätzen-Können“ ist die Vorstufe von Ver- trauen.

Ich will Ihnen das an einem Beispiel verdeutlichen:

Stellen Sie sich vor, dass in Ihrem Unternehmen zwei Führungskräfte unterschiedlicher Abteilungen miteinander kooperieren sollen. Die beiden haben verschiedene Fähigkeiten und Kompetenzen. Hinsichtlich ihrer Zusammenarbeit haben beide Führungskräfte grundsätzlich zwei Optionen: Sie können miteinander kooperieren, oder sie können versuchen, den jeweils anderen zu dominieren, um ihre eigene Position zu festigen – vermeintlich zu festigen.

Keiner der beiden kann sich sicher sein, dass der andere nicht dominiert. Sind beide in ihrer persönlichen Struktur eher unsicher und haben weniger Selbstvertrauen, entscheiden sie sich eher dazu, den anderen zu kontrollieren, bevor sie vom anderen dominiert werden. Einer Person mit einem gut ausgebildeten Selbstvertrauen hingegen fällt es meist leichter, den notwendigen Vertrauensvorschuss zu geben. Wenn also, wie in diesem Beispiel, beide den jeweils anderen dominieren, gibt es den größten Reibungsverlust. Machtkampf entsteht und das Ergebnis der Zusammenarbeit kann niemals das Beste sein.

Wenn jedoch einer der beiden kooperieren sollte, gibt es vermutlich weniger Reibung, aber immer noch keine vertrauensvolle Zusammenarbeit und deshalb wieder nicht das beste Ergebnis. Das bestmögliche Ergebnis kann nur dann erreicht werden, wenn beide kooperieren und ihren Machtkampf aufgeben.

Fazit dieses Beispiels: Wenn beide Führungskräfte es schaffen, ihr Ego hintenan- zustellen, sich gegenseitig vertrauen und respektvoll miteinander umgehen, erreichen sie für sich und das Unternehmen langfristig das beste Ergebnis.

  • Unter welchen Bedingungen können Menschen Ihrer Meinung nach wahrhaft vertrauensvoll zusammenarbeiten?
  • Wann haben Sie eine Atmosphäre erlebt, in der es unwichtig war, Ihre Position zu verteidigen? Woran, denken Sie, lag es, dass Sie Ihre „Macht“ nicht klarstellen mussten?
  • Wann hingegen mussten Sie Ihre Position deutlich machen und warum, glauben Sie, war das so?

Bestimmen Sie auf einer Skala von 1 bis 10 den Wert, wie sehr Sie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in Ihrem Umfeld wirklich wollen! Was können Sie konkret dafür tun?


 Teil 2: Was echte Anerkennung mit uns macht

Als Manager habe ich meist – und vielleicht geht es Ihnen ja ähnlich – Anerkennung und Wertschätzung in Form von Tantiemen, Bonuszahlungen, Gehaltserhöhungen oder dem Wechsel auf die nächsthöhere Position erfahren. Diese Art der Anerkennung und Wertschätzung will ich nicht schlechtreden und ich war dankbar dafür, dass ich sie erfahren durfte. Doch es gab in meinem Leben einen Punkt, an dem sie nicht mehr ausreichte.

Eine Anerkennung in Form eines Gesprächs, bei dem mir jemand wirklich zuhörte, sich tatsächlich für mich als Individuum interessierte, für meine Gedanken, meine Ideen und meine Einstellungen, war das, wonach ich mich sehnte, die ich aber bei Harris nie erhielt. Vielleicht hätte ich es einfordern sollen. Doch ich glaubte damals, dass es sinnlos wäre oder sogar, dass ich mich mit diesem Wunsch lächerlich machen würde. Heute weiß ich, dass echte Anerkennung und Wertschätzung – ich rede hier bewusst nicht von Feedback – nichts sind, was einem hierarchischen Ranking unterliegen darf. Es muss für alle Menschen in einer Organisation gelten.

  • Wann haben Sie das letzte Mal eine ehrliche Anerkennung erfahren?
  • Was macht fehlende Anerkennung und Wertschätzung mit Ihnen?
  • Wann haben Sie das letzte Mal die Leistung oder auch nur eine Handlung eines anderen Menschen zutiefst anerkannt und sichtbar gemacht?

Menschen haben ein ganz individuell ausgeprägtes Bedürfnis nach Anerkennung. Dem einen ist es wichtig und er benötigt sie, um motiviert zu bleiben, für andere hin- gegen spielt sie eine geringe Rolle. Doch egal, wie stark ausgeprägt das Bedürfnis nun ist, Anerkennung brauchen wir alle.

Wir wollen als Individuum wahrgenommen und bestätigt werden, im Privat- wie im Berufsleben. Und obwohl das den meisten von uns bewusst ist, geizen wir mit Anerkennung und Lob wie Dagobert Duck mit seinen Talern. Aber wo die Anerkennung fehlt, fühlen sich Menschen irgendwann unsichtbar und vernachlässigt. Ihre Einsatzbereitschaft, ihr Engagement sinkt. Wird der Graben zwischen Anerkennung und Anstrengung zu groß, nimmt der Mensch dieses Ungleichgewicht als Ungerechtigkeit wahr. Die Folgen sind Leistungsabfall, Demotivation und sogar Krankheiten. Denken Sie mal darüber nach.


Teil 1: Werte sind essenziell!

In der Tat hatte ich mich als Wirtschaftsprüfer, der häufig mit Vorschriften, Gesetzen und Rahmenbedingungen zu tun hat, erst sehr spät mit meinen eigenen Gesetzen und Rahmenbedingungen – damit meine ich meine Werte – beschäftigt. Doch selbst, wenn man sich nicht mit den eigenen Werten explizit auseinandersetzt, spürt man ein Unwohlsein, wenn man gegen sie handelt. Und dieses Gefühl bleibt, so lange, bis man es hingenommen hat, abgestumpft ist oder sich aufrafft und beginnt, die Umstände zu verändern.

Die meisten von uns wissen, dass dieses Verändern meist leichter gesagt ist als getan. Ich denke da an eine bestimmte Situation, die mir widerfahren ist, und vielleicht haben Sie Vergleichbares erlebt.

Unterhalb der Partnerebene plante der Vorstand gravierende strukturelle Veränderungen. Sie betrafen das Aufgabengebiet der ersten Managerebene und schränkten deren Entscheidungskompetenzen stark ein. Man konnte davon ausgehen, dass ein Großteil der Betroffenen sich in der neuen Struktur als Verlierer wahrnehmen würde. Ich hatte ein gutes Verhältnis zu meinen Managern und war der Meinung, dass ich sie über die geplanten Veränderungen persönlich informieren sollte.

Als ich mein Vorhaben bei einem Mittagessen in der Kantine mit dem Vorstand zufällig erwähnte, musste dieser schwer an sich halten, um nicht inmitten der Kollegen und Mitarbeiter laut zu werden. Er meinte, das wäre absolut unmöglich. Immerhin betraf die neue Struktur vierhundert Manager, direkt und indirekt sogar die gesamte erste und zweite Ebene. Wenn wir da warten würden, bis alle persönlich informiert wären, wären wir im nächsten Jahr noch damit beschäftigt. Es würde in einer Woche eine Mail vom Vorstand versendet werden, in der alles sehr ausführlich erläutert werden würde. Sollte es Fragen geben, würde die Personalabteilung oder seinetwegen auch wir, als Vorgesetzte, für Rückfragen zur Verfügung stehen. Ich sollte bis dahin die Klappe halten.

Zu weniger Wertschätzung und Respekt hätte er mich nicht zwingen können und obwohl ich überzeugt war, dass dies der falsche Weg war, ließ ich mich zwingen. Ich kommunizierte nicht. Stattdessen trat ich meine Werte mit Füßen. Die Ehrlichkeit hatte sich winselnd in ein stinkendes Loch verkrochen.

Ich hatte mir früher nie Gedanken darüber gemacht, dass ich in solchen Momenten gegen meine Werte handelte. Wie auch? Ich hatte mich mit meinen Werten ja nie wirklich auseinandergesetzt. Seitdem ich es tue, bin ich klarer in dem, was ich tue, und vor allem, warum ich etwas tue, und das ist ein ausnehmend gutes Gefühl.

  • Sind Sie sich Ihrer Werte bewusst?
  • Welche Wertvorstellungen gibt es in Ihrem Leben?
  • Welche Eigenschaften sind Ihnen im Umgang mit anderen Menschen wichtig? Oder mit sich selbst?
  • Wann sind Sie mit Ihren Werten im Einklang?

Wenn Sie sich hinsichtlich Ihrer Werte unsicher sind, können Sie diese kleine Übung (Vgl. Baschab, Thomas: Träume wagen. Ariston Verlag 2015, S. 85.) machen:

ÜBUNG:

Nehmen Sie ein Blatt Papier und teilen Sie es in drei Spalten auf. Schreiben Sie in die erste Spalte drei bis fünf Werte, die für Sie eine große Bedeutung haben (z. B. Integrität, Vertrauen, Strebsamkeit, Erfolg, Professionalität, Freundschaft, Kommunikation usw.). Anschließend tragen Sie in die zweite Spalte Ereignisse oder Situationen ein, in denen Sie sehr glücklich waren, und in der dritten Spalte notieren Sie Situationen, in denen Sie sehr unglücklich waren. Fällt Ihnen jetzt im Zusammenhang mit der ersten Spalte etwas auf?

Aus Werten entstehen Denkmuster, die wiederum das Handeln beeinflussen und letztendlich unseren Charakter beschreiben. Werte sind unsere moralischen Leitlinien und für unser Leben wichtig. Leider haben viele es verlernt oder vergessen, auf die eigenen Werte zu achten – ja, sich überhaupt mit den eigenen Werten auseinanderzusetzen. Mitunter hat man es uns aberzogen oder wir haben es uns abgewöhnt, weil wir glauben, wir kommen „angepasst“ besser durchs Leben. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall.

Werte entstehen in uns. Sie entstehen aufgrund unserer Erfahrungen, unserer Einstellungen und Glaubenssätze. Unsere Werte sind Teil unserer Identität und diese Tatsache sollten wir nicht unterschätzen, sondern gewinnbringend für uns selbst, unser Umfeld und unseren beruflichen Weg einsetzen.

  • Welche Werte vertritt Ihre Organisation?
  • Welche Werte stehen auf der Homepage Ihres Unternehmens?
  • Wie lebt Ihr Unternehmen diese Werte?
  • Passen Ihre Werte zu denen des Unternehmens?

Das schwierige an Werten ist, dass wir sie meist sehr unterschiedlich interpretieren und somit auch unterschiedlich leben. Es ist zweifelhaft, dass alle das gleiche Verständnis für ein und denselben Wert haben. Doch ein Wertesystem besteht vorrangig aus der Summe unserer Handlungen, weshalb Vorbilder enorm wichtig sind. Deshalb ist es weniger von Bedeutung, welche Werte irgendwo schriftlich dokumentiert sind, entscheidend ist, wie Menschen ihre Werte leben und – auf unser Thema bezogen – wie Führungskräfte diese Werte vorleben. Besonders in ihrem engeren Umfeld, denn dort ist der positive Einfluss, den sie nehmen können, am größten.


Cover Titel Fang an zu führen! Führung Fang an zu führen!
Eine Geschichte über Zweifel, Mut und Handeln
ISBN 978-3-96186-033-3

bunker Arbeitsplatz dunkel keller Beitrag 16 Starke Stimme im Homeoffice II

Eine starke Stimme im Homeoffice II

In diesem Beitrag der  Bunker-Chroniken macht sich  Michael Hübler Gedanken darüber, welche Wirkung unsere Stimme hat und wie eine starke Stimme dabei hilft, Ziele leichter zu erreichen.

II Was wir mit unserer starken Stimme erreichen können

Welche Wirkung hat unsere Stimme?

Kann unsere Stimme ein Ziel verfolgen? Unsere Stimme vielleicht nicht. Aber wir selbst wollen logischerweise etwas bewirken. Eine starke Stimme ist dazu unser erstes Instrument.

Wenn wir noch einmal die Skala aus dem  Teil 1 nehmen, können wir die Wirkung unserer Stimmung mit Zielen verknüpfen:

Ihre Stimme Ihre (positiven) Ziele
1.    Beruhigungsstimme Die Zuhörer sollen integriert werden.
2.    Hypnotisierende Trance-Stimme Die Zuhörer sollen in einen Zustand tiefer Zufriedenheit versetzt werden, evtl. um intuitive Wahrheiten zutage zu fördern.
3.    Nachdenkliche Stimme Die Zuhörer sollen zum Nachdenken angeregt werden.
4.    Ruhige Normalstimme Die Zuhörer sollen sich wohl fühlen und Vertrauen aufbauen.
5.    Fröhliche Normalstimme Die Zuhörer sollen Anteil an der Freude des Redners nehmen.
6.    Motivierende Stimme Die Zuhörer sollen aktiv mitdenken.
7.    Mitreißende Stimme Die Zuhörer sollen begreifen, worum es geht.
8.    Bestimmende Stimme Die Zuhörer sollen dem Redner nicht nur gedanklich, sondern später auch mit Taten folgen.
9.    Alarmstimme Die Zuhörer sollen wachgerüttelt werden und entsprechend handeln.

Verständnis zeigen und Gesprächspartner an Bord holen

Auf den Stufen 1 bis 3 befinden wir uns im Bereich der Empathie. Auf der Stufe 1 lädt unsere Stimme dazu ein, an dem gemeinsame Gespräch teilzuhaben. Wohingegen unsere Stimme auf der Stufe 2 eins mit dem Urzustand unserer Zuhörer ist. Auf Stufe 3 gönnen wir unseren Zuhörern eine Pause von unseren Inhalten, um diese zu verdauen. Deshalb verlangsamen wir beispielsweise unser Sprechtempo. Dies könnte einen Dialog mit unserem Publikum anbahnen.

Empathie-Test – starke Stimme

Der folgende Test geht der Empathie in Ihrer Stimme auf den Grund:

0 % 25 % 50 % 75 % 100 %
Ich bekomme oft positive Rückmeldungen über den Klang meiner meiner Stimme.
Es passiert mir regelmäßig, dass sich meine Gesprächspartner für ein angenehmes Gespräch bedanken.
Ich spreche und telefoniere gerne.
In der Regel bin ich in Gesprächen und Telefonaten entspannt.
Ich passe mich häufig der Stimmung meiner Umgebung und der Intonation meines Gegenübers an.
Es fällt mir leicht, anderen zuzuhören, um deren Argumente zu verstehen.
Ich frage regelmäßig nach, um mich zu vergewissern, ob ich das Gesagte richtig verstanden habe.
Ich setze regelmäßig Pausen ein oder verlangsame meine Rede, um meinem Gegenüber Zeit zur Reflexion zu geben.

Einige Tipps, um empathischer zu werden liegen bereits auf der Hand. Sollten Sie und Ihre Stimme sich häufig am oberen Ende der Skala befinden, bietet es sich an, ab und an leiser und langsamer zu sprechen, mehr Pausen einzulegen, die Variation Ihrer Tonmelodie zu reduzieren und die Rhythmik Ihrer Rede in Richtung legato zu formen. Zusätzlich können Sie Fragen einsetzen, um empathischer zu werden.

Zugleich ist es erwiesen, dass Sie mit einer offenen Körperhaltung mehr Informationen aufnehmen als mit einer geschlossenen. Dies gilt auch für unseren Mund. Steht dieser in einer leicht staunenden Haltung offen, werden Sie von ihrem Gesprächspartner mehr mitbekommen als wenn Sie ihn dauerhaft geschlossen halten.

Embodiment

Der Fachbegriff dahinter lautet Embodiment bzw. body oder facial feedback. Wenn Sie etwas auf der Körperebene verändern, z.B. eine Schnute ziehen oder eine traurige Haltung einnehmen, spiegelt sich diese Emotion auch auf der Gefühlsebene wieder, indem Sie nun tatsächlich traurig werden. Ihr Körper wird so zu einer wichtigen intuitiven Informationsquelle. Sie können auch die Mimik ihres Gegenübers nachahmen und so nachempfinden, was dieser spürt oder sogar denkt.

Damit sind wir beim Begriff des Pacings angekommen, einer ursprünglich aus der Hypnotherapie stammenden Technik, um einen sogenannten Rapport herzustellen. Pacing bedeutet, Mimik, Haltungen, Gesten oder die Stimme von ihrem Gegenüber nachzuahmen, um ihm ein Gefühl des tieferen Verständnisses zu geben.

Und schließlich: Lächeln Sie. Wenn Sie lächeln, werden andere Menschen offener. Sie sollten jedoch nicht nur künstlich lächeln, sondern ein Gespräch wirklich als eine gute Möglichkeit des gegenseitigen Austausches betrachten.

Echt, stimmig und glaubhaft sein und das Vertrauen fördern

Dass der mittlere Bereich der Skala als Feld der Ehrlichkeit und Wahrheit bezeichnet wird, wissen Sie bereits. Wer in einem normalen Tempo, in einer normalen Lautstärke, mit normalem Druck in seiner Mmh-Stimme spricht, offenbart damit sein eigentliches Wesen. Im mittleren Bereich soll nichts erzwungen werden. Hier fühlen sie sich wohl. Sie sind mit sich im Reinen. Sie wollen Ihre Zuhörer lediglich zu einem gemeinsamen Gespräch einladen. Während der untere Bereich der Skala aufgrund der stärkeren Empathie meinem Gegenüber gehört und der obere Bereich der eigenen Durchsetzungskraft und damit verstärkt dem eigenen Egoismus, gleicht der mittlere Bereich einer ehrlichen Selbstoffenbarung.

Auch hier bietet sich wieder ein Test zur Reflexion eigenen ehrlichen Stimme an:

0 % 25 % 50 % 75 % 100 %
Meine Stimme gibt mir eine gute Orientierung, wie ich mich fühle.
In der Regel bleibt meine Stimme auch bei langen Reden, unter Druck oder in Konflikten kraftvoll und stabil.
Meine Stimme wirkt selten überdreht oder unnatürlich.
Auch unter Stress wird meine Stimme nicht hektischer oder übertrieben langsam.
Meine Stimme hilft mir dabei, mich in schwierigen Situationen selbst zu regulieren.

Wer gefährdet ist, seine innere Balance und damit seine Integrität zu verlieren, indem er unter Stress zu hektisch, zu laut, zu langsam, zu zögerlich, zu leise, zu undeutlich, zu aggressiv, zu affektiert oder zu aufbrausend spricht, sollte sich dieser Muster bewusst werden. Die Stimme reagiert sofort und ungefiltert auf Situationen und unsere Stimmungen darauf. Eine Situation ist damit nicht nur im außen, sondern auch in uns drinnen. Wir können zwar die mittleren Skalen als normale persönliche Visitenkarte betrachten. Wir haben jedoch auch ein reaktives Stressmuster, entweder im oberen oder unteren Bereich der Skala, das genau so ehrlich wiederspiegelt, wie es uns unter Anspannung geht. So wird der eine bedächtiger, leiser und zögerlicher, die andere lauter, schneller und aggressiver. Erkennen wir also unsere typischen Reaktionsmuster, können wir bewusst gegensteuern, um uns eine peinliche Blöße zu ersparen und unsere positive Wirkung zu erhöhen.

Tipps, um zu Ihrer ehrlichen Basislinie zurückzukommen:

  1. Praktizieren Sie regelmäßige Achtsamkeits- und Atemübungen.
  2. Bereiten Sie sich auf stressige Situationen gut vor. Setzen Sie klare Prioritäten, spielen das Gespräch vorab durch und klären, wer von wem etwas wissen will. Wenn Ihr Gegenüber etwas von Ihnen will, können Sie ganz entspannt bleiben. Arbeiten Sie mit einer Skala von 0 bis 10. Wie stressig wird das Gespräch vermutlich verlaufen und was müssten Sie tun, um beispielsweise von einer 7 auf eine 6 oder 5 herunterzukommen.
  3. Während dem Gespräch:
  • Senden Sie Ihrem Körper Beruhigungssignale, indem Sie Ihr Gesicht entspannen, den Mund öffnen oder sich aktiv entkrampfen, wenn Sie merken, dass Sie angespannt sind. auch das ist über die Distanz des Heimarbeitsplatzes einfacher als vor Ort.
  • Schließen Sie die Augen, um sich besser zu konzentrieren. Das ist im Homeoffice einfacher als vor Ort.
  • Gönnen Sie sich gedankliche Pausen, um zu reflektieren.
  • Fragen Sie nach, wenn Sie etwas nicht verstanden haben. Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten.
  • Denken Sie auch mal laut, wenn ein Gedanke noch nicht spruchreif ist und sagen das auch: Ich denke jetzt mal laut …
  • Erlauben Sie sich, sich noch keine Meinung gebildet zu haben und sagen das ich: Ich werde darüber nachdenken.
  • Erlauben Sie sich zu staunen, anstatt schnelle Bewertungen vorzunehmen und äußern auch, dass Sie überrascht sind.
  • Konzentrieren Sie sich auf das Positive eines Gespräch. Sagen Sie nicht: Ich konnte mich nicht durchsetzen. Sondern: Wir konnten einiges klären.

Sich durchsetzen und die Gesprächspartner mitreißen

Vielleicht dachten Sie beim Thema Ziele des eigenen Stimmeinsatzes als Erstes daran, wie Sie Ihre Stimme nutzen können, um sich durchzusetzen? Darum soll es nun gehen.

Auch hier bietet sich wieder ein Test zur persönlichen Reflexion des Zusammenhangs zwischen der eigenen Stimme und dem persönlichen Durchsetzungsvermögen an:

0 % 25 % 50 % 75 % 100 %
Meine Stimme hilft mir, klare Akzente zu setzen, um gehört zu werden.
Wenn ich kraftvoller spreche, zum Beispiel lauter werde oder staccatohafter spreche, halten meine Gesprächspartner inne.
Laute Geräusche oder weite Räumlichkeiten sind für meine Stimme kein Problem.
Auch in größeren Gruppen oder in Video-Meetings verschaffe ich mir leicht Gehör.
Vor Konfliktgesprächen habe ich keine Angst, weil meine Stimme in der Regel kraftvoll und ausdrucksstark ist.
Ich könnte potentiell meine Gesprächspartner an die Wand reden.

Zum Training der Durchsetzungsfähigkeit bietet sich wiederum der Embodimentansatz an:

  • Sich hinzustellen ist für besonders wichtige Gespräch ein probates Mittel, die eigene stimmliche Präsenz zu erhöhen. In der Regel reicht es, eine offene, gerade Sitzhaltung einzunehmen. Sie sollten dazu den Kopf immer wieder nach oben richten, um Ihren Kehlkopf zu befreien.
  • In Präsenzgesprächen sind wir es gewohnt, allerlei dominante Gesten auszuüben, beispielsweise den Zeigefinder auszufahren, eine Faust zu ballen, mit den Händen einen klaren Schnitt zu machen oder etwas Hindern Sie sich nicht daran. Selbst wenn die Gesten nicht sehbar sind, sind sie doch spürbar.
  • Sie können auch mit den Augen funkeln oder Ihren Fernsprechpartner mit einem stechenden Blick fixieren.
  • Mitten im Satz eine Pause zu machen und eine provozierende Frage zu stellen ist ebenso ein Zeichen von Dominanz.
  • Für eine lässige Dominanz können Sie sich im Stuhl fläzen oder in die Kobrahaltung gehen, indem Sie Ihre Arme jovial hinter dem Kopf verschränken. Und warum nicht einmal gelassen die Füße hochlegen, wenn eine Gespräch am Telefon besonders gut läuft?

bunker Arbeitsplatz dunkel keller

Noch mehr Beiträge aus den Bunker-Chroniken findet ihr
 hier.
Mehr zur Bedeutung unserer Stimme gibt es im  ersten Teil des Beitrags.

 

 


Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

Bei metropolitan von Michael Hübler erschienen:

 Provokant – Authentisch – Agil
Die neue Art zu führen
Wie Sie Mitarbeiter humorvoll aus der Reserve locken
ISBN 978-3-96186-004-3

 New Work: Menschlich – Demokratisch – Agil
Wie Sie Teams und Organisationen erfolgreich in eine digitale Zukunft führen
ISBN 978-3-96186-016-6

 Die Bienen-Strategie und andere tierische Prinzipien
Wie schwarmintelligente Teams Komplexität meistern
ISBN 978-3-96186-031-9

bunker Arbeitsplatz dunkel keller Beitrag 16 Starke Stimme im Homeoffice I

Eine starke Stimme im Homeoffice I

In diesem Beitrag der Bunker-Chroniken – und dem folgenden – macht sich  Michael Hübler Gedanken darüber, welche Wirkung unsere Stimme in virtuellen Besprechungen haben kann. Gerade bei Videokonferenzen kommt es auf kleine Nuancen an, um seine Meinung zu vertreten. Welche Wirkung unsere Stimme im Homeoffice und in der digitalen Welt zukommt, bespricht er im Folgenden.

I Von Stimmproblemen zur Erhöhung der eigenen Wirkung

1 Das Problem mit den Stimmproblemen

Piepsstimme

Hier hat jemand Angst vor seiner eigener Courage.
Lösungen: Machen Sie sich nicht künstlich klein. Denken Sie an etwas Leckeres zu essen und lassen Ihre Stimme mit einem kräftigen Mmh reagieren. Damit finden Sie Ihren Eigenton und kommen weg von einer überhöhten Stimme.

Polterstimme

Hier werden die sanfteren, emotional fragilen Töne übergangen.
Lösungen: Welche Emotionen sind bei Ihnen sonst noch vorhanden und was wollen Sie ihnen sagen?

Scharfe, schneidende Stimme

Hier werden andere (vor-)verurteilt.
Lösungen: Versuchen Sie, sich in Ihr gegenüber hineinzuversetzen. Lassen Sie sich Zeit mit einer Meinungsbildung.

Schrille Stimme

Hier soll ein (künstlicher) Alarm hergestellt werden, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
Lösungen: Auch hier hilft der regelmäßige Bezug zu Ihrem Eigenton mit einem kräftigen Mhhh. Diese Mittellage, ich werde später noch intensiver darauf eingehen, wirkt auf Zuhörer vertrauenserweckend bis beruhigend. Machen Sie sich zudem Gedanken darüber, wann ein Alarm wirklich erforderlich ist.

Undeutliche Aussprache

Hier will vermutlich jemand gar nicht verstanden werden.
Lösungen: Wollen Sie wirklich gehört werden? Was wollen Sie mitteilen? Und was soll schon Schlimmes passieren, wenn Sie Ihre Meinung kundtun?

Zittrige Stimme

Hier kann es sich um eine tiefe emotionale Betroffenheit handeln oder um Unsicherheit.
Lösungen: Bereiten Sie sich besser vor und gestehen sich ein, dass Reden zu halten Übungssache sind. Fokussieren Sie nach einer Rede die positiven Seiten. Sagen Sie nicht zu sich: Ich bin nicht bei den Teilnehmern angekommen, sondern: Niemand hat mich kritisiert. Manchmal sind es die leisen Töne, die nachhaltig wirken. Und oftmals wissen wir gar nicht, was wir wirklich bewegen.

Weinerliche Stimme

Eine weinerliche Stimme fordert zu Mitleid auf.
Lösungen: Überlegen Sie, welches Bedürfnis Sie wirklich haben und äußern dieses.

Kloß im Hals

Ein Kloß im Hals verhindert, dass ich frei heraus sprechen kann.
Lösungen: Überlegen Sie, was so belastend ist, dass es Ihnen den Hals verstopft?

Ständiges Räuspern

Hier bereitet sich jemand, der Angst hat, nicht zu Wort zu kommen, auf seine Rede vor.
Lösungen: Trinken Sie ein Glas Wasser. Oft verschwindet der Drang sich zu räuspern von alleine, wenn man weiterspricht.

Feuchte Aussprache

Hier scheint sich jemand selbst zu überholen.
Lösungen: Sprechen Sie langsamer.

Heiserkeit

Hier hat jemand die Nase voll. Etwas will heraus. Die Welt soll angeschrien werden, was jedoch nicht erlaubt ist.
Lösungen: Äußern Sie auf eine wertschätzende Art, was Ihnen nicht passt oder welche Probleme Sie sehen.

2. Wie unsere Stimme aktiviert oder beruhigt

Wie wirken Sie?

Unsere Stimme kann je nach Modulation ganz unterschiedlich wirken. Sie kann:

  • hoch oder tief und damit alarmierend oder beruhigend sein.
  • kräftig und vollmundig und damit souverän und auffordernd oder schwach, leise und zittrig sein und damit zögerlich wirken.
  •  klar und damit sicher oder verwaschen und nuschelnd sein und damit unsicher wirken.
  • warm und weich und damit mitfühlend oder kalt und hart sein und damit gefühlskalt und distanziert wirken.
  • frisch sein und damit hoch motiviert oder verbraucht und damit bestenfalls erfahrungsschwanger.
  • emotional aufgeregt oder sachlich abgeklärt sein.
  • präsent oder abwesend sein.
  • entspannt und damit Ruhe vermitteln oder gehetzt sein und damit bestenfalls energetisieren und schlimmstenfalls stressen.
  • melodisch und rhythmisch sein und damit mitreißen oder monoton, stockend und holprig sein und damit langweilen und verwirren.

Gerade über die Distanz im Homeoffice ist es wichtig, sich der Wirkung seiner Stimme und Aussprache bewusst zu werden, um Nähe und Bindung herzustellen oder eine klare und stimmige Aussage gerade über die Distanz zu fördern.

Der folgende Fragebogen vermittelt Ihnen eine erste Standortbestimmung zur Überprüfung der eigenen Stimmqualität und des Einsatzes Ihrer Stimme:

0 % 25 % 50 % 75 % 100 %
Meine Stimme ist sicher und fest.
Meine Stimme klingt rund und voll.
Ich spreche unverkrampft und locker.
Mein körperliches Empfinden ich locker und frei von inneren Hemmnissen.
Auch nach langem Sprechen klingt meine Stimme nicht angestrengt. Ich bin selten heiser.
Ich kann auch große Räume stimmlich gut ausfüllen.
Meine Aussprache ich im Allgemeinen klar und deutlich und ich werde gut verstanden.
Ich fühle mich in Sprechsituationen, auch auf einer Bühne, sicher und wohl.
Ich variiere meine Stimme regelmäßig, verändere z. B. das Tempo, den Rhytmus oder die Lautstärke und setze gezielt Betonungen, um eine emotionale Wirkung zu erzielen.
Ich bin nicht nur bei mir, sondern achte auch darauf, wie meine Worte bei meinen Gesprächspartnern ankommen und passe mich den Befindlichkeiten meines Publikums an.
Ich treffe in der Regel das passende Sprechtempo und baue beim Reden genügend Pausen ein, damit meine Zuhörer mit meinen Gedanken mitkommen das Gehörte verarbeiten können.
Ich hake ab und zu nach, ob ich gut verstanden werde.

Aktivierende oder beruhigende Stimmungen erzeugen

Unser Leben wird bestimmt durch Aktivierung und Beruhigung. Eine dauerhafte Aktivierung führt zu Hektik und Stress, eine zu geringe Aktivierung zu Langeweile und Depressionen.

Hören wir einem Redner zu, kann auch dieser uns alleine durch seine Stimme in eine gelangweilte oder euphorische Stimmung versetzen. Die Experten unterscheiden hierzu trophotrope und ergotrope Stimmen. Trophotrope Stimmen wirken beruhigend, monoton, einschläfernd oder hypnotisch, wie wir es bestenfalls aus der Hypnotherapie kennen oder aus regliösen Veranstaltungen, wenn Litaneien oder Mantras gesunden werden oder „geommhht“ wird.

Ergotrope Stimmen hingegen umschwirren uns in der neuen Medienwelt. Wenn wir uns ein wahlloses Video eines hippen jungen YouTubers anschauen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass wir uns in einem Daueralarmismus befinden. Hier scheint es kaum noch normale Tonhöhen zu geben. Manche Menschen wohnen geradezu in den höheren Tonlagen. Der Ton ist offensichtlich in einer Dauermotivationsschleife gefangen. Es heißt schließlich nicht umsonst Dauerwerbesendung. Ich habe mir vor einigen Stunden Mikrofon-Test-Videos angesehen und mir schwirren immer noch die Anfangssätze im Kopf herum: „Hey guys! What‘s up? Here is another video from …“ Alleine die Vorstellung dieser Einstiegssätze in einer monotonen Stimme wiederzugeben (bitte jetzt beim Lesen nachmachen), verdeutlicht das Satirepotenzial einer Welt in Dauererregung.

Im letzten  Artikel zum Thema Stimme ging es bereits um die verschiedenen Möglichkeiten einer Aktivierung der Stimme. Diese Möglichkeiten können wir nun in der Gesamtheit einem aktivierenden Muster zuordnen. Stark ausgeprägte Rhythmen, im Extremfall mit Staccato-Betonungen wie wir sie aus Befehlen in Militärfilmen kennen, eine schnelle Sprechweise, eine hohe Dynamik zwischen laut und leise und eine Variation der Tonhöhen führen zu einer starken Aktivierung unseres Gegenübers. Die Zuhörer sind wach und selbst aktiv dabei. Dies lässt sich sogar anhand der Herzfrequenz messen.

Sanfte Rhythmen, ein gleichmäßiges Sprechtempo mit aneinander gebundenen Wörtern im Legato-Stil, kaum Modulationen zwischen laut und leise und wenig Variationen in den Tonhöhen, es wird also nicht gesungen, wirken beruhigend.

Wie sich aufgrund meiner Kritik an unserer hyperventilierenden Welt bereits vermuten lässt, hat nicht nur der aktivierende Stil seine Berechtigung, sondern auch der beruhigende. Wenn ich „Feuer!“ rufe, sollte es auch brennen. Wenn ich jedoch ständig „Feuer!“ rufe und es brennt gar nicht, nutzt sich die Daueraufregung irgendwann einmal ab.

Daher ist es wichtig, sich klar zu machen, welches Stimmmuster ich wann und wofür verwenden sollte. Das aktivierende Muster eignet sich für Einstiegssätze in Meetings, Begrüßungen, Informationsmitteilungen, der Vermittlung von Begeisterung, Spaß und Engagement, einem kreativen Austausch im Team und dem Ausdruck von Wut, Ärger und Frustrationen. Das beruhigende Muster ist sinnvoll bei Fragestellungen, der Einladung zur Reflexion, der Mitteilung einer Enttäuschung, einem nachdenklichen Feedback oder bei der Ansprache von Kritik und Problemen, ohne dass es im Reiz-Reaktions-Schema zu einer Gegenwehr kommt.

Zwischen einer beruhigenden und aktivierenden Stimmlage befindet sich unsere mehr oder weniger normale Stimme, die wir durch das Summen eines Mhs finden oder wenn wir sagen: „Ich denke jetzt mal laut“, „Nur so ins Blaue gedacht“, „Ich habe mir noch keine Meinung gebildet“, „Da muss ich noch drüber nachdenken“, „Das überrascht mich“ oder „Ich staune“. Diese mittlere Stimmlage will weder deeskalieren oder sich empathisch einfühlen, noch motivieren und begeistern. Hier sind wir bei uns und verfolgen keine direkten Ziele. Deshalb sprechen Stimmexperten in diesem Bereich von unserer ehrlichen Stimmlage, von der sich niemand wie auch immer bedroht fühlen muss.

Diese Stimmlage zu nutzen ist sinnvoll, wenn wir ein Team auf ein wichtige Veränderung oder ein schwieriges Thema vorbereiten wollen, um Vertrauen zu schaffen. Steigen Führungskräfte bei schwierigen Themen zu hoch ein, sind die Mitarbeiter. Sie wissen noch nicht einmal, um was es geht und sollen schon begeistert sein. Steigen Sie zu tief ein, denkt sich der Mitarbeiter: Meine Führungskraft nimmt das selbst nicht ernst. Und die Macht des ersten Moments brauche ich wohl nicht sonderlich erwähnen.

Zur Selbstreflexion bietet es sich an, sich eine Skala zwischen einer extrem aktivierenden und einer extrem beruhigenden Stimme vorzustellen:

  1. Beruhigungs-Stimme
  2. Hypnotisierende Trance-Stimme
  3. Nachdenkliche Stimme
  4. Ruhige Normal-Stimme
  5. Fröhliche Normal-Stimme
  6. Motivierende Stimme
  7. Mitreißende Stimme
  8. Bestimmende Stimme
  9. Alarm-Stimme

Fühlen Sie sich eingeladen, auf der Basis dieser Abstufungen Ihre eigenen kleinen Unterschiede zu finden. Da Sie im Homeoffice niemand beobachtet, kann es nicht schaden, sich diese Skala auszudrucken und neben den Bildschirm zu hängen.

Um von einer monotonen über eine beruhigende bis zu einer mitreißenden Stimme zu kommen, sollten wir uns die verschiedenen Möglichkeiten, mehr Emotionalität in die Stimme zu bekommen, noch einmal genauer anzusehen:

  1. Rhythmik: Eine gewisse Rhythmik zur Herstellung einer Legato-Stimmung brauchen wir für einen beruhigenden oder hypnotischen Vortrag. Je mehr in der Rhythmik das Staccatohafte zunimmt, desto energetisierender wird es. Die Rhythmik spielt damit in unterschiedlicher Weise ab der Stufe zwei eine Rolle.
  2. Tonmelodie: Die Variation der Tonhöhen spricht für eine Lebendigkeit zwischen Freude und Enttäuschung. Je mehr Begeisterung hinzukommt, desto höher werden die Töne. Die Tonmelodie spielt damit spätestens ab Stufe fünf eine wichtige Rolle.
  3. Sprechtempo: Mit der Begeisterung steigt nicht nur die Tonhöhe, sondern auch das Sprechtempo. Auch eine staccatohafte Rhythmik fördert in der Regel die Schnelligkeit. Ein träger Mensch spricht nunmal selten schnell. Auf das Sprechtempo sollten Sie daher ebenso ab Stufe fünf achten.
  4. Lautstärke: Zuletzt steigt die Lautstärke an. Lautstärke ist ein Zeichen von Kraft, Energie und Dominanz und passt daher gut ab Stufe sechs.

Weiter geht es mit Teil II

Im  2. Teil zum Thema „Eine starke Stimme im Homeoffice“ geht es um praktische Tipps zur Erhöhung der Wirkung Ihrer Stimme.


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Noch mehr Beiträge aus den Bunker-Chroniken findet ihr
 hier.
Mehr zur Bedeutung unserer Stimme gibt es im  zweiten Teil des Beitrags.

 

 


Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

Bei metropolitan von Michael Hübler erschienen:

 Provokant – Authentisch – Agil
Die neue Art zu führen
Wie Sie Mitarbeiter humorvoll aus der Reserve locken
ISBN 978-3-96186-004-3

 New Work: Menschlich – Demokratisch – Agil
Wie Sie Teams und Organisationen erfolgreich in eine digitale Zukunft führen
ISBN 978-3-96186-016-6

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ISBN 978-3-96186-031-9

Tastatur Maus Online-Seminar Job-Hunting

Online-Seminar „Job-Hunting“ mit Karriere-Coach Vincent Zeylmans van Emmichoven

Seit 20 Jahren trainiert  Vincent Zeylmans van Emmichoven Fach- und Führungskräfte sowie Personen in der Neuorientierung auf vielfältige Weise – ob in Seminaren, Webinaren, Vorträgen oder in seinen erfolgreichen Fachbüchern. Nun hat der Karriere-Coach und Bestseller-Autor seine gesamte Kompetenz in einem einzigartigen Online-Seminar “Job-Hunting” auf vier Stunden komprimiert.

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Über den Autor

 Vincent G.A. Zeylmans van Emmichoven, Experte in Sachen Bewerbung, gibt Einsteigern, erfahrenen Arbeitnehmern und Quereinsteigern Tipps zum richtigen Verhalten im Bewerbungsgespräch, zum verdeckten Arbeitsmarkt und vielen weiteren spannenden Fragen rund um Bewerbung und Karriere. Als SZ-Jobcoach schreibt er regelmäßig für die Süddeutsche Zeitung.

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 Vincent G.A. Zeylmans van Emmichoven blickt auf eine internationale Karriere als Geschäftsführer mehrerer mittelständischer Unternehmen und Konzerne (u.a. Yves Rocher und Gillette) zurück. Der Karriere-Coach hält als Gastdozent am MCI Management Center Innsbruck Vorträge zum Thema Job-Hunting, verfasst Beiträge für das Magazin FOCUS und ist Kolumnist bei der Süddeutschen Zeitung.

bunker Arbeitsplatz dunkel keller Beitrag 15 die bedeutung unserer stimme in der digitalen welt

Die Bedeutung unserer Stimme im digitalen Zeitalter – Teil II

In diesem Beitrag der Bunker-Chroniken macht sich  Michael Hübler Gedanken über etwas, das wir oft gar nicht bedenken: In Zeiten von digitaler Kommunikation beschränkt sich unsere Präsenz oft auf unsere Stimme. Welche Bedeutung unserer Stimme im digitalen Zeitalter zukommt, bespricht er im Folgenden. Nachdem er sich im  ersten Teil der emotionalen Wirkung unserer Stimme gewidmet hat, um Bindung und Vertrauen aufzubauen, geht es nun um konkrete Möglichkeiten, die Stimme emotional zu modulieren, um die eigene Wirkung zu verfeinern.

II Praktische Tipps zum effektiven Einsatz der Stimme

1. Elemente zur emotionalen Modulation beim Sprechen

Die Arbeit an der eigenen Stimme und damit an der persönlichen Präsenz ist nicht nur ein Thema für Führungskräfte und Teamleiter, sondern sollte auch für andere Mitarbeiter zu einem wichtigen Thema werden. Die Zusammenarbeit über die Distanz zeigt deutlich, dass uns etwas fehlt, wenn wir uns nicht direkt in unserer vollen Schönheit wahrnehmen. Einen Teil dieser emotionalen Lücke lässt sich über die Stimme kompensieren.

Betonungen

Um Emotionen sprachlich zu vermitteln fallen den meisten Menschen als erstes die Betonungen einzelner Begriffe auf.

An einem Beispiel: “Wir müssen das unbedingt bis morgen erledigen.”
Je nachdem, was ich vermitteln will, kann ich die Begriffe in diesem Satz unterschiedlich betonen:

  • Am Anfang: Wir müssen das unbedingt bis morgen erledigen.
  • Das Objekt: Wir müssen das unbedingt bis morgen erledigen.
  • Bedingung 1: Wir müssen das unbedingt bis morgen erledigen.
  • Bedingung 2: Wir müssen das unbedingt bis morgen erledigen.

An diesem einfachen Beispiel zeigt sich, dass ein Satz durch unterschiedliche Betonungen eine jeweils andere Bedeutung bekommt.

Mehrere gleich starke Betonungen in einem Satz klingen zwar seltsam: Wir müssen das unbedingt bis morgen erledigen. Eine leichte Nebenbetonung ist jedoch normal und sinnvoll: Wir (leichte Betonung) müssen das unbedingt bis morgen (starke Betonung) erledigen.

Eine weitere Möglichkeit Akzente zu setzen besteht darin, unübliche Betonungen in einem Wort zu platzieren. Normalerweise erfolgt bei dem Begriff Diskriminierung die Betonung auf der 4. Silbe, also „ich möchte nicht diskriminiert werden“. Betonen wir stattdessen die erste Silbe, bekommt das Wort eine höhere Dringlichkeit: „Ich möchte nicht diskriminiert werden“.

Tonhöhenverlauf

Der Tonhöhenverlauf vermittelt unserem Gegenüber, wann ein Gedanke zu Ende ist. Meist ist dies am Ende eines Satzes der Fall, wenn die Stimme nach unten geht. Ich kann jedoch mit der Modulation des Tonhöhenverlaufs auch Spannung erzeugen oder mit einem Fragezeichen am Ende des Satzes einen Gedanken in der Schwebe halten und den Zuhörer dazu einladen, ihn selbst zu Ende zu bringen. Ein Beispiel: „Meinen Sie nicht auch, dass Emotionen in Gesprächen eine wichtige Rolle spielen?“

Endet die Tonhöhe am Satzende auf einem ähnlichen oder leicht niedrigeren Niveau wie zuvor, bekommt der Gedanke einen dramatischen, warnenden Charakter. Ein Beispiel: „Glauben Sie wirklich, dass das eine gute Idee ist?“

Rhythmus

Wer seine Zuhörer mitnehmen möchte, kann seiner gesamten Rede und damit seiner Stimme einen Rhythmus geben. Denken Sie dabei an Takte, zum Beispiel einen 3/4-Takt. So können Sie mit Ihrer Stimme in jedem dritten Wort einen Akzent setzen: „Wir sollten mit diesem Projekt morgen starten“. Dabei geht es weniger um kraftvolle einzelne Betonungen wie zuvor beschrieben, sondern um die Aussage als Gesamtpaket.

Solche Rhythmen durch eine komplette Rede durchzuhalten, wäre affig. In kurzen Beiträgen, sei es in Distanz- oder Präsenz-Meetings, kann diese Technik durchaus sinnvoll sein.

Klangfarbe

Wir kennen verschiedene Stimmklänge, die zeigen, wie der Sprecher sich fühlt bzw. was er oder sie ausdrücken möchte: dunkel-hell, zart-derb, klar-verhaucht, dünn-voll. Die einfachste Unterscheidung ist vermutlich in einem:

  • sachlichen, neutral-offenen Ton in einer mittleren Tonlage
  • freundlichen, positiven Ton, in einer etwas höheren Tonlage, die eine leichte Begeisterung oder zumindest Einladung ausdrückt
  • verärgerten, angespannten Ton
  • dissonanten Ton, in dem das Gesagte nicht zum Ausdruck passt und damit den Zuhörer verwirrt

Jedes Gefühl verändert die Spannung der Stimmorgane und verursacht damit eine Klangveränderung. Ein zorniger Sprecher klingt oft heiser und hoch, Wohlbefinden äußert sich häufig in einer klaren, vollen Stimme. Wer sich unsicher ist, hat meist eine dünne, zarte Fistelstimme.

Wir können unsere Stimme jedoch auch entsprechend unserer gewünschten Wirkung modulieren. Wir können unheilvoll und mysteriös klingen, wenn ein Projekt zu scheitern droht. Oder zu einer sanften Stimme greifen, wenn ein Ziel noch vage und unklar ist. Und es darf auch mal derb sein, wenn das Team zum xten mal ein Thema diskutiert, das längst abgehakt sein sollte.

Lautstärke

Auch mit Lautstärke wird Bedeutung vermittelt. Jede Veränderung der Lautstärke in beide Richtungen weckt das Interesse des Zuhörers. Lautstärkemodulationen sollten sparsam eingesetzt werden, um nicht künstlich und verwirrend zu wirken.

Mit der Lautstärke sollten wir jedoch vorsichtig sein. Bei Rückfragen reagieren wir häufig mit einer Erhöhung der Lautstärke. Sie kennen das vielleicht aus privaten Kontakten mit älteren Menschen oder ausländischen Mitbürgern. Gerade das Thema Fremdsprachler macht deutlich, wie unsinnig es ist, lauter zu sprechen, um die Verständlichkeit zu erhöhen. Eine deutlichere Aussprache, ein langsameres Sprechen und längere Reflexionspausen wären wesentlich sinnvoller.

Im Telefon- oder Videotelefonie-Kontakt kommt hinzu, dass solche Missverständnisse nicht sofort erkannt werden oder das Gegenüber nichts sagt. Wenn Sie jedoch mehrere Stunden pro Tag in Videokonferenzen sitzen und dabei Ihre Körpersprache durch Lautstärke als kommunikatives Hauptmerkmal ersetzen, ist es nicht ungewöhnlich, wenn Sie am Abend heiser sind.

Geschwindigkeit

Eine Dehnung von Wörtern wirkt eindringlich oder sogar bedrohlich, eine Beschleunigung kennzeichnet Energie und Motivation. Wir sprechen meist eher zu schnell. In manchen Fällen kennen wir selbst die Inhalte bereits in- und auswendig, wenn wir beispielsweise die Ergebnisse eines Projekts vorstellen. In anderen ging uns das Gesagte zumindest schon einmal durch den Kopf, während unsere Zuhörer es erst noch verarbeiten müssen.

Gerade in digitalen Kontexten nehmen wir uns zu wenig Zeit, denn die digitale Uhr des Meetings ist gnadenloser als vor Ort, mein Gegenüber könnte jederzeit ungeduldig werden und ich selbst kann seine Körpersprache schlechter deuten als im Ganzkörpermodus ohne technischen Vermittler. Wer jedoch stetig zu schnell spricht, beraubt sich und seinen Worten eine großartiges Mittel der Dramatik.

Pausen

Während die bisherigen Modulationsmöglichkeiten auch in digitalen Settings noch relativ einfach umzusetzen sind, ist dies beim Einsatz von Pausen schwieriger. Mein Gegenüber sieht meistens nicht, ob ich weitersprechen will und könnte daher – wir kennen das aus zahlreichen virtuellen Meetings – mitten in meine Spannungspause hinein quasseln und damit die gesamte Inszenierung zerstören. Während ich in einem Vortrag mit Live-Kontakt längere Spannungspausen einbauen kann, damit meine Zuhörer das Gesagte reflektieren, muss ich in digitalen Meetings auf kurze Pausen während einem Satz zurückgreifen, um zu verdeutlichen, dass mein Gedanke noch nicht zu Ende gedacht ist: „Egal, wie dieses Projekt endet … wir können jetzt schon mit uns zufrieden sein.“

Sowohl Pausen als auch ein nicht zu träges, aber souverän-langsames Sprechtempo, erhöhen den eigenen Status. Wer es sich leisten kann, sich nicht zu hetzen, gewinnt in den Ohren seiner Zuhörer an Ansehen. Wer es zu eilig hat, signalisiert Angst vor einer Unterbrechung zu haben, weil seine Rede nicht spannend und interessant oder er als Person nicht wichtig genug ist.

2. Machen Sie es Ihrer Stimme leicht

Während wir im Berufsalltag vor Ort stetig unsere Stimme durch Smalltalk in Schwung halten, muss unsere Stimme, vor allem wenn ein Meeting in frühen Morgenstunden stattfindet, von 0 auf 100 hochfahren. Atmen Sie deshalb bevor ein Meeting beginnt sowie grundsätzlich in Redepausen ein paar Mal ruhig und tief bis in den Bauchraum ein und aus. Auch ein paar Gesangseinlagen sind hilfreich, um die Stimme am Morgen in Schwung zu bringen. Oder Sie summen „Mmmh!“ in Ihrer Eigenton-Lage. Diese finden Sie leicht heraus, wenn Sie an eine leckere Tasse Kakao denken oder an Ihr Lieblingsessen. Trinken Sie zwischen Ihren Redeanteilen bewusst einen kleinen Schluck Wasser oder Kräutertee. Grundsätzlich sollten Kaffee, schwarzer Tee, Cola oder Schokolade vermieden werden, da koffeinhaltige Substanzen unseren Mund austrocknen. Auch scharfe Gewürze wie Curry, Paprika oder Pfeffer rauben uns eine gute Stimme. Uns bleibt nicht umsonst bei besonders scharfen Gerichten die Luft weg. Und dass Salz unserem Körper Wasser entzieht, wissen bereits die meisten Menschen.

Haltung

Um Ihre Wirkung auf andere zu erhöhen, ist es gerade im Homeoffice wichtig, auf eine aufrechte Haltung mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu achten. Sie brauchen schließlich auch in Fernmeetings ein gutes Standing bzw. Stehvermögen, einen guten Auftritt oder wollen Ihren Standpunkt deutlich vermitteln. Von einem guten Sitzing und einem kraftvollen Sitzvermögen habe jedenfalls noch nicht gehört, außer Sie wollen ein Thema aussitzen.

Während wir uns im Vor-Ort-Berufsalltag oftmals stehend unterhalten oder uns soziale Konformitätsregeln daran hindern, in einer Sitzung im Sessel zu versacken, ist die Versuchung zu Hause groß, sich im Bürostuhl zu fläzen. Die Wirkung einer aufrechten Haltung lässt sich leicht testen, wenn Sie folgenden Satz einmal mit gebeugter und einmal mit gerader Haltung aussprechen: „Ich möchte dir etwas sagen.“ Eine gebeugte Haltung hat etwas Schwaches, Depressives, Zurückhaltendes. In einer verkrümmten Haltung machen wir es unserer Sätzen schwer, aus unserem Mund zu kriechen. Eine gerade Haltung wirkt klarer und offener. Hier gibt es keine Barrieren, die unsere Worte auf dem Weg von unserem Zwerchfell bis in den Äther überwinden müssen.

Schauen wir uns noch ein paar weitere Übungen an, damit Ihre Stimme auch im Homeoffice nicht zu krächzen beginnt, sondern über viele Stunden kraftvoll bleibt.

Lockerungsübungen

Die meisten Übungen zur Lockerung der Zunge, des Munds und Ihres Zwerchfells, um die Entfaltung Ihrer Stimme zu fördern, sind glücklicherweise so einfach wie bekannt. Stellen Sie sich am besten vor, Sie wären ein frecher kleiner Junge oder freches kleines Mädchen und würden sich im Sommer mit anderen frechen Kindern in der Natur die Zeit vertreiben: Sie schnauben wie ein Pferd oder sagen „brrrr“ wie ein Kutscher. Blasen die Backen auf und lassen sie anschließend mit einem Plopp explodieren. Sie gähnen, wenn Sie die Ideen der anderen langweilig finden. Oder seufzen übertrieben. Sie strecken sich gegenseitig die Zunge heraus und blasen Luft unter der herausgestreckten Zunge durch. Oder Sie kauen die Müsliriegel, die Sie dabei haben, lautstark und exzessiv, bis sie beinahe von selbst von Ihrer Spucke zersetzt werden. Sie sagen laut „ahhh“, singen, summen und pfeifen oder ahmen die Geräusche einer Dampflock nach. Und wenn die Kinder älter werden, werfen sie sich einen Kussmund zu und schmatzen laut dabei.

Ich möchte in diesem Artikel nicht auf die wissenschaftlichen Details eingehen, warum diese Übungen sinnvoll sind. Wenn Sie jedoch Ihre Hand auf Ihren Bauch oder leicht darüber auf Ihr Zwerchfell legen, merken Sie die Kontraktionen in Ihrem Körper, als würden Sie Ihre Organe in ein Fitnessstudio schicken. Genau so wie Sie Ihre Muskeln vor einem Marathon trainieren sollten, gilt dies auch für alle Körperteile, die an einer kraftvollen Stimme beteiligt sind: Mund, Zunge, Kehlkopf, Lunge, Zwerchfell und Bauch.

Zwischenatmung

Wer hektisch ist und daher schnell zwischenatmen muss, saugt aufgrund der Hektik kalte Luft ein, die den Rachenraum reizt. Wer langsamer spricht und den Mund kontinuierlich ein wenig offen stehen lässt, atmet automatisch ein. Deutlich wird dies, wenn Sie laut „t, t, t“ sagen und nach jedem t den Mund offen lassen. Sie merken dann, dass automatisch Luft in Ihre Lungen strömt. Noch besser testen lässt sich beim Schimpfen: „Du Idiot!“ Sagen Sie einmal „Du Idiot“ ganz sachlich und einmal mit einem dicken Ausrufezeichen am Ende. Merken Sie, wie vor allem bei der zweiten Version Ihr Bauch und Ihr Zwerchfell arbeiten durften und die Luft anschließend von alleine wieder in Ihre Lungen strömt? Dies funktioniert mit den meisten kraftvollen Lauten am Ende eines Gedankens oder eines Satzes, beispielsweise ein „Sch“ und spricht dafür, dass Betonungen nicht nur ausdrucksstark machen, sondern auch Ihre Atmung unterstützen.

Anstatt mit einem Atemzug einen ganzen Satz zu vermitteln, sollten Sie sich angewöhnen, Ihre Sätze in Gedanken zu unterteilen: „Wie konnte es nur … so weit kommen?“. Lassen Sie nach dem „nur“ den Mund leicht offen, strömt die Luft beinahe von alleine zurück.

Häufigere Atempausen zu machen, fühlt sich zu Beginn seltsam an. Ihre Stimme wird es Ihnen jedoch danken. Und eine kraftvollere Rede bekommen Sie damit zusätzlich.

Für eine gute Raumatmosphäre sorgen

Eines der Hauptprobleme in Büros, teils auch im Homeoffice, ist die trockene Luft. Ständig Wasser zu trinken ist jedoch nur eine Lösung. Oftmals ist es sogar sinnvoller, den eigenen Speichel hinunterzuschlucken, da dieser sich besser auf den Kehlkopfdeckel legt.

Woran die wenigsten denken, ist für ein gutes, nicht zu trockenes Raumklima zu sorgen. Die Luftfeuchtigkeit sollte zwischen 50 und 65 Prozent liegen. Wenn Sie häufig Probleme mit einer zu trockenen Luft haben, bietet es sich an, sich einen Luftfeuchtigkeitsmesser zulegen. Auch eine regelmäßige Belüftung wirkt oftmals Wunder. Sie kennen dieses Phänomen vielleicht, wenn Sie Husten haben. Bei Bahnfahrten mit trockener Luft wird es meistens schlimmer. Und bei offenem Fenster zu schlafen, ist meist angenehmer. In Büros, die aufgrund des Lärms oder anderer Probleme schlecht zu lüften sind, bietet es sich an, Luftbefeuchter, Wasserschalen oder Wasserpflanzen aufzustellen. Insbesondere im Winter, wenn die trocken-kalte Luft draußen der Luft im Innenraum Feuchtigkeit entzieht, was nicht selten zu einer Luftfeuchtigkeit von unter 30 Prozent führt. Dabei spielt auch die Wärme logischerweise eine wichtige Rolle. Über 22 Grad sollte es nicht haben. Und unter 20 Grad ist es den meisten Menschen ohnehin zu frisch.


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Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

Bei metropolitan von Michael Hübler erschienen:

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Wie Sie Mitarbeiter humorvoll aus der Reserve locken
ISBN 978-3-96186-004-3

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Wie schwarmintelligente Teams Komplexität meistern
ISBN 978-3-96186-031-9

Überleben in der neuen Arbeitswelt taschenmesser

So gelingt der Umstieg in die Arbeitswelt von morgen

Aktueller könnte unsere Neuerscheinung  Überleben in der neuen Arbeitswelt nicht sein! Die Corona-Krise treibt den digitalen Wandel voran und New Work hält zunehmend Einzug in die Arbeitswelt. Alle fragen sich, wie der Umstieg in die Arbeitswelt von morgen gelingen kann.

Hauptziel des Ratgebers ist es, Bewusstsein für die Transformation zu schaffen. Er gibt Führungskräften, Personalverantwortlichen sowie Mitarbeitern durch kreative Denkanstöße und konkreten Praxistipps Hilfestellungen zur Entwicklung individueller Lösungsstrategien an die Hand.

In diesem kurzen Video stellen die Autorinnen  Ingrid Britz-Averkamp und  Christine Eich-Fangmeier den Inhalt vor: Stufe für Stufe begleiten sie die Leser  mit Fachwissen und einer Prise Humor auf dem Weg hin zu Remote und mobiles Arbeiten, verteilten Teams, Selbstorganisation, Homeoffice, neuer Zusammenarbeit und neuem gesunden Führen auf Distanz.

Das Video enthält gemafreie Musik von www.frametraxx.de


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Survival Guide für Manager und Mitarbeiter

So gelingt der Umstieg in die Arbeitswelt von morgen

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Cover Gründen in 90 Tagen metropolitan

Erfolgreich gründen in 90 Tagen

Gehörst du auch zu den Menschen, die unglücklich in ihrer Festanstellung sind und davon träumen, mal „etwas ganz eigenes“ zu machen. Doch wie vielen von ihnen fehlt dir schlicht der Mut, es zu versuchen?

Vielleicht fehlt dir nur ein klarer Weg, wie du dich selbstständig machen können? Dieser Weg müsste es dir erlauben, in der Festanstellung zu bleiben, bis sich die Selbstständigkeit als tragfähig genug erweist.

Gründen in 90 Tagen

Genau diesen Weg möchte  Moritz Gomm in seinem Buch  Gründen in 90 Tagen aufzeigen! Dabei soll der Weg in die Selbstständigkeit dazu dienen, ein zufriedeneres und freieres Leben zu führen und nicht nur dazu, möglichst schnell reich zu werden – und damit in einem neuen Hamsterrad zu landen.

Es gibt zwei Gründe, die jemanden dazu veranlassen, seinen Beruf zu verändern: Leidensdruck und Veränderungsdruck.

Leidensdruck

…entsteht, wenn dich deine Situation über einen längeren Zeitraum so sehr belastet, dass du die Situation dringend verändern möchtest. Der Druck kommt also aus dem Umfeld deiner Arbeit. Beispiele sind Mobbing, eine Arbeit, die nicht zu deinen Kompetenzen passt, unklare Anforderungen, überzogene Leistungserwartungen etc.

Veränderungsdruck

…entsteht, wenn sich aus dir selbst heraus der Wunsch ergibt, etwas Neues zu machen, obwohl es an deiner Arbeitssituation nichts Grundlegendes zu beanstanden gibt. Beispiele sind Menschen, die mit ihrer Arbeit zufrieden sind, aber nach vielen Jahren etwas Neues ausprobieren möchten. Oder Menschen, für die die alte Arbeit durch große Veränderungen in ihrem Leben nicht mehr gut passt, zum Beispiel weil sie jetzt Eltern oder in eine neue Lebensphase gekommen sind. Auch bei Müttern und Vätern, die nach einigen Jahren des Hausfrau-/Hausmannseins wieder arbeiten möchten, ist es in der Regel Veränderungsdruck, der sie antreibt.

Mit dieser Vision entwickelt er das 90-Tage-Programm, dass dich dabei unterstützt, ein erfüllteres und freies Leben zu führen – mit einer „Arbeit“, die du liebst.

Mehr dazu erzählt dir   Moritz Gomm in Teil 1 gerne selbst:


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Schritt für Schritt in eine erfolgreiche Selbstständigkeit – ohne gleich den Job zu kündigen

ISBN 978-3-96186-050-0

bunker Arbeitsplatz dunkel keller Beitrag 14 die bedeutung unserer stimme in der digitalen welt

Die Bedeutung unserer Stimme im digitalen Zeitalter – Teil I

In diesem Beitrag der Bunker-Chroniken – und dem folgenden – macht sich  Michael Hübler Gedanken über etwas, das wir oft gar nicht bedenken: In Zeiten von digitaler Kommunikation beschränkt sich unsere Präsenz oft auf unsere Stimme. Welche Bedeutung unserer Stimme zukommt, bespricht er im Folgenden.

I  Die Bedeutung unserer Stimme in einer Kommunikation auf Distanz

1. Austausch und Lernen im virtuellen Raum

Spätestens seit den 70er Jahren wissen wir, dass – neben dem planvollem Denken – das ganzheitliche Lernen ein weiterer großer evolutionärer Vorteil des Menschen ist. Wir beobachten beispielsweise einen Kollegen, erfassen anhand seines Modells, wie dieser mit Kunden am Telefon spricht, und lernen daraus, ohne dass dieser auch nur einen erläuternden Satz ergänzen muss. Das Modelllernen geht auf die Sozialkognitive Lerntheorie von  Albert Bandura zurück. Danach lernen wir nicht nur anhand der Beobachtungen anderer, sondern auch aufgrund der Vorstellungen unserer eigenen Entwicklung von der Vergangenheit bis in die Zukunft. Anhand des Modells kann der Mensch auch in seine eigene Zukunft schauen, wenn er sich vorstellt, wie er selbst in Zukunft mit Kunden umgehen, seine Stimme modulieren, Pausen oder Betonungen setzen könnte.

Das gleiche gilt logischerweise für jede Lernsituation, für Trainings, in denen Rollenspiele stattfinden, ebenso wie für Teambildungen, Coachings, Supervisionen oder Mediationen. Auch dort lernen wir per Modell auf einer emotionalen, körpersprachlichen, visuellen, akustischen oder kognitiven Ebene.

In virtuellen Meetings reduziert sich der Austausch und damit auch das “Voneinander Lernen” weitgehend auf die visuelle und akustische Ebene. Das Körpersprachliche ist weitgehend abgeschnitten. Auch die Übertragungsraten sind noch nicht so optimal, wie wir uns das wünschen. Oftmals hakt es oder das Bild hinkt dem Ton hinterher. Zudem können wir uns in einem virtuellen Meeting oder Training meist nur auf eine Person konzentrieren. Und selbst das ist schwierig, weil wir beim Sprechen in die Kamera schauen sollten, wodurch wir die Reaktionen der anderen Teilnehmer nicht mitbekommen. Die Schnelligkeit unserer Computer wird in den nächsten Jahren zunehmen und auch die Netzwerke werden stabiler werden, sodass hier bald keine Probleme mehr bestehen. Die restlichen Schwierigkeiten, was beispielsweise die Körpersprache angeht, werden wir jedoch kaum lösen können. Was bleibt ist die Akustik, das heisst der Ausdruck unserer Sprache.

Es geht auch ohne Video

Spannenderweise gilt für die visuelle Wissensvermittlung über Videos eine Aufmerksamkeitsgrenze von etwa fünf Minuten, während ein Lernhörbuch durchaus 25 Minuten lang sein darf. Dies liegt zum einen sicherlich daran, dass wir Hörbücher in anderen Kontexten hören, beispielsweise im Auto auf dem Weg zur Arbeit. Zum anderen können wir jedoch während des Hörens die Augen schließen (im Auto natürlich nicht!) und damit den Lerninhalten entspannt folgen. Daher wäre auch in Meetings in Zukunft zu prüfen, ob eine Videokonferenz immer der beste Weg ist? Wir vergessen bei all der Euphorie für die schönen neuen Möglichkeiten, dass wir immer noch über ein Medium namens “Telefon” verfügen, das uns bisher gute Dienste leistete.

2. Wie unsere Stimme Vertrauen schafft

Ein weiterer Aspekt, der verdeutlicht, wie wichtig der akustische Kanal im Digitalen ist, ist der Transport von Emotionen über unsere Stimme. Kollegen, die viel virtuell kommunizieren, weil sie beispielsweise im Homeoffice sind, fehlt oftmals die Nähe zu- und damit das Vertrauen füreinander. Vertrauen entsteht durch eine längere Beziehung zueinander, in der man sich gegenseitig beschnuppert, die Eigenarten seines Gegenübers kennenlernt, gemeinsam Ziele anstrebt, Projekte vorantreibt (und vielleicht scheitert) und Hindernisse überwindet.

Vertrauen fußt folglich auf dem gemeinsamen Tun und der Einschätzung der Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit des Kollegen. Die jeweiligen Macken spielen dabei nur insofern eine Rolle, als dass ich weiß, dass sie da sind und dass ich einschätzen kann, wann sie auftauchen – wodurch ich in der Lage bin, gut für mich damit umzugehen. Vertrauen in andere bedeutet also, dass die Erwartungen an andere so aussehen, dass ich nicht stetig enttäuscht werde. Dafür ist es unerlässlich, ehrlich zueinander zu sein und die eigenen Erfolge, vor allem jedoch die Fehler und Misserfolge transparent zu machen, um so schnell wie möglich Klarheit zu schaffen und Missverständnisse auszuräumen.

Die Talking-out-loud-Attitüde jüngerer Generationen im Internet mag für ältere Generationen befremdlich sein. Was interessiert es mich, was jemand gerade isst oder in welchem Biergarten er gestern saß. Dieses in seiner Extremform narzisstische Verhalten stetiger Selbstoffenbarung und Ein-Weg-Kommunikation führt jedoch auch dazu, dass wir über unsere Mitmenschen Bescheid wissen. Damit fühlen wir uns ihnen verbunden, was wiederum Nähe und Vertrauen schafft. Folglich wäre es nicht die schlechteste Idee zur Förderung der Teambindung, neben den offiziellen virtuellen Meetings einen Chatroom zur Bildung von Vertrauen einzurichten.

Die Optik kann uns blenden

Ein anderer Weg, wenn wir auf die direkte Kommunikation in virtuellen Meetings zurückkommen, geht über unsere Stimme. Interessanterweise werden Lügen leichter erkannt, wenn wir nur eine Stimme hören, ohne das Gesicht dazu zu sehen. Offensichtlich lassen wir uns durch ein Gesicht leichter blenden. Die Stimme jedoch transportiert die puren Emotionen zu dem Gesagten ohne ein manipulatives Beiwerk. Es macht nunmal einen Unterschied, ob man etwas hört oder sieht von einem Menschen, der groß gewachsen, gut gebaut, gut frisiert ist, einen schicken Anzug, teure Schuhe und eine teure Uhr trägt oder von einem Menschen, der untersetzt und leicht dicklich ist, dem bereits die ersten Haare ausfallen, der vielleicht sogar eine schlechte Haut hat, sich keinen persönlichen Schneider leisten kann und leider mit der Wahl seiner Schuhe ebenso daneben liegt.

Beide Menschen können gleich intelligent und wissend sein. Sie werden jedoch unterschiedlich wahrgenommen. Wie oft ist es Ihnen (vermutlich ebenso wie mir) schon passiert, dass Sie eine Person erst über ihre Stimme kennenlernten und später immens über die optische Person dahinter überrascht wurden? Die Digitalisierung bietet damit auch eine Chance für in den gesellschaftlichen Augen weniger hübsche Menschen, mit ihrer Stimme zu glänzen.

3. Wie unsere Stimme Emotionen vermittelt

Aufgrund des Faktums, dass unsere Stimme so direkt, bar jeder Ablenkung emotional wirkt, vermittelt sie uns auch ein Gefühl der Nähe, des Vertrauens und der Glaubwürdigkeit. Es ist in der Tat so, dass akustische Reize es leichter schaffen, uns emotional zu berühren als visuelle. Dass Musik uns eher zum Weinen bringt als das Bild in einem Museum, ist uns vermutlich allen bewusst. Schließlich heisst es nicht „Welche zehn BILDER würdest du auf eine einsame Insel mitnehmen?“, sondern „Welche zehn MUSIKSTÜCKE“. Die Mischung aus Akustik und Optik in einem Film ist freilich emotional noch mächtiger. Getrennt gewinnt allerdings die Akustik.

Ein Beispiel für die Macht der Akustik

Als ich im Rahmen eines Urlaubs mit meiner Familie vor einigen Jahren Krakau besuchte – ich selbst habe schlesische Wurzeln, weshalb mich Polen grundsätzlich interessiert – besichtigten wir ein Museum in einem ehemaligen Ghetto. Es handelte sich dabei um eine Apotheke, die damals mitten im Ghetto stand und zu konspirativen Treffen der Bewohner genutzt wurde. Das Museum war logischerweise räumlich klein, verfügte jedoch über Telefonhörer, über die wir uns in polnischer Sprache Szenen von damals anhören konnten.

Es heisst zwar, dass ein Bild mehr sagt als 1000 Worte, die Dramatik der eingesprochenen Szenen, auch wenn wir inhaltlich kein Wort verstanden, entfaltete jedoch eine emotionale Wucht, die mit anderen Exponaten des Museums kaum erreicht wurde. Innerhalb weniger Sekunden wurde man hineingezogen in die Welt des Ghettos vor etwa 80 Jahren. Die Stimmen transportierten nicht nur Emotionen der Angst, Unsicherheit oder Wut, die wir natürlich auch heute noch kennen. Das Eingesprochene hätte ebenso – entschlackt von allem historischen Ballast der Optik – gestern stattfinden können und war damit präsenter und aktueller als alles andere in dem Museum. Das Gehörte stand stellvertretend für alle Ghettos der Welt in allen Zeiten. Stimmen und Sprache bekommen damit eine Unvermitteltheit, die uns direkt betrifft.

Negatives kann auch positiv sein

Nun lassen sich über unsere Stimme natürlich nicht nur vermeintlich negative Emotionen und Stimmungen vermitteln (z.B. Angst, Bedenken, Zweifel, Unsicherheit, Unruhe, Nervosität, Skepsis, Überraschung, Wut, Zorn, Ärger, Neid, Trotz, Misstrauen, Entrüstung, Überheblichkeit, Abneigung, Enttäuschung, Verzweiflung, Verlegenheit, Schuldgefühle oder Scham), sondern auch Freude, Begeisterung, Neugier, Stolz, Empathie, Zuneigung, Staunen, Dankbarkeit oder Bewunderung ausdrücken.

In der klassischen Rherotik geht es vermehrt darum, über positive Emotionen sein Publikum mitzuziehen oder ein Produkt zu verkaufen. Mir geht es jedoch darum, echt zu sein, sich dessen bewusst zu sein und damit Bindung, Nähe und Vertrauen zu schaffen.

Übersetzungsbeispiele

Wichtig hierbei ist es also nicht, seine Emotionen zu unterdrücken bzw. in Richtung positivem Optimismus zu forcieren, sondern mir bewusst zu machen, welche Emotionen ich vermittle und was ich damit vermutlich an Signalen aussende:

  • Bin ich unsicher, vermittle ich, dass ich Hilfe brauche. Gleichzeitig signalisiere ich, dass ich das Thema ernst nehme und mir deshalb viele Gedanken mache.
  • Bin ich wütend, gehe ich mit meinem Gegenüber nicht konform und verfolge andere Ziele oder andere Pläne zur gemeinsamen Zielerreichung. Auch hier nehme ich das Thema ernst, wünsche mir jedoch mehr eigene Spielräume.
  • Bin ich enttäuscht, hätte ich mir ein anderes Ergebnis gewünscht, vielleicht auch eine höhere Transparenz in der Kommunikation. Hätte ich früher bzw. prozesshafter von einem Ereignis erfahren, wäre die Enttäuschung evtl. kleiner. Wichtiger als das Ereignis an sich ist ja oftmals der Umgang mit dem Ereignis.
  • Auch Verlegenheits- und Schuldgefühle signalisieren meinem Gegenüber, wie ernst ich bestimmte Regeln nehme. Hätte ich ein Ziel nicht erreicht und hätte dabei keine Schuldgefühle, weil ich vielleicht zu spät mit einer Aufgabe begonnen habe (oder sogar das Gefühl der Scham und damit der eigenen Inkompetenz), würde ich meinen Job wohl nicht ernst genug nehmen.
  • Entrüstung wiederum orientiert sich weniger an einer mangelhaften Zielerreichung, wie beim Ärger, sondern mehr an einer abweichenden Sichtweise von Werten. Offensichtlich lag ein Fehler nicht daran, dass sich jemand nicht genug angestrengt hat. Es lag vielleicht daran, dass Fehler bei uns grundsätzlich ungenügend besprochen werden. In diesem Fall sollten wir über unsere Kommunikation und den Umgang miteinander sprechen. Entrüstung bis hin zur Arroganz hat häufig mit Führung zu tun, wenn Mitarbeiter ihrer Führungskraft vorwerfen, nicht genügend Regeln vorzugeben, damit der Laden läuft. Damit entstehen Freiräume, die es manchen Mitarbeitern leicht machen, auszubüchsen, ohne dafür gerügt zu werden.

Ein praktischer Tipp

Daher ist es wichtig, sich nicht nur klar darüber zu werden, welche emotionalen Signale ich aussende, sondern ebenso der vermittelten Emotion einen Satz zur Klärung hinterher zu schieben (aufgrund des meist unbewusst kritischen Untertons der reinen Emotion). Anstatt einer inhaltlich-emotionalen Unstimmigkeit entsteht dadurch eine Stimmigkeit, die wiederum die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen zueinander herstellt – erst recht über die räumliche Distanz einer digitalen Ferne.

Weiter geht es mit Teil II

Im 2. Teil zum Thema „Die Bedeutung unserer Stimme im digitalen Zeitalter“ geht es um praktische Tipps zur Erhöhung der Wirkung Ihrer Stimme. Diese Tipps lassen sich leicht auch in virtuellen Meetings einsetzen.


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Noch mehr Beiträge aus den Bunker-Chroniken findet ihr
 hier.
Mehr zur Bedeutung unserer Stimme gibt es im  zweiten Teil des Beitrags.

 

 


Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

Bei metropolitan von Michael Hübler erschienen:

 Provokant – Authentisch – Agil
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Wie Sie Mitarbeiter humorvoll aus der Reserve locken
ISBN 978-3-96186-004-3

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ISBN 978-3-96186-016-6

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bunker Arbeitsplatz dunkel keller Beitrag 13 digitalisierung fördert konkurrenz

Digitalisierung fördert Konkurrenz

Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor  Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich mit der Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt!

In gewohnt kritischer, leicht zynischer, aber auch humorvoller Manier reflektiert  Michael Hübler die derzeitige Situation und damit Themen, die ihn bewegen. Er möchte Mut machen, Ablenkung schaffen, vielleicht auch zum Nachdenken anregen in einer aktuell schwierigen Zeit. Eine Zeit, der wir uns als Gesellschaft, Familie, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, aber auch als Freunde und Individuum stellen müssen. Daraus entstehen – mit dem ihm so typischen Augenzwinkern – die Hübler Bunker-Chroniken.

Die Pandemie wirkt selbstverständlich immer noch nach. Besonders das Thema Digitalisierung ist nach wie vor auf dem Tisch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber vor allem von Führungskräften. In diesem Beitrag geht  Michael Hübler einer wichtigen Nebenwirkung auf den Grund und er sieht: die Digitalisierung fördert Konkurrenz.

Wie Corona den Konkurrenzkampf fördert

27. August 2020. Heute morgen kam im Radio die Nachricht: Nachdem in den letzten Monaten maßnahmenbedingt viele Menschen entlassen wurden, erholt sich die deutsche Wirtschaft früher als gedacht. Es werden wieder mehr Mitarbeiter eingestellt. Wird dies zu einem neuen Konkurrenzkampf führen – dieses mal jedoch nicht nur zwischen klassischen Arbeitssuchenden, sondern zwischen klassischen Mitarbeitern auf der einen und bislang Selbstständigen auf der anderen Seite?

Ein paar Nachurlaubs-Gedanken

Was passiert mittel- und langfristig mit all den Selbstständigen, die aktuell am Existenzlimit agieren? In einem früheren Artikel schrieb ich darüber, wie wichtig es für große Firmen ist, sich mit Startups zu vernetzen (siehe  Gedanken über die neue Normalität), um mit Hifle deren Agilität gut durch die Krise zu kommen. Für viele Firmen bietet sich diese Option nicht. Dennoch stehen auch sie vor der Herausforderung, mit dem bisherigen Personal auszukommen, das sich gerade in großen Tankerfirmen eher durch Beständigkeit als durch Flexibilität auszeichnet.

In einer neu-normalen Welt bestehend aus einer distanzierten Zusammenarbeit und stetigen Anpassungen und Herausforderungen wird jedoch das gefordert, was der Zukunftsforscher Horst Opaschowski zur Jahrtausendwende den “Unternehmer im Unternehmen” nannte. Dass uns ein Virus und die darauf folgenden Maßnahmen in diese Welt katapultieren würde, wusste er freilich nicht. Der Unternehmer im Unternehmen ist jedoch schon seit folglich 20 Jahren ein feststehender Begriff, wenn es um Mitarbeiter geht, die

  • selbstständig und selbstmotiviert agieren,
  • unternehmerisch und damit in größeren Zusammenhängen denken und
  • hochgradig flexibel sind.

Heute wird damit landläufig der  agile Mitarbeiter propagiert. Jemand, der fähig ist, sich jederzeit den vorhandenen Umständen anzupassen und dabei noch den eigenen kreativen Stempel aufzudrücken. Kompetenzen, die vor allem Selbstständige haben müssen, sofern sie sich in den letzten Jahren gut am Markt positionieren konnten. Bis jetzt. Bis Covid-19.

Was der eine verliert, gewinnt jemand anderes

Es gibt in Deutschland etwa 1,4 Millionen Selbstständige. Einige davon positionieren sich aktuell neu am Markt. Während sich manche Türen durch die Krise schlossen, gingen andere auf. Ich beispielsweise schrieb in den letzten Monaten mehr als zuvor und nahm diverse Audiobooks auf. Die Digitalisierung vernichtet schließlich nicht nur Jobs, sondern schafft auch Möglichkeiten, die es zuvor nicht gab. Das einfachste Beispiel sind Verkaufsprodukte. Zur Zeit meiner Eltern war deren Haushaltswarenladen in meiner 30.000-Seelen-Heimatstadt beinahe konkurrenzlos. Dies änderte sich zuerst durch die großen Handelsketten und später durch das Internet. Die Welt des Handels ist ein Nullsummenspiel: Was der eine verliert, gewinnt jemand anderes. Je weiter die Digitalisierung voranschreitet, desto mehr Menschen nehmen an diesem Spiel teil. Und während sich meine eigenen Präsenz-Seminar-Angebote wie bei vielen Trainern aufgrund der Fahrtkosten und des Zeitaufwands bislang auf einen bestimmten Radius begrenzten, könnte ich mittlerweile ohne Mehraufwand in Brasilien ein Online-Seminar für deutsche Auswanderer geben.

Die Digitalisierung löst unsere Bindung an Raum und Zeit auf

Ich kann morgens um acht Uhr aufstehen, mir einen Kaffee machen und eine Kleinigkeit essen, von neun bis zwölf Uhr ein Seminar geben und anschließend mit meinen Kindern zu Mittag essen. Wenn wir lernen, unser Arbeitsleben vom Privaten zu trennen, könnte dies ein Teil der schönen neuen Welt sein. Ohne Übergangszeit wird es allerdings nicht funktionieren. Mitarbeiter im Homeoffice machten gerade reihenweise die Erfahrung, wie schwierig gerade diese Trennung ist – noch dazu unter extremen Bedingungen wie der Heimbeschulung inklusive einem doppelten Heimarbeitsplatz in zu wenig Räumen. Selbstständige kennen auch das bereits. Wer nicht gelernt hat, sich hier sauber abzugrenzen und zu organisieren, bekommt tagsüber keine kreativen Ideen und am Abend stattdessen Kopfschmerzen.

Bisher gab es vor allem drei Faktoren, die Selbstständige daran hinderten, wieder ins abhängige Berufsleben einzusteigen:

  1. Die Angst vor Freiheitsverlust: Wer einmal vom süßen Honig der vollkommenen Freiheit naschte, war für immer verdorben. Erfolgreiche Selbstständige verrennen sich lieber in eine neue Idee, die nichts bringt, anstatt sich unterzuordnen.
  2. Das Vorurteil, ein Querkopf zu sein: Dazu passt auf der anderen Seite das Vorurteil der Unternehmen, Selbstständige nicht in Teams einbinden zu können. Ganz unrecht haben sie nicht. Ganz recht jedoch auch nicht.
  3. Die fehlenden Angebote: Wer sich als Selbstständiger ab und an am Markt umsah, stieß in großer Mehrheit entweder auf zeitlich begrenzte Projekte oder auf Vollzeitstellen, die sich kaum mit den eigenen aktuell laufenden Verträgen vereinbaren ließen. So als wollten die Firmen damit aussagen: Wenn schon, dann gehörst du uns zu 100%.

Bisher war der Stolz bei vielen Selbstständigen zu groß, auch in schwierigen Zeiten das bisher Aufgebaute komplett niederzureißen und sich in den Hafen der Sicherheit zu retten. Wer sich über Jahrzehnte eine Existenz aufbaute, gibt dies nicht so einfach auf und beantragt flugs Hartz-4 – wie es Künstlern in Bayern nahe gelegt wurde. Der Lockdown, auch der partiell-drohende, mischt die Karten neu.

Digitalisierung verdoppelt den Aufwand

Als Trainer bereite ich derzeit jedes Seminar doppelt vor: Einmal in Präsenz und einmal mit einer angepassten Didaktik digital. Zudem fallen viele Aufträge ohnehin weg, weil einigen Firmen der Aufwand zu groß ist, sich nach größeren Räumen umzusehen und Termine doppelt zu blocken. Ähnliches gilt für alle Freiberufler, die mit Menschen zu tun haben: Moderatoren, Mediatioren, Coaches, Therapeuten, Musiker, Hebammen, Pfleger, Masseure, Berater oder Architekten, um eine kleine Auswahl zu nennen. Ich habe das Gefühl, die ständigen terminlichen Umbuchungen mancher Dienstleister zogen einen größeren Aufwand nach sich als die tatsächliche Arbeit.

Für einen begrenzten Zeitraum erscheint es mit Hilfe einiger Rücklagen und einer Menge Beharrlichkeit möglich, durchzuhalten. Die letzten Monate zeigten uns jedoch, wie schnell selbst Freiberuflern mit einem ehemals dicken Polster das Wasser in den Mund läuft. Von der nervlichen Belastung ganz zu schweigen. Sollte es mit den Maßnahmen so weiter gehen, könnten sich einige Selbstständige überlegen, sich doch wieder auf den Markt für Angestellte zu werfen. Kommt es dann zu einem Konkurrenzkampf zwischen Freiberuflern und wechselnden Mitarbeitern?

Was kommt auf uns zu?

Gleichzeitig wird die Loyalität und Beständigkeit, die früher einen guten Mitarbeiter ausmachte, immer weniger wichtig. Die Flexibilität und das initiative Denken eines Selbstständigen wird nun auch von den bisherigen Mitarbeitern mehr und mehr gefordert. Wenn Mitarbeiter in Zukunft zwei Drittel ihrer Arbeitszeit im Homeoffice verbringen, bleibt ihnen schließlich nichts anderes übrig. Was liegt da näher, als das “Original” zu nehmen, das dann allerdings re-sozialisiert werden muss, damit der Anschluss ans Unternehmen passt?

Und schließlich stellt sich die Frage, wie der Markt auf Selbständige reagiert, die sich nicht zu 100% binden wollen? Werden Stellenangebote angepasst oder nicht? Ein guter Freelancer ist nicht scheinselbstständig, sondern verfügt auch in der Krise über einige Aufträge, wenn auch weniger als zuvor, die er nicht aufgeben möchte.

Fazit

Sollte sich die deutsche Wirtschaft wieder nachhaltig erholen, nimmt auch der Konkurrenzkampf zwischen Selbstständigen und klassischen Mitarbeitern an Fahrt auf. Unternehmen sollten sich daher bereits jetzt Gedanken darüber machen, wie sie ihre Teams am besten zusammenstellen, wieviel Selbstständigkeit, Flexibilität und Beständigkeit sie gerne hätten und ob sie lieber klassischen Mitarbeitern mehr Agilität beibringen oder Freiberufler re-sozialisieren wollen.

Überleben in der neuen Arbeitswelt taschenmesser

Hilfe, mein Schreibtisch ist weg!

Überleben in der neuen Arbeitswelt

Der brandneue Titel im metropolitan Verlag könnte aktueller nicht sein. Das Buch  Überleben in der neuen Arbeitswelt (vorab schon als  E-Book erhältlich!) wendet sich den Themen zu, die durch die Corona-/COVID-19-Pandemie für nahezu alle Geschäfts- und Wirtschaftsbereiche in den Vordergrund gerückt sind: Mobiles Arbeiten, Desk Sharing, Homeoffice & Co.

Ein Survival Guide für Manager und Mitarbeiter

In der Sandwichposition zwischen Unternehmensvorgaben und heterogenen Personalanforderungen haben Führungskräfte einen Balanceakt zu vollziehen. Sie müssen sowohl sich selbst umstellen und die Mitarbeiter in die neue Arbeitswelt führen als auch unvermindert hohe Wertbeiträge liefern. Ihr Spannungsfeld ist von Zeit-, Ergebnis-, Kosten-, Verantwortungs- und Veränderungsdruck geprägt. Sie müssen mit den Ängsten und Sorgen, vielleicht auch einer internen Rebellion fertig werden, und die Menschen, ob jung oder alt, ob digital oder analog, mitnehmen, „enablen“ und motivieren. Dazu braucht es eine neue Art der Zusammenarbeit in virtuellen verteilten Teams, eine Vertrauenskultur und einen kooperativen Führungsstil.

Überleben in der neuen ArbeitsweltAber die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen stehen vor großen Herausforderungen. Ihnen steht ein massive Eingriff in ihr Berufs- und Privatleben bevor, müssen sie sich doch auf mobiles, agiles, aber auch eigenverantwortliches Arbeiten umstellen. Eine disruptive Veränderung, die vielfach Unsicherheit, Angst und sogar innere Kündigung hervorruft. Konfrontiert mit dem Verlust des eigenen Schreibtisches und Rückzugsraums, multioptionalen Bürostrukturen, dem Auseinanderdriften der „Bürofamilie“, vollständig digitalen Abläufen und Kommunikationswegen, müssen sich die Menschen laufend neu orientieren. Künftig an wechselnden Arbeitsorten mehr auf sich alleine gestellt, haben sie die Aufgabe, sich selbst zu organisieren, Raum und Zeit in Einklang zu bringen und mit digitalen Kompetenzen autark und ergebnisorientiert zu arbeiten. Da jeder zum eigenen Projektmanager mutieren soll, lassen sich aber auch die neuen Freiräume persönlich nutzen. Mit einer gehörigen Portion (Selbst-)Organisation rückt sogar das Ziel der individuellen Work-Life-Balance näher.

Es gibt also viel zu verlieren – und viel zu gewinnen, für Arbeitgeber gleichermaßen wie für Arbeitnehmer. Läuft die Transformation zu Arbeiten 4.0 gut, steigen Produktivität, Zufriedenheit und Mitarbeiterbindung. Läuft sie schlecht, kann sie zu massiven Motivationsproblemen, sozialer Isolation, Qualitäts- und Produktivitätsverlusten führen. Der Handlungsdruck ist groß.

Besonderer Fokus auf die aktuelle Situation

Gerade in der letzten Phase des Entstehungsprozesses, setzte die Corona Pandemie ein – und COVID-19 schuf eine besondere Situation. Diese sollte zwar das Buch in seinen Ansätzen nicht verändern, brachte eine zusätzliche Brisanz und Dynamik in das Thema, die die Autorinnen noch in vollem Umfang einbauen konnten.

Autorinnen & Expertinnen: Ingrid Britz-Averkamp und Christine Eich-Fangmeier

Als Führungskräfte und Manager haben die Autorinnen –  Ingrid Britz-Averkamp und  Christine Eich-Fangmeier – über viele Jahre Erfahrungen sammeln können. Diese wollen sie nun weitergeben. Sie empfehlen eindringlich, die Menschen frühzeitig einzubinden, und genug Zeit zum Ausprobieren, zur Selbst- und Teamfindung einzuräumen. Ebenso soll man sie mit gezielter Kommunikation und Weiterbildung unterstützen sowie laufend Anpassungen vorzunehmen. Mit Praxistests und humorvollen Szenarien vermitteln sie stufenweise Zuversicht durch Einsicht. In der Praxis oft allein gelassen, verunsichert und verärgert, bekommen die Menschen mit diesem modularen Ratgeber wertvolle Unterstützung an die Hand. Erstmals zeigt ein Sachbuch das gesamte Dilemma der Umstellung auf New Work aus Manager- und Mitarbeitersicht auf, analytisch, kritisch und praxisnah.

Leseprobe von Überleben in der neuen Arbeitswelt

Überleben in der neuen Arbeitswelt Cover

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Einen kleinen Einblick ins Buch erhalten Sie auch in unseren  10 Hard Facts zu New Work

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Survive NewWork

Den drastischen Umbruch zu New Work meistern – so geht’s!

New Work hält überall Einzug mit offenen, flexiblen Raum- und Arbeitskonzepten, orts- und zeitungebundener Zusammenarbeit in verteilten Teams und vermehrter Homeoffice-Arbeit. Was einerseits enorme Innovations- und Einsparpotenziale verspricht, birgt andererseits Risiken wie HR-Probleme, Gesundheitsbelastungen und Produktivitätseinbußen.

Überleben in der neuen Arbeitswelt

Die disruptiven Veränderungen führen zu Umstellungsdruck und Unsicherheiten bei den Mitarbeitern, müssen sie sich doch auf den Verlust ihres eigenen Schreibtisches und das Auseinanderdriften der „Bürofamilie“ einstellen, komplett digitale, virtuelle Prozesse beherrschen lernen und sich den ständigen Änderungen anpassen. Die Hauptlast tragen dabei die Führungskräfte, Teamleiter und Personalverantwortliche – in ihrer Sandwichposition zwischen hohen Unternehmenszielen und heterogenen Mitarbeiteransprüchen.

Mit Fachwissen und Humor analysieren die Autorinnen die Veränderungen auf allen Ebenen. In diesem modular aufgebauten Ratgeber geben sie Führungskräften ein „Survival Kit“ mit erkenntnisreichen Selbsttests und Praxistipps für jede Stufe der Transformation an die Hand – von der Neuorientierung über die Eigenmotivation und Homeoffice-Organisation bis zu Teambuilding und neuem gesunden Führen.

Rezensionen zu Überleben in der neuen Arbeitswelt

„Dieses Buch bietet im Sinne eines ‚Survival Trainings für Manager und Mitarbeiter‘ wichtige Erkenntnisse sowie praxisrelevante Anschlusspunkte und liefert nicht nur eine Erweiterung von Wissen, sondern einen Schatz möglicher (Denk-)Impulse.“ – Prof. Dr. Thomas Kühn, International Psychoanalytic University Berlin

„Endlich beginnen wir, in den Mittelpunkt der Wirtschaft zu stellen, was dort schon immer hingehörte: den Menschen! Die Analysen der beiden Autorinnen sind ermutigend und ihre Lösungsvorschläge machen sofort Lust auf die Umsetzung. Eine klare Leseempfehlung für Fach- und Führungskräfte, die jetzt die Weichen neu stellen wollen.“ – Henrike von Platen, CEO/Founder FPI Fair Pay Innovation Lab, Berlin

Autorinnen

Ingrid Britz-Averkamp hat nach dem Hochschulstudium der Sprach- und Wirtschaftswissenschaften internationale Fach- und Managementerfahrung in IKT- und Consultingunternehmen gesammelt. Daneben hat sie ihre eigene Kommunikationsbera­tung im Hightech-Markt gegründet und erfolgreich länderüber­greifend ausgebaut. Ihre Expertise im Bereich Geschäftsleitung, Personalführung und Transformationsprozesse fließt in ihre Sachbücher und Workshops ein: Die umwälzenden Veränderun­gen in der digitalen Arbeits- und Lebenswelt für mehr Geschäfts­erfolg und Mitarbeiterzufriedenheit umzugestalten, ist die Ziel­setzung des workisfaction Beratungskonzepts.

Christine Eich-Fangmeier kann als diplomierte Informatikerin und Senior HR-Expertin auf Erfahrungen in der strategischen Personalabteilung eines Versicherungskonzerns zurückgreifen. Sie kennt die Herausforderungen von New Work von beiden Sei­ten (Arbeitgeber- und Arbeitnehmersicht). Mithilfe von Ratge­bern, Coachings und Workshops unterstützt sie Führungskräfte und Mitarbeiter, den Wandel in die neue Arbeitswelt zu meistern und sich daraus ergebende Chancen zu nutzen. Und das ist die workisfaction-Idee: Wer besser klarkommt, hat einfach mehr von der Arbeit. Mehr Erfolg, mehr Anerkennung, mehr Spaß.

„Uns verbindet das gemeinsame Anliegen, die Mitarbeiter in den Unternehmen als Men­schen wertzuschätzen und zu einem selbstbestimmten Leben in der ,schönen‘ neuen Ar­beitswelt zu befähigen. Wir wollen ihre Arbeitserfolge ebenso fördern wie ihr Wohlbefin­den, bedingt doch das eine das andere. Nur wer in seiner Tätigkeit und Umgebung Vertrauen fasst, sicher und flexibel agiert und Sinnhaftigkeit sieht, kann zu einem erfüll­ten Berufs- und Privatleben finden. Dieses Ziel scheint durch die Einführung neuer, fle­xibler Raum- und Arbeitskonzepte infrage gestellt, bringen sie doch vielfältige Unsicher­heiten und gesundheitliche Gefahren mit sich. Gleichwohl bietet das Konzept New Work große Potenziale, wie die Chance auf eine gesunde Balance von Arbeiten und Leben. Das erfordert allerdings eine gehörige Portion Selbstorganisation und -motivation, Planungs- und Lösungskompetenz. Der erfolgreiche Wandel in die neue Arbeitswelt ist ein Kraftakt, der nur von allen Seiten gemeinsam – von der Unternehmensleitung, den Managern auf allen Ebenen und von jedem Betroffenen – gemeistert werden kann.“

bunker Arbeitsplatz dunkel keller Beitrag 12

Personalabteilungen in einer digitalen Welt

Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor  Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich gezwungenermaßen mit der vielfältigen Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt!

In gewohnt kritischer, leicht zynischer, aber auch humorvoller Manier beschäftigt sich  Michael Hübler mit der derzeitigen Situation und reflektiert über Themen, die ihn bewegen. Damit möchte er Mut machen, Ablenkung schaffen, vielleicht auch zum Nachdenken anregen in einer aktuell schwierigen Zeit, der wir uns als Gesellschaft, Familie, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, aber auch als Freunde und Individuum stellen müssen. Daraus entstehen – mit dem ihm so typischen Augenzwinkern – die Hübler Bunker-Chroniken.

Bisher ging es zumeist um die Probleme der Führungskräfte und Mitarbeiter in Corona-Zeiten. Doch dass diese Zeit auch ganz besondere Herausforderungen an die Personalabteilungen stellt, blieb bislang noch unbeachtet. Im heutigen Beitrag setzt sich  Michael Hübler genau damit auseinander: Personalabteilungen in deiner digitalen Welt.

Die Digitalisierung und daraus resultierende Anforderungen

Die Megatrends der Digitalisierung, mobiles Arbeiten, Homeoffice, Big Data, die Nutzung künstlicher Intelligenz für die Auswahl von Bewerbern, das Outsourcing von Aufgaben der Personalabteilungen beispielsweise an Headhunting-Firmen, wird durch die Corona-Maßnahmen lediglich verstärkt. Man könnte auch sagen, dass dadurch der Knoten geplatzt ist und wir nun schauen müssen, wie wir mit diesem Platzen umgehen. Die Digitalisierung sollte schon seit 15 Jahren kommen. Jetzt ist sie da. Die Haufe-Studie „Wir nach Corona“ unterfüttert dies mit der Erkenntnis, dass 49 Prozent der befragten Unternehmen in Zukunft mehr in die Digitalisierung investieren wollen. Und 70 Prozent sehen hier noch eine Menge Luft nach oben. Wer hätte das gedacht?

Die gleiche Studie zeigt allerdings auch, dass der Megatrend Zusammenarbeit auf Distanz  ebenso zum Willen vieler Firmen führt, die Mitarbeiter noch stärker als bisher zu mehr Selbstorganisation, Flexibilität und Eigeninitiative anzuleiten, aber auch die Bindung zum Unternehmen zu fördern und auf der Führungsseite mehr Vertrauen und Transparenz im Zuge einer erzwungenen Führung auf Distanz anzustreben. Wer seine Mitarbeiter nur digital zu Gesicht bekommt, kann gar nicht anders, als mit Vertrauen zu arbeiten.

Wo also geht es hin mit einem Personalmanagement in digitalen Zeiten? Bereits die Verwendung verschiedener Begriffe zeigt an, dass es hierzu ganz unterschiedliche Ansätze gibt. Während Personalmanagement eher altbacken klingt – ich verwende es dennoch, weil damit jeder weiß, was gemeint ist –, bezieht sich der Begriff Human Ressource Management auf die Ressource Mensch, für mich persönlich auch ein wenig seltsam. Dann wären da noch People-Engagement Management oder People-Enthusement Management, zu deutsch Personaleinsatzmanagement oder Personalbegeisterungsmanagement. Wow! Was sich in den USA gut verkaufen lässt, hat es erfahrungsgemäß in Deutschland schwer. Dabei veränderte sich die Rolle der Personalabteilung in den letzten Jahrzehnten erheblich:

1970er-Jahre: Polite (nett)
1980er-Jahre: Police (zu Einhaltung von Regeln)
1990er-Jahre: Partner (zur Unterstützung bei der Weiterentwicklung der Mitarbeiter)
heute: Player (als Gestalter bei der Suche nach neuen Kräften)

Vielleicht kommt sogar der Begriff Personalentwicklung als Teil der Personalabteilung dem Player und dem Begeiter am nächsten.

Dass hier in Deutschland noch Luft nach oben ist, zeigt eine Studie zur Zufriedenheit in der Zusammenarbeit im internationalen Vergleich. Deutschland steht bezogen auf die Zusammenarbeit eher im hinteren Bereich zwischen noch negativeren Werten in der Türkei und den USA und positiveren Werten in Russland, China, Indien und Brasilien. Neben einer kritischeren Bewertung des Arbeitsklimas, zeigt sich vor allem, dass in Deutschland und der Türkei die Aussagen „Für gute Leistungen erhalte ich von meinem Vorgesetzten Lob und Anerkennung“ oder „Ich erhalte von meinem Vorgesetzten klare und hilfreiche Rückmeldungen zu meiner Leistung“ deutlich weniger Zustimmung erfahren als in den positiver eingeschätzten Ländern. Personalabteilungen kommt hier als Begleiter von Führungskräften eine besondere Rolle zu.

Personalabteilungen als treibende Kräfte im Digitalisierungsprozess

Dass Personaler diese Rolle durchaus sehen und ausfüllen wollen, erscheint löblich. Dass viele bisherige administrative Prozesse zur Kopfzahl oder zum Krankenstand überholt sind und dennoch beibehalten werden, ist dabei umso trauriger. Es gilt nicht umsonst die Maxime, bei der Übertragung vom Analogen ins Digitale Prozesse nicht 1 zu 1 zu übertragen, sondern komplett neu zu denken. Das Paradebeispiel ist die digitale Unterschrift. Als Autor unterschreibe ich ab und an Verträge mit Verlagen digital innerhalb weniger Minuten. Schaue ich in andere Bereiche, könnte ich verschweifeln. Meine Tochter bekommt regelmäßig eine Physiotherapie.

Der behandelnde Arzt, die zuständige Gesundheitskasse und die Physiotherapeuten schaffen es jedoch nicht, die erforderlichen Rezepte digital von A über B nach C zu transportieren. Sie sind nicht einmal in der Lage, miteinander auf dem kurzen Dienstweg zu telefonieren, sondern rufen mich an. Also muss ich als Vater die Informationen von A an B weiterleiten, um von B zu erfahren, was C braucht usw., um endlich das Rezept bewilligt zu bekommen, dass A braucht, damit die Therapie weitergeht. Wenn es in manchen Firmen auch nur annähernd ähnlich kompliziert abläuft – und ich weiß, ohne Namen zu nennen, dass es das tut – dann gute Nacht.

Die Dunkelverarbeitung mag manche Menschen an einen chinesischen Überwachungsstaat erinnern. Sie bietet jedoch auch Chancen für Kunden und Freiräume für Personalabteilungen. Kein Wunder, dass Personaler zwar beteuern, für ihre Führungskräfte und Mitarbeiter da sein zu wollen, jedoch kaum Zeit dazu haben. Dies kann und muss sich in Zukunft ändern, damit Personalabteilungen nicht nur ihrer neuen Rolle als Antreiber, Begleiter und Unterstützer der “Ressource” Mensch in digital-agilen Prozessen gerecht werden, sondern sich auch als menschliche Visitenkarte des Unternehmens sehen, einem Thema.

Während alle Welt in der Hochzeit der Corona-Maßnahmen auf die Sorgen und Nöte von Führungskräften als “Remote Leader” und Mitarbeitern im Homeoffice blickte, blieben in der öffentlichen Diskussion Personalabteilungen oftmals im Hintergrund. Dieses Phänomen zeigte sich bereits vor Corona. Viele Personalabteilungen sehen sich immer noch als Partner der Führungskräfte, nicht jedoch als Gestalter der neuen Prozesse. Dabei erkennen sie durchaus die Herausforderungen auf den individuellen Ebenen:

  • Die Mitarbeiterebene: Mitarbeiter im Homeoffice müssen in puncto Selbstmanagement fit gemacht werden. Dazu braucht es nicht nur saubere Analysetools, sondern auch darauf aufbauende stringente Fortbildungsmaßnahmen.
  • Die Teamebene: Der Austausch über die Distanz benötigt andere Herangehensweisen als im realen Leben, was insbesondere für Teams ohne virtuelle Erfahrungen ein schwieriges Thema sein kann.
  • Die Führungsebene: Führungskräfte, die bisher große Bedenken zu einer Führung auf Distanz hatten, brauchen ebenso Unterstützung – zum einen bezüglich ihres Mindsets und zum anderen zur Ausbildung konkreter Kompetenzen. Wer bisher vorwiegend mittels Nähe und Spontaneität führte, muss nun lernen, mittels Vertrauen, klaren Ziele, Planungen und Ansagen zu führen, ohne die Spielräume zu eng zu ziehen und in einen Kontrollwahn zu verfallen. Was sich in einem Satz leicht dahin schreiben lässt, ist jedoch in der Praxis aufgrund der Abhängigkeit von individuellen Befindlichkeiten und Kompetenzen hochkomplex.

Gleichzeitig braucht es die Ehrlichkeit und Akzeptanz in Organisationen, dass nicht alle Mitarbeiter der Typ für eine Arbeit zu Hause sind. Die Diskussion darüber, mit oder ohne Corona, muss offen und wertschätzend geführt werden, um Frustrationen im Team zu vermeiden. Da dieses Thema nicht nur einzelne Führungskräfte betrifft, sondern die gesamte Frau- und Mannschaft, sollten Personalabteilungen dieses Thema offen angehen und entprechende Diskussionen anregen. Personalabteilungen kommt damit nicht nur die Aufgabe zu, die Folgen der Digitalisierung und der Arbeit über die Distanz mit Fortbildungen und Beratungen gut zu begleiten, sondern auch Wege aufzuzeigen, mit einer Extremsituation wie aktuell umzugehen. Dazu gehören auch intensive Coachings für Führungskräfte, die bisher einer Führung auf Distanz skeptisch gegenüber standen und nun etwas tun müssen, hinter dem sie nicht stehen. Das Thema Medienkompetenz, das hierzu oftmals als wichtigster Baustein genannt wird, spielt allerdings eine untergeordnete Rolle. Wesentlich wichtiger ist die Kommunikation.

Personalgewinnung 4.0

Das Unternehmen als Marke positionieren

Das eigene Unternehmen als Marke zu positionieren, das sogenannte Employer Branding, ist in digitalen Zeiten unumgehbar. In einer transparenten Welt stehen Unternehmen mit ihrer Webseite zur Schau, ob sie wollen oder nicht. Dies könnte man bedauern, weil es doch um so viel mehr geht, als nur darum, was auf die Oberfläche eines Bildschirm passt. Die analoge Welt macht schließlich all das Menschliche aus, das ebenso für das Unternehmen steht. Und ja: Die digitale Welt verkürzt die Realität, stellt schablonenhaft dar, übertreibt das Gute und verschweigt das weniger Gute. Und manches mal reibt man sich die Augen und denkt sich: Nö. In Wirklichkeit sieht es bestimmt ganz anders aus. Auch in digitalen Zeiten ist geschriebenes Wort geduldig. Dennoch lässt sich das Rad nicht zurückdrehen. Wir leben in dieser Welt und können unsere Chance nutzen oder den ICE der digitalen Transformation verpassen.

Die Rolle von Personalabteilungen besteht nun darin, die sozialen Komponenten im System nach außen so darzustellen, dass ein Unternehmen nicht nur aus Zahlen besteht, sondern auch menschlich wirkt. Damit wirkt das Unternehmen wie ein Magnet für die besten Bewerber.

Schauen wir uns daher ganz praktisch an, welchen Komponenten den Ruf des eigenen Unternehmens im Internet vermitteln können:

  • Weiterbildungsmöglichkeiten
  • Zukunftsaussichten und Arbeitsplatzsicherheit
  • Karrierechancen
  • Unternehmensführung, Work-Life-Balance
  • Arbeitsinhalte
  • Arbeitsumgebung
  • Soziale und Umwelt-Verantwortung

All das sind Bausteine, die vermittelt werden können und heutzutage sogar müssen. Und wie kann dies geschehen:

  • mittels Bildern und Videos von Mitarbeitern
  • über Bewerbungsanleitungen
  • mithilfe von Projektberichten oder Berichten über Trainee-Programme und Seminare, Teambildungsmaßnahmen oder Ausflüge

Dabei sollten die Inhalte so knackig wie möglich transportiert werden:

Transparenz: Das Internet lädt dazu ein, die Webseiten einer Firma genauer zu untersuchen. Deshalb sollte über die Webseite neben den üblichen Informationen das Image der Firma kurz und knapp transportiert werden, zum  Beispiel über einen Imagefilm oder Stellenanzeigen mit der Möglichkeit, sich direkt digital zu bewerben. Gerade, weil Fehler und negative Bewertungen schneller viral gehen als positive Nachrichten, ist Transparenz umso wichtiger.

Bildersprache: Bilder und Videos wurden durch die Digitalisierung wichtiger. Ein Beispiel: Warum nicht Streckbriefe und kurze Videointerviews von Mitarbeitern auf die Webseite stellen?

Klarheit: Die Inhalte sollten kurz und klar formuliert sein, damit sie auch auf den kleinen Bildschirm eines Smartphones passen. Eine höhere Streuung im Netz führt zu mehr potenziellen Bewerbern. Das wird jedoch nur durch kurze, prägnante Beschreibungen erreicht. Dies ist umso wichtiger, weil die Aufmerksamkeitsdauer im Internet gering ist. Das heißt: Wenig Fließtext, mehr Aufzählungen, grundsätzlich und insbesondere in Ausschreibungen.

Ob Sie Du Er Sie Es sich an Social Media-Regeln halten wollen-will/st, sei jedem Menschen selbst überlassen und ist vor allem von der eigenen Zielgruppe abhängig. Als XING neulich ankündigte, komplett auf die Anrede mit “Du” umzusteigen, ging ein mediales Raunen durch die Gruppe: Hilfe! Wir werden alle facebookisiert! Wenn ich heute, etwa zwei Wochen später, auf meine Nachrichten von XING schaue, ist es für mich als Kurz-vor-50-Dinosaurier immer noch befremdlich, von XING gedutzt zu werden. Aber egal. Hier bestimmt XING die Regeln. Auf Ihrer Webseite bestimmen Sie, inklusive den Art, wie leger, direkt und originell Sie auftreten wollen.

Ich persönlich kenne junge Menschen, die durchaus gesiezt werden wollen und habe Geschäftskontakte, mit denen ich mich auch nach Jahren der Zusammenarbeit immer noch sieze. Sich zu siezen hat mit Respekt zu tun. Und sich zu duzen bedeutet nicht automatisch Nähe aufzubauen. Nur, weil wir uns alle im Internet tummeln, bedeutet das nicht, dass wir alle denselben Regeln folgen müssen. Vielleicht bin ich tatsächlich schon alt und ein wenig überskeptisch. Wenn ich jedoch im ersten Kontakt von einer bisher unbekannten Person mit US-amerikanischem Überschwang freudig geduzt werde, bekomme ich spontan das Gefühl, dass mir hier jemand etwas verkaufen will.

Mit Social Media-Strategien aktiv auf Bewerbersuche gehen

Neben der passiven Strategie der Gewinnung neuer Mitarbeiter im Rahmen der Positionierung des Unternehmens als menschlicher Marke, bietet sich auch die aktive Strategie an, über Social Media-Plattformen wie XING oder LinkedIn auf Bewerbersuche zu gehen. Aktuell sind viele Personalabteilungen so überlastet, dass sie die Aufgabe der Rekrutierung lieber professionellen Headhuntern überlassen. Diese sind jedoch nicht nur teuer, sondern wissen häufig nicht, wer wirklich zum Unternehmen passt.

Eine Alternative hierzu bieten sich Methoden künstlicher Intelligenz an. Auch dazu gibt es bereits einige Anbieter, die für Personalabteilungen eine Vorauswahl treffen, damit sich diese in einem zweiten und letzten Schritt aus einem kleinen Pool an Bewerbern die best-passendsten mittels Gespür und Intuition auswählen können.

In einer Zukunft, in der viele administrativen Prozesse automatisiert ablaufen, könnten Personalabteilungen jedoch so viel Zeit gewinnen, sich um solche für das Unternehmen überlebensnotwendigen Prozesse der Bewerbersuche wieder selbst zu kümmern. Sie könnten in Zukunft einen Teil ihrer Zeit damit verbringen, soziale Plattformen zu durchforsten, Kontakte zu knüpfen, soziale Themengruppen in Internetforen zu moderieren und munter mitzudiskutieren. Wenn ich an die Personaler denke, für die ich heute tätig bin, ging den ersten Aufträgen meist eine Zeit von durchschnittlich zwei Jahren loser Kontaktung voraus. Eine solche Strategie braucht folglich einen langen Atem und muss gegenüber der Geschäftsleitung gut begründet werden. Ein Kontakt, der jedoch über die Ferne über mehrere Jahre wächst, ist langfristig krisenbeständiger als ein Kontakt, der erst mit dem Vorstellungsgespräch beginnt.

Zum Schluss dieses Artikels möchte ich Ihnen noch eine letzte Idee nahebringen, die es in sich hat, jedoch erfahrungsgemäß von den wenigsten Unternehmen angewandt wird. Gerade deshalb bietet sie jedoch ein enormes Potenzial zur Abhebung von anderen Bewerbern.

Nehmen wir jüngere Generationen als zukünftige Mitarbeiter in den Fokus, zeigt sich die Radikalität neuer Strategien der Personalgewinnung. Jüngere Menschen wollen flexible Arbeitszeit- und -ortmodelle, Gleitzeit, Teilzeit, Vertrauensarbeitszeit, Homeoffice oder sogar ein Sabbath-Jahr. Sie wollen Beruf und Familie vereinbaren. Eine perfekte technische Ausstattung am Arbeitsplatz. Eine Durchlässigkeit von Beruf und Freizeit. Auch wenn ältere Mitarbeiter das seltsam finden, freuen sich einige von ihnen darüber, vor Ort kochen zu können, wenn im Keller ein Tischkicker steht und auf dem Balkon ein Grill. Sie brauchen Abwechslung, das heißt Job-Rotation, Job-Enrichment, Projektarbeit, Kooperationen mit Start-ups, sie lieben Weiterbildungsmöglichkeiten, wollen sich einbringen und mitbeteiligen und stehen einem zu strengen Dresscode skeptisch gegenüber. Kurzum: Jüngere Generationen arbeiten lieber in einem coolen Team, statt Karriere zu machen.

Wenn Sie als Vertreter einer älteren Generation diese Attribute moderner Arbeitsplätze herunterbeten, werden Ihnen viele Bewerber kein Wort glauben. Was liegt also näher, als Teams selbst in die Rekrutierung neuer Kollegen einzubinden? Mittels Videos über den Arbeitsplatz oder kurze Anekdoten. Und auch bei den Einstellungsgesprächen sollten Mitarbeiter beteiligt sein. Zudem wissen die Teammitglieder am besten, was der neue Kollege für Kompetenzen mitbringen sollte.

Über Mitarbeiter “fremdentwickelte” Ausschreibungen in Social Media-Kanälen verbreiten zu lassen, funktioniert in der Regel icht. Mitarbeiter selbst Konzepte und Formate zur Mitarbeitergewinnung entwickeln zu lassen, ist hingegen in einem höchsten Maße kreativ und authentisch. Ein besseres Aushängeschild können Sie sich kaum wünschen.

 


bunker Arbeitsplatz dunkel keller

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Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

Zum Schutz vor Lagerkoller empfohlen:

 Provokant – Authentisch – Agil
Die neue Art zu führen
Wie Sie Mitarbeiter humorvoll aus der Reserve locken
ISBN 978-3-96186-004-3

 New Work: Menschlich – Demokratisch – Agil
Wie Sie Teams und Organisationen erfolgreich in eine digitale Zukunft führen
ISBN 978-3-96186-016-6

 Die Bienen-Strategie und andere tierische Prinzipien
Wie schwarmintelligente Teams Komplexität meistern
ISBN 978-3-96186-031-9

bunker Arbeitsplatz dunkel keller Beitrag 11 digital normal

Ist digital das neue “Normal”?

Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor  Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich gezwungenermaßen mit der vielfältigen Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt!

In gewohnt kritischer, leicht zynischer, aber auch humorvoller Manier beschäftigt sich  Michael Hübler mit der derzeitigen Situation und reflektiert über Themen, die ihn bewegen. Damit möchte er Mut machen, Ablenkung schaffen, vielleicht auch zum Nachdenken anregen in einer aktuell schwierigen Zeit, der wir uns als Gesellschaft, Familie, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, aber auch als Freunde und Individuum stellen müssen. Daraus entstehen – mit dem ihm so typischen Augenzwinkern – die Hübler Bunker-Chroniken.

Seit März 2020 beherrscht Corona unser Leben, sowohl beruflich, vor allem aber auch privat. Zwar war das Thema “Digitalisierung” bereits zuvor omnipräsent, doch irgendwie weitestgehend ein Mysterium oder ein bevorstehendes, stets geplantes – oder auch drohendes – Ereignis. Plötzlich aber ging alles ganz schnell und auf einmal scheint alles nur noch digital stattzufinden: Digitale Klassenzimmer, Videokonferenzen, Online-Tutorials, Webinare, sogar virtuelle Marathons. Ist das alles wirklich sinnvoll? Bleibt das so? Wollen wir das? Im heutigen Beitrag setzt sich  Michael Hübler genau damit auseinander: Ist digital das neue “Normal”?

Wie normal ist digital?

Neulich lief ich an einem Schild in einem Schaufenster vorbei. Dort stand geschrieben: „Digital ist das neue normal?“ In der Tat wird allerorten gevideochattet, was das Zeug hält.  Die Haufe-Studie „Wir nach Corona“ unterfüttert diese Wahrnehmung mit der Erkenntnis, dass 49 Prozent der befragten Unternehmen in Zukunft mehr in die Digitalisierung investieren wollen. Und 70 Prozent sehen hier noch eine Menge Luft nach oben. Wer hätte das gedacht?

Bei aller Euphorie dieser durch die Corona-Maßnahmen angetriebenen digitalen Kulturrevolution sollten wir jedoch die Bedenken, die es bisher zur Digitalisierung gab, nicht aus den Augen verlieren. Schauen wir uns daher in diesem Artikel zwei zentrale Aspekte an, um das Für und Wider der Digitaliserung zu beleuchten: Zum einen die sachliche Unterscheidung zwischen Effizienz und Effektivität und zum anderen die menschliche Komponente zwischen Nähe und Distanz.

Effizienz und Effektivität digitaler Kontakte

In meinem letzten Artikel stellte ich einige Hypothesen zur Neuordnung der Geschäftskontakte zwischen einer Globalisierung und neuen Lokalisierung auf. Bei dieser Neuordnung spielt die Digitalisierung eine wichtige Rolle. Wurde vor der Krise angemahnt, dass die Digitalisierung in Schulen, Universitäten und Firmen weit hinter den eigenen Ansprüchen zurückliegt, gibt es nun die gegenteilige Erfahrung, dass ausschließlich digitale Meetings kein Ersatz für einen ganzheitlichen und damit vertrauensvollen Austausch bieten. Dass sich darin nicht automatisch ein Generationenproblem widerspiegelt, zeigen studentische Demonstrationen Ende Juni, um darauf hinzuweisen, dass eine reine digitale Lehre auf Dauer nicht der Heilsbringer ist, den sich manche Verantwortliche wünschen.

In der Tat sollten beim Thema Digitalisierung die Begriffe Effizienz und Effektivität unterschieden werden. Die Digitalisierung als Treiber für Agilität schafft es, Informationen schneller als bisher an möglichst viele Menschen zu verteilen. Sie verfügt damit über eine enorme Effizienz. Dazu ein simples Beispiel:

In einem Vortrag zum Thema ″Agiles Führen” von eineinhalb Stunden kann ich alle wesentlichen Aspekte vermitteln. Ob mir dabei fünf Personen oder 100 zusehen, ist mir als Referent relativ egal. Ich kann sogar eine anschließende Fragerunde einleiten, bei der sich, wie grundsätzlich immer in Seminaren, etwa 1/3 der Teilnehmer melden werden. Nach etwa zwei Stunden wird die Geschichte beendet.

Ein Blick auf die sogenannte Wissenstreppe verdeutlicht, welche Inhalte sich digital übertragen lassen und welche nicht. Im Rahmen dieses Webinars werden Informationen vermittelt. Ein konkretes Wissen und damit der Anwendungsbezug ist ebenso Teil der Kommunikation, wenn ich mit konkreten Beispielen arbeite. Die Überführung dieses Wissens in ein Können und konkretes Handeln lässt sich in einem Webinar jedoch schlechter erreichen als im Rahmen eines Präsenzseminars. Dort lassen sich mentale Simulationen durch die Beziehungsebene wesentlich eleganter durchführen. Im Rahmen eines Präsenzseminars lassen sich Situationen kreieren, in denen Teilnehmer leichter in den gemeinsamen Erfahrungsaustausch gehen.

Auch in vermeintlichen uneffizienten Situationen wie in Pausen, am Essenstisch oder am Getränkeautomaten, findet ein zwangloser Austausch über das Wissen, Können, Handeln und die Komptenzen der Austauschpartner statt. Dies wirkt paradoxerweise umso effektiver, weil sich Geschäftspartner meist nicht bewusst darüber sind, dass sie gerade etwas voneinander lernen. Zudem wirkt hier der Austausch auf Augenhöhe, den bereits in den 1970er-Jahren der Psychologe Albert Bandura als Lernen an einem möglichst ähnlichen Modell beschrieb.

Der digitalisierte Kontakt führt kurzum zu einer Erhöhung der Effizienz, weil hier viele Informationen schneller als analog an möglichst viele Menschen von A nach B transportiert werden. Ob er auch effektiv ist, hängt von der Frage nach der Zielstellung ab, das heißt dem Effekt. Lautet die Zielstellung, Wissen zu vermitteln, ist die Digitalisierung nicht nur effizient, sondern auch effektiv. Gibt es weitere Ziele wie ein Lernen voneinander, dem kreativen Austausch, dem Aufbau von Beziehungen, Vertrauen und Bindung, beispielsweise durch Small Talk zwischen Führung und Mitarbeitern, die Bearbeitung schwieriger und konfliktreicher Themen oder der ungerichtete, zwanglose Austausch von Informationen am Kaffeeautomaten, ist die Digitalisierung denkbar ungeeignet.

Der Austausch im Digitalen folgt einer Logik von Nullen und Einsen. Etwas ist wahr oder falsch. Eine Information hilft mir weiter oder nicht. Ein Webinar fördert mein Wissen oder nicht. Ein Geschäftspartner ist vertrauenserweckend oder nicht. Ein Angebot ist zu teuer oder nicht. Im Digitalen sehen wir nur einen Momentausschnitt der Welt. Eine Aussage, ein Angebot oder Geschäftspartner, den wir noch nicht kennen, wird sofort als passend oder nicht passend eingeordnet. Hinzu kommt, das wir uns im Digitalen weniger Zeit zur Bewertung nehmen.

Deshalb ist es unproblematisch, Informationen und Wissen digital weiterzuleiten. Es ist jedoch problematisch, in einen echten Austausch zu gehen. Stellvertretend dazu mag dies die Randnotiz illustrieren, dass Führungskräfte in der Krise auf die Frage, wie es ihren Mitarbeitern geht, kaum eine Antwort bekamen. Eine Möglichkeit zum Aufbau von Nähe könnte das erwähnte Telefon bieten. Auf Dauer fehlt jedoch auch hier der echte und direkte Kontakt auf allen verbalen und nonverbalen Ebenen, den wir Menschen offensichtlich nicht nur emotional brauchen, um uns wohlzufühlen, sondern der uns auch die Sicherheit gibt, auf einer vertrauensvollen Basis zusammenzuarbeiten.

Die Balance zwischen Nähe und Distanz in der Zukunft

Wer aktuell Menschen befragt, die kaum direkte Präsenzkontakte in der Krise hatten, bekommt meist folgende Antworten:

“Es ging auch so, allerdings am besten mit Geschäftspartnern, die ich bereits kannte.

Wer sich noch nicht kennt, geht im Digitalen nicht nur auf räumliche, sondern auch auf emotionale Distanz. Wir wissen schon seit den 1960er-Jahren, dass wir lediglich zu etwa 30 Prozent verbal kommunizieren, den Rest stimmlich, mimisch und körpersprachlich. In digitalen Settings erkenne ich jedoch nicht, ob sich jemand wegdreht oder eine offene Körperhaltung einnimmt. Zudem fördert das Sitzen auf einem Sessel nicht die Offenheit in einem Gespräch. Wer in einer ungesunden Haltung in einen Bildschirm stiert, bringt neurobiologisch auch nicht die Lockerheit mit, mit der er ansonsten in einer stehenden, lockeren Haltung seinem Gegenüber begegnet.

“Ich vermisse meine Kollegen.”

Das Bedürfnis nach Nähe mag in manchen Corona-Partys extrem ausgelebt worden sein. Der Fokus auf die wirtschaftliche Misere der Organisatoren von Großveranstaltungen wie dem Oktoberfest, Musikfestivals oder Discos, die in nächster Zeit nicht stattfinden werden, verdeckt die Tatsache, dass seit Jahrtausenden Zusammenkünfte stattfinden, was für den Menschen offensichtlich wichtig ist. Die Mikrobenforschung (Stichwort: Darm mit Charme von Giulia Endres) legt nahe, dass Großveranstaltungen und damit menschliche, auch körperliche Nähe nicht nur für den Austausch des neuesten Klatsches oder für das Feiern eines bestimmten Ereignisses wie bei einer Sportveranstaltung, Ostern oder Weihnachten zur Verdeutlichung des Zusammenhalts und der Bestätigung gemeinsamer kultureller Werte wichtig sind – diese Möglichkeit besteht auch im Digitalen –, sondern ebenso für unsere biologische Gesundheit, respektive unser Immunsystem eine Bedeutung haben. Hinzu kommt die verbindende Wirkung von Veranstaltungen, die sich digital mehr schlecht als recht simulieren lässt. Nicht jeder Mensch braucht Großveranstaltungen. Den ein oder anderen Nahkontakt braucht jedoch jeder.

In aller Kürze: Die Mikroben in und auf uns Menschen helfen uns bei vielfältigen Aufgaben wie beispielsweise der Verdauung. Hätten die Mikroben auf unserer Haut langfristig keinen Austausch mit den Mikroben anderer Menschen, bekämen wir ernsthafte gesundheitliche Probleme. Eine Dystopie wie sie in der Geschichte “Die Maschine steht still” von E. M. Forster beschrieben wird, demselben Autor, der “Zimmer mit Aussicht” und “Wiedersehen in Howards End” verfasste, wird damit vermutlich nicht stattfinden. Die Menschen in dieser Kurzgeschichte leben abgekapselt voneinander in kleinen Waben, aus denen heraus sie miteinander kommunizieren. Der Besuch an der Erdoberfläche ist ebenso verboten wie die Kontaktaufnahme mit anderer Menschen im richtigen Leben. Das Leben wird von der sogenannten Maschine bestimmt.

Diese Dystopie von 1909 gilt aktuell vielen Menschen als Warnung und transportiert gleichzeitig Ängste über eine drohende Zukunft. Das Wissen darum, dass viele junge, vor allem männliche Digital Natives digitale Kontakte dem realen Leben vorziehen, wenn sie LAN-Partys veranstalten anstatt auf den Fußballplatz zu gehen, in Kneipen nebeneinander sitzen und gleichzeitig in ihren schwarzen Bildschirm starren und Universitäten auch im nächsten Semester komplett auf eine Online-Lehre umstellen wollen, verleiht dieser Dystopie in Verbindung mit dem Lockdown durch die Pandemie eine extreme und dennoch teilweise Wahrscheinlichkeit. Für manche Menschen, beispielsweise Autisten, sind die neuen Möglichkeiten des Homeoffices ein wahrer Segen.

Wer jedoch aktuell durch die Straßen läuft und sich die Szenerien in den Cafés, Parkanlagen und Biergärten ansieht, realisiert, dass diese Vision einer dauerhaften sozialen Distanz dem Bedürfnis der meisten Menschen widerspricht. Und wer sich mit Studenten unterhält, erfährt, dass auch ihnen in einer Online-Lehre das Lernen miteinander und voneinander fehlt. Eine dauerhafte nationale oder globale Separierung ist allenfalls aufgrund einer wesentlich schlimmeren Bedrohung, beispielsweise aufgrund eines Atomunfalls, realistisch.

Dabei zeigt sich eine starke Unterscheidung zwischen der Welt öffentlicher Einrichtungen und Dienste wie Universitäten, Schulen oder Bibliotheken und der restlichen Welt aus Gaststätten, Unternehmen sowie dem normalen öffentlichen Leben in Fußgängerzonen, Biergärten und Stadtparks. Während es auf der einen Seite noch sehr streng zugeht, scheint auf der anderen Seite die Krise mehr oder weniger vorbei zu sein.

“Ich merke, dass ich nicht jeden Menschen herzen möchte.”

Das Verhältnis von Nähe und Distanz wird nach der Krise neu austariert. Ähnlich wie das pauschale Duzen in manchen Unternehmen werden auch Umarmungen und andere Nähebekundungen aufgrund der Krise überdacht. Vielleicht ergibt sich damit eine Chance, die Nähe in Geschäftsbeziehungen neu auszuhandeln. Im Zuge des Virus überlege ich mir gut, wen ich umarmen will und wen nicht

 


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Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

Zum Schutz vor Lagerkoller empfohlen:

 Provokant – Authentisch – Agil
Die neue Art zu führen
Wie Sie Mitarbeiter humorvoll aus der Reserve locken
ISBN 978-3-96186-004-3

 New Work: Menschlich – Demokratisch – Agil
Wie Sie Teams und Organisationen erfolgreich in eine digitale Zukunft führen
ISBN 978-3-96186-016-6

 Die Bienen-Strategie und andere tierische Prinzipien
Wie schwarmintelligente Teams Komplexität meistern
ISBN 978-3-96186-031-9

bunker Arbeitsplatz dunkel keller Beitrag 10 Normalität

Gedanken über eine neue Normalität

Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor  Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich gezwungenermaßen mit der vielfältigen Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt!

In gewohnt kritischer, leicht zynischer, aber auch humorvoller Manier beschäftigt sich  Michael Hübler mit der derzeitigen Situation und reflektiert über Themen, die ihn bewegen. Damit möchte er Mut machen, Ablenkung schaffen, vielleicht auch zum Nachdenken anregen in einer aktuell schwierigen Zeit, der wir uns als Gesellschaft, Familie, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, aber auch als Freunde und Individuum stellen müssen. Daraus entstehen – mit dem ihm so typischen Augenzwinkern – die Hübler Bunker-Chroniken.

Alte Welt – Übergangswelt – Neue Welt

Zuerst einmal: Die meisten von uns sind noch nicht in der sogenannten neuen Normalität angekommen und wissen auch nicht, wann sie diese erreicht haben werden. Aktuell befinden wir uns in einem Übergangsszenario, von dem niemand weiß, wie lange es noch dauern wird. Es stellt sich eher die Frage, wie viel von dem aktuellen Szenario später in der neuen Normalität stattfinden und was unserer alten Normalität gleichen wird.

Das Denken in Szenarien ist typisch für Veränderungen. Aktuell lässt sich beobachten, dass die Übergangsversion, in der wir jetzt leben, extrem konträr zu unserem bisherigen Leben ist: Die Menschen reisten viel. Sie planten ihre Urlaube … und fuhren auch hin. Sie konnten sich treffen, wann immer sie wollten, ohne Auflagen. Soziale Treffen fanden ungezwungen statt. Und wenn ich in ein Restaurant wollte, ging ich einfach hin. Selbst der kleinste Unternehmer konnte sich relativ sicher sein, dass er, wenn er sich anstrengt, in drei bis fünf Jahren über einen Kundenstamm verfügte, mit dem er sich zumindest über Wasser halten konnte.

Nun ist mindestens vorübergehend einiges noch immer anders: Wir müssen zwar vieles, was bisher spontan ablaufen konnte, planen und die entsprechenden Auflagen in Kauf nehmen, können uns jedoch nicht sicher sein, ob sich unsere Planung auch erfüllt. Eine Reise kann nach einem Covid-19-Ausbruch schnell erledigt sein. Der Small Talk am Kaffeeautomat zum Austausch der neuesten Firmennachrichten fällt erst einmal in vielen Unternehmen für die Hälfte der Belegschaft aus. Dafür wird gevideochattet, was das Zeug hält, ob sinnvoll oder nicht. Immerhin verfügen mittlerweile viele von uns über eine Video-Flatrate. Und die will genutzt werden.

So langsam zeigen sich jedoch Ermüdungs- und Abnutzungserscheinungen. Laut der Studie „Chefsache Business Travel 2020″ im Auftrag des Deutschen Reiseverbands, bevorzugen 85 Prozent der befragten Manager und Führungskräfte persönliche Meetings und 43 Prozent von ihnen planen, in Zukunft wieder deutlich weniger virtuell zu kommunizieren. Zwar schätzt ein großer Teil der Befragten, dass die digitalen Meetings Zeit und Geld sparen. Doch 68 Prozent von ihnen sehen Schwierigkeiten der Digitalisierung als ernstes Problem an (vgl. https://www.wiwo.de/erfolg/management/geschaeftsreisen-deutsche-manager-spueren-die-zoom-muedigkeit/25929610.html). Das Gegenüber ist über die digitale Distanz wesentlich schwerer einzuschätzen, wenn es um Verhandlungen oder Vertragsabschlüsse geht. Auch Vertrauen lässt sich so schwerer aufbauen.

Damit stellt sich die Frage, wann das Pendel auch im beruflichen Umfeld wieder in Richtung alte Normalität ausschlagen wird und wie viele von den jetzigen Zuständen übrig bleiben werden. Schließlich ist das Virus noch aktiv und niemand kann wissen, wie sich die nächsten Monate entwickeln werden. Wie also wird langfristig das Verhältnis zwischen räumlicher Nähe und digitaler Distanz aussehen? Wie wirkt sich die Krise auf die Globalisierung aus? Und welche Geschäftsbeziehungen werden uns auch im Falle neuer Krisen durch diese hindurch helfen?

Was genau in der Zukunft passieren wird, weiß niemand. Die folgenden Ausführungen sind daher Hypothesen, die davon abhängen, wie der Verlauf der aktuellen Corona-Krise weitergeht, mit welchen Maßnahmen der Staat reagieren wird, ob es in Zukunft mehr Krisen dieser Art geben wird und wie sich Unternehmen sich auf diese neue Welt einstellen werden.

Neuordnung zwischen Globalisierung und Lokalisierung

Die neue Welt nach – oder besser mit Corona entsteht aus der Infragestellung des Megatrends der Globalisierung, in der jeder mit jedem jederzeit in Kontakt treten konnte. Und dies nicht nur über die digitale Ferne, sondern aufgrund günstiger Flüge ebenso im realen Leben. Dieses Konnektivität genannte Phänomen globaler Vernetzung bekam aufgrund der Grenzschließungen, Abschottungen und Quarantänen einen massiven Dämpfer. Plötzlich war es nicht mehr möglich, jederzeit an jedem Ort jeden zu treffen, den man treffen wollte. Zwar konnten die Verbindungen nach wie vor aufrechterhalten bleiben, sie mussten jedoch neu gestaltet werden. Die meisten von uns machten in dieser Zeit die Erfahrung, Freunde oder Geschäftskollegen statt in Präsenz nun per Videokonferenz oder Telefon zu kontaktieren. Wir erfuhren, dass manche Medien sehr gut, vielleicht sogar besser als erwartet, zu unseren Anliegen passten, während andere sich als ineffektiv herausstellten.

Das gute alte Telefon beispielsweise schafft eine passende Balance zwischen Nähe und Distanz, da wir uns auf der einen Seite gemütlich im Sessel fläzen können, ohne dass uns der Kollege am anderen Ende in das Arbeitszimmer spickt. Dies fördert das Bedürfnis der Menschen nach Ruhe und Sicherheit in den eigenen vier Wänden. Auf der anderen Seite führt es gleichzeitig zu einer emotionalen Nähe über die Distanz, weil sich ein Mitarbeiter mithilfe seiner Stimme am Telefonhörer weniger verstellen kann als in einer Videokonferenz. Die Tendenz, im Rahmen einer Videokonferenz mit zehnTeilnehmern seinem Chef nicht zu sagen, was einem nicht passt, ist wesentlich wahrscheinlicher als in einem Gespräch unter vier Ohren. Damit wird bei aller neuen digitalen Video-Euphorie das Telefon zu einem Symbol der alt-neuen Konnektivität mit der Welt: So fern und doch so nah.

In einer neuen Welt werden sich Firmen damit beschäfigen müssen, wie Konnektivität in Zukunft gestaltet wird. Nicht jeder Flug zur Herstellung von Verbindungen in aller Welt wird in Zukunft als notwendig betrachtet werden. Beziehungen zu Geschäftspartnern werden sich neue Wege suchen. Das Ungewisse eines drohenden globalen Shutdowns wird dazu führen, dass sich Menschen mehr Gedanken darüber machen, mit wem sie in Zukunft Geschäftsbeziehungen eingehen werden, die auch über eine Krise hinaus halten. Dabei wird unsere Wahrnehmung zwangsläufig einen neuen Fokus auf das Lokale und damit Vertraute setzen. Ein Unternehmen, das über eine gute Mischung aus Fern- und Nah-Konnektivität verfügt, wird in jeder Krise stabil sein. Es wird in Zukunft deshalb nicht mehr ausschließlich darum gehen, auf Anbieter möglichst günstiger Bauteile aus aller Welt zurückzugreifen, sondern die stabile Verfügbarkeit auch in Krisen im Falle eines zukünftigen, weltweiten Shutdowns mit dem Preis abzuwägen.

Der globalisierte Wettkampf um das billigste Produkt bekam durch die Krise einen Dämpfer. Das Virus erreicht etwas, was Globalisierungsgegner und Umweltaktivisten seit Jahren fordern. Neben der Fixierung auf den Preis, könnte damit auch die Fixierung auf einen stetigen Wachstumsanstieg einen Knacks bekommen. Von der Krise betroffene Firmen werden in den nächsten Wochen und Monaten damit beschäftigt sein, drohende Pleiten abzuwenden. Sie befinden sich folglich noch im Stressmodus. Erst, wenn sie sich solidiert haben, stellt sich die Frage, wie es weitergeht: Im alten Modus stetigen Wettbewerbs und Wachstums? Oder verschiebt sich der Fokus stärker in Richtung Sicherheit und feste Partnerschaften?

Die Corona-Krise wird insbesondere in den Geschäftsbereichen, die international stark vernetzt sind, langfristig zu einer Neuordnung der Geschäftsbeziehungen führen. Davon können in aller Welt vor allem regionale Anbieter profitieren, da sie im Gegensatz zu einem Zulieferer am Ende der Welt, die Sicherheit der Versorgung auch in Zeiten eines Shutdowns gewährleisten. Entsprechend vermuten befragte Unternehmen in einer aktuellen Studie , dass die Werte Zuverlässigkeit, Lieferfähigkeit, Nachhaltigkeit, Qualität und Preise in der Zukunft neu geordnet werden (vgl. Studie “Wir nach Corona”, S. 23 – www.haufe.de/wir-nach-corona). Diese Entwicklung wird nicht von heute auf morgen stattfinden, da Geschäftsbeziehungen und Verträge nicht einfach aufgekündigt werden können. Und natürlich ist es auch denkbar, dass die Krise in einem halben Jahr vorbei ist und die Menschen versuchen werden, so viel wie möglich von ihrer alten Normalität zurück zu bekommen.

Das Virus kommt jedoch nicht alleine: Im Schlepptau bringt es schlimmstenfalls Unruhen, Verteilungskämpfe oder sogar Kriege in besonders betroffenen Regionen der Welt mit sich. Alleine in Deutschland werden etwa eine Millionen mehr Arbeitslose in den nächsten Monaten prognostiziert. Der Hunger in der Welt nimmt zu. Im Schatten der Pandemie werden Wälder am Amazonas gerodet und Volksstämme noch mehr als ohnehin unterdrückt. Während die Welt auf Infektionszahlen blickt, scheint dies eine Einladung für manche Diktatoren zu sein, “endlich einmal aufzuräumen”. Welche Auswirkungen all dies für die Welt und globale Geschäftsbeziehungen hat, ist noch nicht absehbar. Fakt ist jedoch, dass Unruhen in einem Land Verträge und Geschäftsbeziehungen behindern. In einer medienglobalisierten Welt haben es Firmen aus demokratischen Ländern schwer, sich mit Firmen aus undemokratischen Ländern einzulassen oder Projekte zu unterstützen, die in einer globalisierten Community einen schlechten Ruf genießen, weil sie beispielsweise die Umwelt zerstören.

Die Macht einer digitalen Empörungsgesellschaft zu ignorieren, ist heutzutage eine mediale Todsünde, wie der ehemalige Siemens-Chef Joe Käser Anfang 2020 im Zuge der Beteiligung von Siemens an einem australischen Kohleförder-Projekt erfahren musste. Gerade weil der Ruf in einer globalisierten Medienwelt das A und O eines Unternehmens verkörpert, werden internationale Verträge in Zukunft noch stärker auf dem Prüfstand stehen als bisher. Während der Ruf eines lokalen Partners leichter zu prüfen und damit der vertrauensvolle Austausch einfacher aufzubauen ist, wird dies in Zukunft im Zeichen einer Krise international schwerer fallen. Auch deshalb wird das Verhältnis zwischen Globalisierung und Lokalisierung in der Zukunft neu gemischt.

Für kleinere Unternehmen oder Start-ups stellt sich damit insbesondere in den Digitalisierungsbranchen, die besonders von der Krise profitieren (z. B. Anbieter von eLearning-Plattformen oder Videokonferenz-Tools) die Frage, inwiefern sie eine Alternative zur dominanten Konkurrenz aus Übersee anbieten können. Während Universitäten und Firmen aus der Not gebohren zu ZOOM greifen und manche Bildungsanbieter eine Nutzung von Zusatzangeboten jenseits einer Videokonferenzplattform aufgrund von Datenschutzrechten ausschließen, braucht es gerade im digitalen Sektor regionale Anbieter, die mit dem deutschen oder europäischen Datenschutzrecht konform gehen. Auch hier könnte das Vertrauen in die größere Nähe greifen.

Das Prinzip einer exklusiven Nähe

Langfristig könnte Corona auch Konsequenzen für große und kleine Firmenveranstaltungen haben. In privaten Settings überdenkt man aktuell Events neu. Aus Großveranstaltungen werden kleine. Große Konzerte und Festivals verlagern sich in Wohnzimmer und private Gärten. Während auf der einen Seite eine Vielzahl an Event-Dienstleistern um ihr Überleben kämpft, könnte auf der anderen Seite eine neue Kultur der exklusiven Nähe entstehen. Übertragen wir diese Dynamik auf Firmen, sind verschiedene Effekte denkbar.

Aktuell sehen wir bereits die Verkleinerung von Präsenz-Seminaren auf maximal zehn Teilnehmer. Damit kann trotz Distanz ein Seminar durchaus an Intensität gewinnen.

Derzeit liegt die naheliegende Lösung der Organisation eines Groß-Events wie einer Messe in der Übertragung in den digitalen Raum. Dies erfüllt jedoch lediglich das Bedürfnis zur Teilung von Informationen und Wissen. Ein Bedürfnis nach Kontaktung und Aufnahme neuer Geschäftsbeziehungen, bleibt zwangsläufig weitgehend auf der Strecke. Wo werden die meisten Geschäfte angebahnt? Wohl kaum an der Minibar im Hotelzimmer, sondern klischeehaft an der Hotelbar, während sich die Gesprächspartner unaufdringlich beschnuppern und damit die gegenseitige Vertrauensbasis testen.

Eine andere langfristige Lösung könnte darin bestehen, sich den Kreis derjenigen noch genauer als früher anzusehen, die auf Veranstaltungen gehen. Wer darf auf ein Präsenz- und wer auf ein Digitalseminar? Es liegt auf der Hand, dass Führungskräfte mit einer höheren Wahrscheinlichkeit in den Genuss der Exklusivität eines Präsenzseminars kommen, während digitale Fachseminare im großen Stil für “einfache” Mitarbeiter angeboten werden. Zwar sind digitale Events effizienter und zeitsparender, jedoch weniger effektiv, wenn es um die Anbahnung von Geschäftskontakten und Vernetzungen oder die Vertiefung von Bindungen geht. Denken wir diesen Gedanken konsequent weiter, könnte sich den Fokus von einer reinen Wissensvermittlung insbesondere im Führungsbereich stärker in Richtung Bindung, Beziehung oder Vernetzung verschieben.

Der Abschied von Großveranstaltungen könnte auch dazu führen, mehr Wert auf themenspezifische Veranstaltungen für exklusive Gruppen zu legen, verbunden mit der Vision einer stärkeren Beteiligung der Mitarbeiter. Denkbar sind sich regelmäßig in Präsenz treffende Zirkel, die sich um Themen kümmern wie “die Qualität der Arbeit”, “der gute Ruf des Unternehmens”, “nachhaltige Investitionen”, “firmeninterne Familienpolitik” oder der “Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen”. Eine solche Vision deckt sich mit den Zahlen der besagten Studie, in der 44 Prozent der befragten Unternehmen angeben, durch die Krise die Selbstorganisation der Mitarbeiter gestärkt zu haben (ebd., S. 11). Im Zuge dessen verwundert es nicht, dass in Zukunft ebenso mehr Wert auf kompetentere Mitarbeiter im Umgang mit der digitalen Welt, mehr Kreativität, mehr Eigeninitiative und Selbstorganisation der Mitarbeiter sowie mehr Transparenz in der Führung erwartet wird (ebd., S. 34).

Damit einhergehend lässt sich auch die Thematik der Finanzen betrachten. Die Wahrscheinlichkeit ist nicht von der Hand zu weisen, dass Firmen in nächster Zeit bei allem sparen werden und dies wohl auch müssen, was nicht direkt wertschöpfend ist. Die Eisenhower-Quadranten bieten uns hierzu die Unterscheidung zwischen Dringend-Wichtigem und Langfristig-Wichtigem. Damit fallen aktuell alle langfristig-wichtigen Themen unter den Tisch: Fortbildungen, Messebesuche, etc. Die Tendenz, manches davon als Krücke in die digitale Welt zu verlagern, ist verständlich, führt jedoch nur selten zum geplanten Effekt.

Umso spannender ist die Frage, wann der Schalter in Firmen wieder hin zu einer neuen Normalität umgelegt wird, in der langfristig-wichtige Themen wieder an Relevanz gewinnen. Der Verbleib in einer Dauerschleife der vorsichtigen Wartehaltung wäre langfristig fatal. Doch auch hier zeigt die Studie  eine deutliche Tendenz. Immerhin haben viele Unternehmen in der Krise gemerkt, dass das wichtigste Kapital die eigenen Mitarbeiter sind. Entsprechend wollen 43 Prozent die Maßnahmen ihrer Personalentwicklung verstärken (ebd., S. 33).

Die neue Normalität erfordert Selbstständige und ein selbstorganisiertes Arbeiten

In einer Welt drohender Shutdowns lässt sich schwer planen. Planungen und das Anstreben von Zielen sind jedoch nicht nur eine Folge des menschlichen Grundbedürfnisses nach einer sicheren Zukunft. Ohne Planungen lassen sich auch keine Geschäfte realisieren. Kein Wunder, dass in den Köpfen vieler, vor allem kleiner Unternehmer und Selbstständiger Panik in der Krise ausbricht. Hier geht es nicht nur um die Zukunft der nächsten Monate, sondern um die Infragestellung gesamter Lebensmodelle.

Bedeutet dies nun für die Zukunft, wenn auch nur regional regelmäßige Shutdowns drohen, sich langfristig auf eine hyperflexible Zukunft einzustellen?

Abgesehen davon, dass sowohl ein Land als auch Unternehmen damit im Chaos und an den Rand der Manövrierfähigkeit geraten würden, müssen sich Unternehmen auf eine Zukunft kluger Agilität einstellen. Eine Kultur wie Deutschland, die sich eher durch einen gepflegten Perfektionismus auszeichnet, der in Zeiten der Massenproduktion Gold wert war, hat in dieser Hinsicht besonders viel aufzuholen im Vergleich zu Ländern wie den USA, die eine hohe Flexibilität gewohnt sind.

Was in den Hochzeiten der Krise in Deutschland beinahe perfekt funktionierte, wird in der Zukunft zum Pferdefuß. Während eine Vielzahl der Menschen laut der Auswertung von Handydaten bereits Mitte März in vorauseilendem Gehorsam ihre Kontakte reduzierten und dies auch heute noch weitgehend tun und bei Treffen auf den Abstand achten, Ausnahmen bestätigen die Regel, braucht es in einer neuen Normalität andere Qualitäten. Der Staat als strenger Taktgeber wird sich immer weiter zurückziehen. Die Polizei ist bereits jetzt mehr als überlastet. Gefordert ist nun der mündige Bürger. Wir kommen nicht umhin, auf genau diejenigen zu setzen, die aktuell am meisten leiden.

Deutschland war zwar noch nie ein Vorzeigeland der Freiberufler. Dennoch leben in diesem Land bislang etwa 2,5 Millionen Selbstständige. Darunter Trainer, Coaches, Künstler, Bühnentechniker, Regisseure, ITler, usw. Hinzu kommen seit einigen Jahren eine Menge Start-ups, die ebenso schwer von der Krise betroffen sind. Wir brauchen jedoch nach der Krise genau diejenigen, die in ihrem Leben gelernt haben, sich immer wieder flexibel auf neue Situationen einzustellen. Es ist paradox, dass aktuell das Lebenswerk vieler Selbstständiger zerstört wird, deren Leistungen zur Unterstützung der vorab geschilderten global-lokalen Zusammenarbeit essenziell wären. Während sich viele konservativ denkende Mitarbeiter mit genau diesem selbstorganisierten Denken schwer tun, wäre es eine Lösung für die Zukunft, hier eine Spur zu verfolgen, die bereits vor der Krise bestand, und nach neuen Verbindungen zu suchen zwischen großen, schwerfälligen Tankerunternehmen und flexiblen Freiberuflern und Start-ups.


bunker Arbeitsplatz dunkel keller

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Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

Zum Schutz vor Lagerkoller empfohlen:

 Provokant – Authentisch – Agil
Die neue Art zu führen
Wie Sie Mitarbeiter humorvoll aus der Reserve locken
ISBN 978-3-96186-004-3

 New Work: Menschlich – Demokratisch – Agil
Wie Sie Teams und Organisationen erfolgreich in eine digitale Zukunft führen
ISBN 978-3-96186-016-6

 Die Bienen-Strategie und andere tierische Prinzipien
Wie schwarmintelligente Teams Komplexität meistern
ISBN 978-3-96186-031-9

bunker Arbeitsplatz dunkel keller Beitrag 9 New Work

New Work zwischen Agilität, Digitalisierung, Selbst- und Mitbestimmung und Menschlichkeit

Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor  Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich gezwungenermaßen mit der vielfältigen Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt!

In gewohnt kritischer, leicht zynischer, aber auch humorvoller Manier beschäftigt sich  Michael Hübler mit der derzeitigen Situation und reflektiert über Themen, die ihn bewegen. Damit möchte er Mut machen, Ablenkung schaffen, vielleicht auch zum Nachdenken anregen in einer aktuell schwierigen Zeit, der wir uns als Gesellschaft, Familie, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, aber auch als Freunde und Individuum stellen müssen. Daraus entstehen – mit dem ihm so typischen Augenzwinkern – die Hübler Bunker-Chroniken.

Die vier Säulen von New Work

Milliardenschwere Hilfspakete auf der einen Seite, Kurzarbeit und eine drohende Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite. Viele Menschen beschäftigen sich aktuell mit der Frage, wie es weitergeht. Ich bin ich kein Wirtschaftsexperte. Aber als Führungstrainer mit einem Blick für die Psychologie des Menschen mache natürlich auch ich mir Gedanken darüber, wie es mit Unternehmen nach der Krise weitergeht. Dazu habe ich mir ein paar neue Gedanken zu den vier Eckpfeilern meines Buches  New Work: Menschlich – Demokratisch – Agil gemacht: Agilität, Digitalisierung, Selbst- und Mitbestimmung und Menschlichkeit. Dass sich dabei mehr Fragen als Antworten ergeben ist der noch ungewissen Zukunft geschuldet. Dennoch sind es genau diese Fragen, denen sich Unternehmen aktuell stellen müssen: Welchen Einfluss nimmt die aktuelle Krise auf die vier Säulen von New Work?

Agilität als Credo einer fortschrittsgläubigen Welt

Vor der Krise galt Agilität als Rezept für oder gegen beinahe alles, insbesondere im Teamkontext, wenn wir an Scrum denken. Durch die Krise bekam diese Denke einer schnellen Reaktion auf Kundenwünsche und damit einer immer kürzeren Produktionszeit einen erheblichen Dämpfer. Nicht nur rein faktisch, weil manche Maschinen stillstanden und dies teils immer noch tun, sondern auch als mentales Modell. Brauchen wir wirklich eine Welt, in der Produktionszyklen immer kürzer werden und der Mensch beinahe rund um die Uhr erreichbar sein muss, wenn der Kunde ruft?

Dabei liegt genau dieses „Höher, Schnelle, Weiter“ in der Natur des Menschen. Man könnte sagen: Der Mensch denkt in Problemen. Er hält ungelöste Situationen kaum aus. Dies ist neurobiologisch in uns angelegt, was sich leicht an der Empfindung verdeutlichen lässt, die wir haben, wenn wir eine Aufgabe am Abend eines Arbeitstags nicht erledigen konnten oder andererseits ein großes Projektziel erreicht haben.

Deshalb wollen wir immer weiter. Neues entdecken. Etwas ausprobieren. Eben: Im weitesten Sinne Probleme lösen. Dieses Weiterkommen macht dem Gros der Menschen Spaß. Es treibt uns an. Deshalb war es letztlich unvermeidbar, irgendwann einmal zur Agilität zu kommen. Dabei impliziert der Begriff der Agilität den Begriff der Adaptivität: Wir stoßen als Unternehmen, Team oder Einzelperson auf eine problematische Situation, die gelöst werden will. Also werkelt manweiter und weiter und hat nun, dank der Digitalisierung auch die Möglichkeit dazu, immer und überall zu arbeiten und damit die Agilitätsschraube weiter und weiterzudrehen.

Aus diesem Grund werden viele Firmen nach der Krise ein kleines Wirtschaftswunder erleben. Während manche bürokratische Schranken wegfielen, weil es gar nicht anders ging, wurde bereits in der Krise eine Unmenge an Energie freigesetzt, um neue Ideen auf den Weg zu bringen. Manche Mitarbeiter scheinen geradezu darauf gewartet zu werden, in einem solchen Maße gebraucht zu werden. Masken wurden gebastelt und E-Learning-Programme entwickelt. Ich kann mir gut vorstelle, dass diese Energie nach den Lockerungen bei einigen Unternehmen anhält. Denn die Probleme haben sich schließlich nicht in Luft aufgelöst.

Die private und wirtschaftliche Welt wird jedoch eine Spaltung erleben zwischen denen, die ihre Freiheit mit den Lockerungen wieder in vollen Zügen auskosten werden, vielleicht sogar mehr denn je. Ich vermute, dass die Warnung von Jens Spahn, es im Urlaub nicht zu übertreiben, nicht von ungefähr kommt. Auf der anderen Seite gibt es jedoch Menschen, die der agilen Umtriebigkeit unserer Welt schon immer skeptisch gegenüberstanden. Menschen, die das Leben im Homeoffice genossen haben und sich nun am liebsten in ihrer kuscheligen Wabe einschließen würden, insbesondere wenn nun die hauseigenen Kinder wieder in die Schule gehen und damit endlich Ruhe im Karton einkehrt.

Interessant ist, dass diese Skeptiker unserer agilen Welt in der Krise endlich einmal Recht bekamen. Unsere Welt wurde angehalten. Wie wird es sich anfühlen, nun wieder in die Hektik der Welt einzusteigen und auf all die wuseligen Menschen zu treffen, die es gar nicht erwarten können, wieder so richtig loszulegen?

Als Mediator muss ich natürlich sagen, dass beide recht haben, sofern man so etwas überhaupt behaupten kann. Es ist sinnvoll, zu Hause zu bleiben und die verstopften Autobahnen und damit auch die Umwelt zu entlasten. Es ist ebenso sinnvoll, unter Menschen zu gehen und sich statt über einen schwarzen Kasten spürbar von Angesicht zu Angesicht zu unterhalten. Und die gemeinsame Arbeit in einem Scrum-Team ist nunmal eine coole Sache.

Ob ein Unternehmen den sozialen Frieden in seiner Belegschaft bewahrt, hängt stark davon ab, wie es in Zukunft die Balance zwischen agilen und manchmal überagilen Vorgehensweisen und einem skeptisch-bewahrenden Verhalten hinbekommt, wenn es darum geht, neue Innovationen auf den Weg zu bringen.

Wie also wollen sich Unternehmen nach der Krise positionieren? Möglichst schnell alles aufholen, was versäumt wurde? So agil wie möglich? Oder mit Bedacht vorgehen?

Die Digitalisierung als Agilitätsturbo

Das spannende an der Corona-Krise ist, dass viele Dinge plötzlich funktionierten, die zuvor undenkbar erschienen. Wenn sich dieses Learning by doing fortsetzt, könnte es nach der Krise tatsächlich für viele Firmen zu einem enormen Kreativitäts- und Produktionsschub kommen, während sich gerade in Deutschland zuvor viele Unternehmen mit ihrem Perfektionismus und ihrer Bürokratie selbst im Weg standen.

Die Digitalisierung als Treiber zwingt uns, uns mit Themen auseinanderzusetzen, die wir als lange bearbeitet ansahen. Zum Beispiel die Beschäftigung mit unserem Menschenbild. Gehen wir davon aus, dass der Mensch grundsätzlich gut und fleißig ist, können wir ihn innerhalb bestimmter Grenzen auch im Homeoffice laufen lassen, um weit entfernt vom direkten Zugriff seiner Führungskraft autonom-agile Entscheidungen zu treffen. Mit einem negativen Menschenbild im Hinterkopf wird uns das schwerfallen. Es bleibt spannend, inwiefern sich dieses Menschenbild im Rahmen der Corona-Krise verändert hat oder bestätigt wurde.

Wir kommen nicht umhin, diese Themen im Zuge der Digitalisierung gezwungermaßen grundlegend und radikal anzugehen. Kein Wunder, dass die Digitalisierung bereits vor Corona als bedrohlich galt. Sie verändert nicht nur Prozesse, sondern ebenso Strukturen, Denkweisen und Haltungen. Ein „Weiter so, wenn auch ein wenig anders“ wird nach der Krise nicht funktionieren, um mit zukünftigen Herausforderungen umzugehen. Eine Lern- oder Wissensmanagementplattform lässt sich ohne Vertrauenskultur einrichten – genutzt wird sie nur bedingt. Wir brauchen offensichtlich nicht nur in unserem privaten Alltag, sondern auch im Beruflichen eine neue Normalität.

Auch hier bahnt sich eine Spaltung an zwischen den Mitarbeitern, die keine Nähe brauchen  und denen, die unter der Distanz zu den Kollegen leiden. Es mag sein, dass dies auch ein Alterskonflikt ist. Es ist jedoch definitiv ein Persönlichkeitsthema. Vor kurzem erhielt ich eine Mail von einer Autistin, die dankbar dafür ist, bis auf Weiteres hochoffiziell im Homeoffice bleiben zu dürfen. Mein erster Gedanke war: Großartig! Für in welcher Hinsicht auch immer gehandicapte Menschen sind das Homeoffice und damit die digitale Zusammenarbeit eine wunderbare Sache. Mein zweiter Gedanke war – wie so oft – skeptisch: Ist es wirklich gut, wenn Mitarbeiter, die sich ohnehin schwer mit Kontakten tun, in ihren  Gewohnheiten unterstützt werden? Oder besitzt ein Unternehmen nicht auch die soziale Verantwortung, gerade diese Menschen in ein Präsenzteam zu integrieren?

Letztlich wird sich jedes Unternehmen, in dem in der Krise die Belegschaft weitgehend im Homeoffice war, überlegen müssen, anhand welcher Entscheidungskriterien es welchen Mitarbeiter im Homeoffice belässt und wie oft Präsenztreffen stattfinden sollen. Mögliche Kriterien bzw. Fragen dazu lauten:

  1. Ist die Teambindung vorhanden, damit möglichst wenige Missverständnisse und Konflikte über die Distanz entstehen?
  2. Lassen sich die Aufgaben von zu Hause aus erledigen oder braucht es einen kreativen Austausch im Team?
  3. Reichen die persönlichen Kompetenzen aus, um auf sich gestellt, mit einem guten Selbstmanagement voranzukommen?

Selbst- und Mitbestimmung

Während die Agilitätswelle vor der Krise dazu führte, dass Teams selbstständig Entscheidungen treffen mussten, um schneller auf Kundenwünsche zu reagieren, sorgte die Krise dafür, dass über die Distanz nun auch jeder einzelne Mitarbeiter autonomer werden musste. Damit wurde der Weg für Modelle geebnet, die wir bereits aus dem agilen Management für Teams kennen und die nun für viele andere Bereiche, die zuvor noch zögerten, passend sind. Dabei bedeutet Agilität nicht nur, schneller zu werden, sondern beinhaltet gleichzeitig – der Schnelligkeit wegen – den Mitarbeitern mehr Mitbestimmung zuzubilligen und Eigeninitiative zu fordern.

Das agile Führungs-Framework der Objectives & Keyresults – kurz OKR – das ich an dieser Stelle vorstellen möchte, unterstützt genau dieses Bestreben und folgt dabei einem einfachen System:

  1. Große Ziele, beispielsweise Jahresziele, werden vom Management definiert.
  2. Führungskräfte setzen sich dazu ihre eigenen, passenden Ziele und machen diese für die Mitarbeiter transparent.
  3. Die Teams oder einzelne Mitarbeiter nehmen die Ziele ihrer Führungskraft wahr und setzen sich für ihre Bereiche entsprechende eigene Teilziele.
  4. Diese Teilziele werden in regelmäßigen wöchentlichen und monatlichen Zeitzyklen überprüft, worauf eine Nachjustierung möglich ist.

Eine Sanktionierung aufgrund einer Zielverfehlung gibt es nicht. Führungkraft und Team dienen lediglich als Feedbackgeber zur Verbesserung der Strategien oder zur Anpassung unpassender Teilziele. Das ganze System wird häufig grafisch als Organigramm dargestellt. An einem simplen Beispiel:

  • Das Management einer Feinkostladenkette definiert ihren Unternehmenszweck wie folgt: Wir sind ein wenig teurer, bieten jedoch exklusive und leckere Essenswaren an, mit Sonderangeboten, die sich ab und an auch der normale Verbraucher leisten kann. In Zeiten, in denen die Menschen vermehrt selbst kochen und weniger essen gehen, gilt es, sich auch mal einmal pro Woche was Besonderes zu gönnen.
  • Die Führungsriege der Standorte leitet daraus die Ziele ab, zusätzlich zum Standardangebot, regelmäßig wechselnde Angebote zu erstellen, die auch für Normalsterbliche erschwinglich sind. Sie erstellen dazu eine wöchentliche Auswahl an Fleisch-, Fisch-, Käsesorten etc., die speziell im Internet beworben wird.
  • Die Mitarbeiter an der Theke denken sich aufgrund der Wochenangebote Menüs und Lieblingsrezepte aus, die einfach gelingen, um den Kunden die Entscheidung leichter zu machen. Am besten kochen sie die Rezepte selber nach, um beim Verkauf davon zu berichten, auf was zu achten ist. Die Rezepte werden zusätzlich ins Internet gestellt. Manche Mitarbeiter konzentrieren sich dabei auf Fleisch-, andere auf Fischgerichte oder die Auswahl an Käse- in Kombination zu Weinsorten.

Nochmal: Im OKR werden lediglich die Managementziele vorgegeben. Das Ziel der Wochenangebote geht auf eine Idee der Regionalleitungen zurück. Es wird zwar logisch von der Ansage „Exklusives Essen für Normalbürger“ abgeleitet. Es könnte jedoch auch, sollte es sich als Flop herausstellen, zu anderen oder weiteren Zielen kommen. Auch werdem die Mitarbeiter nicht gezwungen, die Rezepte nachzukochen. Ob sich die Idee der Weitergabe persönlicher Erfahrungen auszahlt, muss der Kunde entscheiden. Sollte es nicht funktionieren, werden die Mitarbeiter diese Idee auch wieder fallen lassen.

So einfach die Vorgehensweise durch die transparenten Ziele im OKR ist, so durchschlagend kann sie für die Demokratisierung eines Unternehmens sein. Neben dem Prinzip der Transparenz gilt jedoch das Prinzip des Vertrauens als Grundbedingung für das Gelingen von OKR.

Im Grunde genommen ließe sich mit einer Führung auf Distanz gar nicht anders führen als mithilfe eines solchen System: „Ich habe das vor. Was nimmst du dir diese Woche vor? … Gut, dann lass uns Ende der Woche besprechen, wie weit du gekommen bist. Wenn du vorher Hilfe brauchst, können wir gerne telefonieren.“

Die Mitarbeiter hatten damit eine Menge Freiräume. Manche werden sie genutzt haben, andere weniger. Die Struktur-Chaoten werden sich freuen, wieder enger geführt zu werden. Was ist jedoch mit den Freiheitsliebenden? Wer einmal realisierte, wie schnell er vorankommen kann, wenn er nicht gestört wird und sein eigener Herr ist, mag diese Freiheit ungern wieder aufgeben. Und wer nun wieder weniger selbst bestimmen darf, wird mindestens innerlich rebellieren. Auch dieses Thema gilt es anzugehen.

Menschlichkeit, Nähe und Effizienz

Manche Mitarbeiter werden die gute alte Zeit zurücksehnen, in der auch mal ganz uneffizient in der Teeküche getratscht wird. Andere freuen sich, sich von den Fesseln von Gruppenkonventionen befreit zu haben. Sie bleiben lieber am Heimarbeitsplatz bleiben, sofern sie bei einem Unternehmen arbeiten, das ähnlich wie Twitter ein agil-mobiles Arbeiten bis ans Lebensende garantiert. Nicht jeder mag die Nähe eines engen Teams. Auch inwieweit sich die Menschen an ihr neues Dasein als Einzelunternehmer im Unternehmen mit Videokonferenzen gewöhnen, wird sich zeigen. Noch vor kurzem reduzierte IBM seine Heimarbeitsplätze, weil die Kreativität des Unternehmens merklich sank. Nun wurden sie wieder hochgefahren. Es gilt wie so oft im Leben, ein gutes Mittelmaß zu finden.

Vieles, was uns die Digitalisierung bringt, erleichtert unser Leben: Weniger Zeit auf der Autobahn oder im Flugzeug, mehr Zeit für die Kinder. Vielleicht steht damit grundsätzlich die Frage im Raum, ob wir nicht alle unsere Arbeitszeiten kürzen sollten, um mehr Zeit für das Private zu haben. Diese Zeit sollte jedoch gut genutzt werden, vielleicht mit einem Ehrenamt, wenn die Kinder aus dem Haus sind, damit die Menschen nicht noch mehr konsumieren, sondern ihrem Leben auch jenseits der Arbeit einen Sinn verleihen.

Gleichzeitig ist der Mensch ein soziales Wesen, das nicht dafür geschaffen ist, in einer Wabe zu leben und lediglich digital zu kommunizieren. Er braucht den ganzheitlichen Austausch mit anderen. So effizient die digitale Kommunikation auch ist, fehlt ihr doch der wohlttuende Leerlauf des Small Talks, das mehrdeutige Scherzen und die ganzheitliche Wahrnehmung des Gegenübers. Symbolhaftes Zeugnis dieser Tatsache ist die Schwierigkeit von Führungskräften, die Sorgen der Mitarbeiter während der Krise zu erfragen. Kaum jemand anwortet darauf.

Die Digitalisierung erzeugt eine Ferne, die manche Themen von Beginn an unterdrückt. Während das normal-analoge Muster impliziert, sich auf die Frage nach Sorgen eventuell zu öffnen, worauf der Fragende neben einigen hoffnungsvollen Worten je nach Beziehung dem Gegenüber auf die Schulter klopft, um ihn mit einem “Es wird schon wieder” versucht zu stabilieren, ihn in den Arm nimmt oder ihm eine Weile still beisteht, ist all das im digital-effizienten Modus undenkbar. Kein Wunder, dass die Digitalisierung als Treiber der Agilität gilt. In einer Videokonferenz still zu sein ist seltsam. Wer sich im Analogen still gegenübersteht, nimmt zumindest den Körper des anderen war. Dieses Beieinander-Verweilen lässt sich besser aushalten als komplette Stille.

Bereits vor der Krise gab es kaum eine Konferenz zum Thema Digitalisierung ohne das Gegenthema der Menschlichkeit. Nun, im Zeichen eines „social distancing“ drängt sich umso mehr die Frage auf, wie es mit unserer Menschlichkeit und dem Bedürfnis nach Nähe bestellt ist. So traurig es ist, dass viele Menschen sich lange Zeit nicht echt, das heißt ohne Bildschirm dazwischen, sehen konnten, ist es doch schön zu hören, dass man sich vermisst hat und sich freut, sich endlich einmal wieder gegenüberzustehen. Und vielleicht entdeckt man den einen oder anderen Kollegen mit neuen Augen. Denn manchmal kann die Distanz zueinander, das wissen Eltern und Kinder genauso wie Eheparter, richtiggehend heilsam sein.

Dabei dürfen wir eines nicht vergessen: Der Mensch braucht vier bis sechs Wochen, um sich auf eine neue Situation einzustellen. Es ist durchaus möglich, dass wir unseren Kollegen diese Zeit gönnen sollten, bis wir uns wieder aneinander gewöhnt haben.


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Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

Zum Schutz vor Lagerkoller empfohlen:

 Provokant – Authentisch – Agil
Die neue Art zu führen
Wie Sie Mitarbeiter humorvoll aus der Reserve locken
ISBN 978-3-96186-004-3

 New Work: Menschlich – Demokratisch – Agil
Wie Sie Teams und Organisationen erfolgreich in eine digitale Zukunft führen
ISBN 978-3-96186-016-6

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ISBN 978-3-96186-031-9

bunker Arbeitsplatz dunkel keller Beitrag 8 Zurück am Arbeitsplatz nach der Krise

Zurück am Arbeitsplatz nach der Krise

Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor  Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich gezwungenermaßen mit der vielfältigen Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt!

In gewohnt kritischer, leicht zynischer, aber auch humorvoller Manier beschäftigt sich  Michael Hübler mit der derzeitigen Situation und reflektiert über Themen, die ihn bewegen. Damit möchte er Mut machen, Ablenkung schaffen, vielleicht auch zum Nachdenken anregen in einer aktuell schwierigen Zeit, der wir uns als Gesellschaft, Familie, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, aber auch als Freunde und Individuum stellen müssen. Daraus entstehen – mit dem ihm so typischen Augenzwinkern – die  Hübler Bunker-Chroniken.

Zurück am Arbeitsplatz – warum Führungskräfte gerade jetzt emotionale Kompetenzen brauchen

Der Countdown läuft …

Viele Mitarbeiter, die bisher in Kurzarbeit waren oder im Homeoffice arbeiteten, kehren aktuell an ihre Arbeitsplätze zurück – mit einer Mischung aus Sorgen und Hoffnung. Das Verrückte daran ist häufig, dass sie andere Erlebnisse hatten als Führungskräfte, die noch vor Ort waren oder alle Hände voll zu tun hatten. Wer beschäftigt war, hatte meist weder Anlass noch Zeit, sich Sorgen zu machen. Wer jedoch zuhause saß, alleine oder mit Kindern bei der Heimbeschulung, bekam täglich seine Dosis Horror-Nachrichten und hatte genug Zeit, sich eine Menge Gedanken zu machen:

  • über den eigenen Arbeitsplatz und die eigene berufliche Zukunft,
  • über mittel- und langfristige Veränderungen am Arbeitsplatz,
  • darüber, ob die Kinder noch in der Schule mitkommen,
  • über physisch oder psychisch kranke oder gefährdete Mitmenschen,
  • darüber, dass die eigenen Eltern aus Angst vor Corona nicht mehr zum Arzt gehen oder anstehende Operationen verschoben wurden und
  • vielleicht auch über den letzten Streit mit dem Partner.

Die aktuelle Corona-Krise war vor allem im April für viele Menschen eine Ausnahmesituation, auf die sie emotional sehr verschieden reagierten. Die einen gerieten, etwa aufgrund der Schreckensbilder aus italienischen Kliniken oder aus Brasilien, in Panik und fürchteten um ihr Leben. Andere machten sich sorgen über einen Rechtsruck. Wieder andere um die Kollateralschäden der Maßnahmen. Während eine letzte Gruppe die Nachrichten im Vertrauen auf die Regierung und die Wissenschafler weitgehend ignorierte, um die erzwungene Auszeit und das schöne Frühlingswetter so gut es ging zu genießen.

Damit ergaben sich ganz unterschiedliche Erlebniswelten – von sorglos bis aufgewühlt, von entspannt bis zutiefst beunruhigt und von Existenzängsten verfolgt.

Die Sicht der Fürungskräfte

Führungskräfte wurden mit diesen Gefühlsextremen ihrer Mitarbeiter*innen nur bedingt konfrontiert, während alle in Kurzarbeit oder im Homeoffice waren. Auf die Nachfrage per Videokonferenz, wie es den Mitarbeitern geht, ernteten sie meist ein Schulterzucken. “Wie soll es einem schon gehen, bei all den Nachrichten, einer ungewissen Zukunft und nörgelnden Kindern im Hintergrund? Soll ich das ernsthaft hier per Videobotschaft vor allen anderen Kollegen und Kolleginnen äußern?” Als Seminarleiter machte ich selbst die Erfahrung, dass erst in Einzelgesprächen, zum Beispiel in Pausen, wenn sich ein Teilnehmer früher als die anderen in die Videokonferenz einloggt, tiefere Gespräche über die aktuelle Situation ergaben. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass per Video Sorgen ausgetauscht werden, jedoch nicht auf offener Bühne.

Nun jedoch kehren viele Mitarbeiter*innen an ihre normalen Arbeitsstätten im Unternehmen zurück – meist, wie dargestellt, in sehr unterschiedlichen Gemütsverfassungen. Während sich manche freuen, dass es endlich wieder losgeht und die man die alten Kollegen zumindest wieder sieht – mit dem Schulterklopfen warten wir noch ein wenig – kommen andere mit gemischten Gefühlen:

  • Bin ich hier wirklich sicher?
  • Wie wird die neue Normalität aussehen, wenn wir uns am liebsten die Hand schütteln oder umarmen wollen?
  • Wie gehen wir damit um, wenn ein Kollege davon erzählt, dass Bill Gates uns alle einen Chip implantieren will?

Ist eine gute Aufarbeitung dieser für manche Mitarbeiter*innen schwierigen Zeit möglich, wenn wir uns nicht nahe kommen dürfen? Wenn ein guter Kollege weint, weil seine Eltern gestorben sind, würden wir ihn alt-normalerweise in den Arm nehmen. Und jetzt? Jetzt müssen wir abwägen, was wichtiger ist: Die Menschlichkeit oder das Risiko vermeiden, das Virus weiterzugeben? Damit wird ein natürliches menschliches Muster durchbrochen: Weinen, Trösten. Ist nur noch der Fernkontakt übrig, besteht die Gefahr, dass die Frage “Wie geht es dir?” entweder nicht ernst gemeint sein kann oder nicht ernst genommen wird. Damit befinden wir uns in einem Gewissenskonflikt. Interessanterweise gibt es beispielsweise im Umgang mit Kindern unterschiedliche offizielle Anweisungen: Während das Bildungsministerium Abstand propagiert, ist laut dem Familienministerium ein Trösten durchaus erlaubt. Egal wie wir uns entscheiden – vielleicht auch immer wieder neu –, es bleibt seltsam.

Warum Gefühle einen schwierigen Stand in Unternehmen haben

Der Lockdown ist für uns alle eine komplett neue Erfahrung, auf die jeder Mensch anders reagiert. Laut Studien hatten Ende März etwa 60 % der Menschen große Angst vor dem Virus. Diese Quote ging zwar spätestens Anfang Mai auf etwa 43 % runter. Zwischenzeitlich stieg jedoch die Quote der Menschen, die mehr Angst vor den Schäden der Maßnahmen hatten als vor dem Virus, auf etwa 30 % an. Diese litten beispielsweise daran, einen geliebten Menschen nicht mehr im Pflegeheim besuchen zu dürfen. Oder sie hatten Angst davor, dass ein Elternteil im Falle eines Herzstillstands aufgrund der Ansteckungsgefahr mit Corona nicht mehr beatmet werden darf. Hinzu kommen die täglichen Konkursmeldungen in den Medien. Angst, Sorgen oder Bedenken wurden damit zu einem alltäglichen Begleiter der Menschen im Homeoffice.

Angst ist ein unangenehmes Gefühl der Enge und Schwäche. Deshalb zeigt man sie ungern – noch dazu vermeintlich Fremden, die man schon seit Monaten nicht mehr gesehen hat. Stattdessen wird die Angst häufig hinter einer Fassade des Ärgers oder der Coolness versteckt.

Führungskräfte sollten sich darauf einstellen, dass ihre Mitarbeiter nach dem Lockdown emotional sensibler als in der Vor-Corona-Zeit reagieren, ihre wahren Gefühle jedoch nicht unmittelbar zeigen. Gefühle zu zeigen ist in den meisten Firmen ohnehin ein schwieriges Thema und wird schnell mit persönlicher Schwäche und Irrationalität in Verbindung gebracht. Dass Gefühle nicht automatisch unlogisch sein müssen, sondern in gewissen Maßen eine sehr sinnvolle Reaktion sind – so wie es in der aktuellen Situation normal ist, Angst zu empfinden –, wird dabei oftmals nicht erkannt. Wenn jemand Emotionen wie Bedenken oder Sorgen äußert, fallen manchmal sogar plumpe Sprüche wie “Sei kein Mädchen”, “Heul halt”, “Sind wir heute ein wenig dünnhäutig?” oder “Wer nichts wagt, der nichts gewinnt.”

Beispiel Hillary Clinton

Auch vermeintlich wohlmeinende Reaktionen wie „Nun bleiben Sie mal sachlich“ machen es oftmals nicht besser. Das Schlimmste, was einem Menschen auf der Karriereleiter nach oben passieren kann, ist vermutlich als hysterisch abgestempelt zu werden. Vielleicht erinnern Sie sich an das Foto von Hillary Clinton bei der Ermordung von Bin Laden 2011. Clinton verdeckte mit einer Hand ihren Mund und machte damit mindestens eine hohe Anspannung deutlich, während die anwesenden Männer cool blieben. Das Bild wurde daraufhin in den Medien heiß diskutiert: “Ist Clinton souverän genug? Und eiskalt, wenn es darauf ankommt?”

Die Tatsache, dass ein Mitarbeiter Gefühle zeigt, wird leider häufig als Legitimation genutzt, sich mit seinem Anliegen nicht ernsthaft befassen zu müssen. Denn Gefühle sind – nicht nur im Fall Clintons – mimikgewordene Bedenkenträger, die insbesondere in schwierigen Entscheidungen ungern gesehen werden. Denn dann müssten wir darauf eingehen und unsere Entscheidungen noch einmal überdenken.

Leider fehlt in vielen Unternehmen die Unterscheidung zwischen einer normalen emotionalen Reaktion und übertriebenen Gefühlsduseleien. Bei einer wichtigen Entscheidung Angst zu empfinden, schärft die Sinne für Fehler. Bricht jemand beim Anblick eines Katzenvideos in Tränen aus, steht das auf einem ganz anderen Blatt.

Deshalb sind Mitarbeiter in der Regel bemüht, am Arbeitsplatz wenig emotionale Betroffenheit zu zeigen. Stattdessen verbergen viele ihre Empfindungen hinter vermeintlich rationalen Argumenten, um schwierige Diskussionen zu vermeiden.

Alternativ dazu ist es auch möglich, dass die angesprochene Sensibilität Ihrer Mitarbeiter*innen in eine Gereiztheit umschlägt. Angst wird, wie gesagt, selten geäußert. Wut und eine aggressive Durchsetzung jedoch stehen auch in Unternehmen für Stärke und ein gutes Durchhaltevermögen. Somit wäre es nicht verwunderlich, wenn einige Menschen (ähnlich wie in den sozialen Netzwerken) in den nächsten Wochen gereizter und aggressiver sind als zuvor.

Wie Führungskräfte emotional kompetent mit Gefühlen umgehen

Umso schwerer fällt es, in der aktuellen Lage angemessen mit Gefühlen umzugehen, da diese meist wesentlich heftiger und persönlicher sein können als in normalen Zeiten.
Führungskräfte müssen daher gerade jetzt in der Lage sein, Gefühle zu erkennen, gut einzuordnen und angemessen auf sie zu reagieren.

Die eigene Selbstwahrnehmung klären

Im Umgang mit den Emotionen der Mitarbeiter ist es zunächst unabdingbar, seine eigenen Emotionen zu klären und sich als Führungskraft zu fragen, wie ich mit den Ängsten und Sorgen der Mitarbeiter umgehen will und kann. Es geht hier nicht darum, zum besten Kumpel zu mutieren und gemeinsam zu weinen. Führungskräfte sollten auch in der jetzigen Zeit nicht komplett auf einer Ebene mit den Mitarbeitern stehen. Schließlich können sie einen Menschen, der sich Sorgen macht, nur gut begleiten und ihm zuhören, wenn sie selbst ihre Ängste und Sorgen im Griff haben. Die eigenen Bedenken zu äußern, ist wertvoll für Mitarbeiter, weil sie damit erkennen, dass ihr Chef ebenso aus Fleisch und Blut besteht. Zu viele Bedenken sind hinderlich.

Es zeugt von einer großen Führungsreife, in einer Balance aus der Äußerung eigenen emotionalen Erlebens und einer pragmatischen Selbstregulation mit den Mitarbeitern in Kontakt zu treten.

Gefühle anerkennen, ansprechen und Gesprächsangebote machen

Nun gilt es, zu akzeptieren, dass Ihr Mitarbeiter ein bestimmtes Gefühl hat und dies auch zu zeigen. Ängste haben ihre Berechtigung und schützen davor, unnötige Risiken einzugehen. Sie sollten angesprochen werden dürfen und keinesfalls bagatellisiert werden. Lieber Mitarbeiter: “Ich erkenne, dass da etwas anders ist bei dir. Wenn du darüber sprechen willst, steht meine Tür für dich jederzeit offen.”

Dieses “anders” kann auch eine ungewöhnliche Stille sein. Es ist nicht ungewöhnlich, wenn Menschen sich aufgrund eines Schockerlebnisses immer mehr in sich zurückziehen.

Gefühlsausdrücke richtig einzuordnen im Sinne eines Mimiken lesens würde hier den Rahmen sprengen. Grundsätzlich gilt jedoch die Regel: Alles, was stark von der Normalität abweicht, sollte ich als Führungskraft ansprechen. Dabei wäre es freilich grundverkehrt, inquisitorisch vorzugehen. Angebote für ein Gespräch unter vier Augen sind jedoch immer wert- und sinnvoll. Viele Mitarbeiter werden dieses Angebot ausschlagen. Dennoch macht es einen enormen psychologischen Unterschied ob es ein Gesprächsangebot gibt, das nicht genutzt wird oder ob es keines gibt. Alleine das Vorhandensein dieses Angebotes erhöht die Resilienz des Mitarbeiters. Er könnte jederzeit kommen, hat es jedoch selbst in der Hand, ob er es tut oder nicht. Das Gesprächsangebot wirkt damit wie ein Sicherheitsnetz.

Sie sollten sich als Führungskraft bewusst machen, dass sich hinter den Emotionen und Ängsten ihrer Mitarbeiter individuelle Wünsche und Werte, Interessen und Erfahrungen verbergen. Auch um diesbezügliche Fehleinschätzungen zu vermeiden, ist es immer hilfreich, ein offenes Angebot auszusprechen und dem Mitarbeiter die Kontrolle zu überlassen, ob er die Hilfe annehmen möchte. Wir dürfen dabei eines nicht vergessen: Angst zu haben oder sich Sorgen zu machen, signalisiert tatsächlich eine persönliche, wenn auch in der aktuellen Situation sehr verständliche Schwäche. Hilfe anzunehmen verdeutlicht nun noch mehr persönliche Schwäche. Wundern Sie sich daher nicht, wenn Ihre Gesprächs- und Hilfsangebote regelmäßig von den Mitarbeitern abgelehnt werden.

Sie sollten sich ebenso nicht darüber wundern, dass Sie nach dem Lockdown mit Kollegen konfrontiert werden, die sie zuvor komplett anders einschätzten. Während früher souveräne Menschen plötzlich in Panik verfallen, wachsen andere zuvor “stille Mäuse” über sich hinaus. Entsprechend freuen wir uns vielleicht über die rationale Risikoabwägung von Menschen, die zuvor als unterkühlt sachlich galten – während uns die Überängstlichkeit anderer nervt, die wir bisher als emotional warmherzig einschätzten. All das wird sich wieder regulieren. Dennoch bleibt ein Teil des neuen Bildes unseres Umfelds erhalten. Für manche Menschen ist dies immerhin mit einer Chance verbunden, ihr Bild in der Umwelt zu korrigieren.

Fragen stellen statt Lösungen präsentieren

Dass Emotionen geleugnet werden, wird ebenso häufig passieren. Wenn dem so ist, sollten Sie nicht darauf beharren, dass Sie etwas bei Ihrem Mitarbeiter wahrgenommen haben. Nur wenn Ihr Mitarbeiter sich auf einen Austausch einlässt, können Sie nachhaken:

  • Was meinst du genau mit …?
  • Und was daran ist besonders belastend?
  • Was bereitet dir am meisten Sorgen?
  • Was ärgert dich am meisten?
  • Oder: Was war das Schwerste daran?

Das Prinzip dieses Nachhakens beruht darauf, dem Mitarbeiter gut zuzuhören, zu erkennen, was ihn wirklich bewegt und entsprechend nachzufragen. Ein fiktives Beispiel:

Mitarbeiter: Ich mache mir Sorgen.

Führungskraft: Was macht dir am meisten Sorgen?

Mitarbeiter: Ich frage mich, wie es weitergeht?

Führungskraft: Welche Frage stellst du dir dabei konkret?

Mitarbeiter: Ob wir bei einem erneuten Lockdown wieder in Kurzarbeit gehen?

Führungskraft: Und wenn? Was wäre das Schlimmste daran?

Mitarbeiter: Ich frage mich, ob ich dann meine Familie noch ernähren kann …

Wir sehen an diesem Beispiel, dass die Führungskraft nichts anderes tut als zuzuhören und dem Mitarbeiter den Ball mit Fragen immer wieder zurückspielt.

Der Impuls von Führungskräften, nach schnellen Lösungen zu suchen, ist verständlich. In diesem Fall ist das jedoch eher hinderlich auf der Suche nach einer persönlichen Lösung für den Mitarbeiter. Zumal Führungskräfte gerade in diesen Zeiten selten wissen, wie der Ausweg aus einer solchen unklaren Lage aussieht. Sie kann jedoch, nach einer angemessen wertschätzenden Klärungsphase in eine gemeinsame Lösungssuche überleiten:

Führungskraft: Ich habe auch keine Lösung, wie du dir vorstellen kannst, da auch ich die Zukunft nicht kenne. Was kannst du jedoch für dich tun, um dich nicht verrückt zu machen?

Mitarbeiter: Ich könnte zumindest versuchen, mich jetzt auf meinen Job zu konzentrieren. Vielleicht hilft das. Es ist schon mal gut, hier zu sein und nicht mehr zuhause.

Die Bedürfnisse hinter den Emotionen ergründen

Hinter den Gefühlen, das wissen wir spätestens seit dem  Eisbergmodell von Sigmund Freud, stehen Bedürfnisse. Erst wenn Sie als Führungskraft erkennen, welche Bedürfnisse Ihre Mitarbeiter*innen leiten, sind auch langfristige Lösungen möglich.

Stellen Sie sich vor, ein Mitarbeiter meidet alle Kontakte übervorsichtig und weigert sich vehement in eine Projektgruppe zu gehen oder Kundenkontakte zu übernehmen. Hier ist es essentiell zu klären, ob seine Angst, sich mit Corona zu infizieren, vielleicht daran liegt, dass er durch seine eigene Infektion einen Risikomenschen mit Vorerkrankung zuhause anstecken könnte.

Und wie sieht es mit einem Mitarbeiter aus, der andere Kollegen agressiv angeht, in Wirklichkeit jedoch Angst davor hat, seinen Arbeitsplatz zu verlieren. Sein Verhalten sieht aus, als wäre er machthungrig und rücksichtslos. In Wirklichkeit hat er vielleicht ein Bedürfnis nach Ruhe und Sicherheit nach den letzten stürmischen Monaten.

Intuitiv glauben wir, mit der Warum-Frage Bedürfnisse und Beweggründe zu klären. Die Warum-Frage führt jedoch meistens zu einem Weil-halt-Gegenimpuls:

  • Warum bist du so aggressiv?
  • Weil der es sonst nicht kapiert!

Um den Bedürfnissen Ihrer Mitarbeiter auf den Grund zu gehen, bietet sich stattdessen die Wofür-Frage an: Wofür macht du das? Wofür handelst du so wie du es tust? Oder auch: Was willst du damit erreichen? Was bezweckst du damit?

Führungskräfte, die es in den kommenden Wochen und Monaten schaffen, den guten Draht zu ihren Mitarbeitern wiederzufinden, sich dabei selbst als Mensch zu zeigen und die Mitarbeiter in ihrem Menschlichen nicht bloß zu stellen, werden es in den folgenden Jahren mit Mitarbeitern zu tun haben, die ihre Führungskraft schätzen lernte als einen Menschen, auf den man sich verlassen und zu dem man Vertrauen haben kann.


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Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

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Bunker-Chroniken Beitrag 7 Respektvolle Führung

Respektvolle Führung in Zeiten der Veränderung

Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor  Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich gezwungenermaßen mit der vielfältigen Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt!

In gewohnt kritischer, leicht zynischer, aber auch humorvoller Manier beschäftigt sich  Michael Hübler mit der derzeitigen Situation und reflektiert über Themen, die ihn bewegen. Damit möchte er Mut machen, Ablenkung schaffen, vielleicht auch zum Nachdenken anregen in einer aktuell schwierigen Zeit, der wir uns als Gesellschaft, Familie, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, aber auch als Freunde und Individuum stellen müssen. Daraus entstehen – mit dem ihm so typischen Augenzwinkern – die Hübler Bunker-Chroniken.

Nachdem von heute auf morgen große Teile der arbeitenden Bevölkerung ins Homeoffice wechseln mussten – inklusive typischer Startschwierigkeiten –, haben sich die Abläufe neu eingespielt und sich wieder eine gewisse Normalität eingestellt.  Doch wie verhält es sich mit der Beziehung Vorgesetzter/Mitarbeiter? Wie funktioniert Führung auf Distanz? Bleibt der gegenseitige Respekt nicht irgendwo auf der Strecke, schließlich sind schnelles Feedback, einfache Rückfragen oder kurzfristiges Austauschen zwischendurch aktuell nicht möglich? Welche Nachwirkungen sind wohl zu erwarten? Im heutigen Beitrag setzt sich  Michael Hübler genau damit auseinander: Wie funktioniert eine respektvolle Führung in Zeiten der Veränderung?

Respekt als Orientierung in turbulenten Zeiten

In turbulenten Zeiten, in denen Ziele sich stetig verändern, brauchen Mitarbeiter eine zusätzliche Art der Orientierung. Je weiter die Menschen voneinander entfernt sind, wie aktuell im Homeoffice, braucht es umso mehr die Klarheit, wofür mein Gegenüber – als Führungskraft oder Mitarbeiter – steht.

Während auf der technischen Seite die Diskussion um Algorithmen-Ethik stattfindet, um sich der Digitalisierung ein klein wenig weniger ausgeliefert zu fühlen, entdeckt die neuere Führungsliteratur alte Begriffe und Ansätze wieder, wie Werte in der Führung, die Führungskraft als Vorbild, als natürliche Autorität oder das Prinzip einer präsenten Führungskraft, die – statt in Meetings Pläne zu schmieden – wie ein alter Patriarch durch die Belegschaft streift, nach dem Rechten sieht, den Mitarbeitern mit Rat und Tat zur Seite steht und sich auch mal nach der Familie erkundigt.

Gleichzeitig zur Digitalisierung in die Zukunft gibt es folglich eine Gegenbewegung in die Vergangenheit, die dennoch anders ist als früher: Hierarchien beispielsweise funktionieren nicht mehr aufgrund von Äußerlichkeiten. Führungskräfte haben keine Autorität mehr aufgrund ihrer Rolle. Die jüngeren Generationen sind widerborstig und gehen schneller in die Diskussion als früher. Wie junge Hunde spüren sie, ob jemand auf einem ledernen Sessel sitzt, weil er nach oben stolperte, oder ob jemand dort ist, weil er  es kann und sich diese Position erarbeitet hat und damit den jungen Menschen Orientierung bieten kann. Einem Menschen zu folgen, nur weil er an einer hierarchisch höheren Stelle steht, erscheint ihnen nicht als sinnvoll. Einem Menschen zu folgen, weil er etwas zu bieten hat, ist dagegen nicht die dümmste Idee. Führungskräfte, die aktuell vor allem über die Distanz führen, merken: Ich muss meinen Mitarbeitern etwas bieten, damit sie mir vertrauen.

Wenn wir von alten Werten sprechen, dürfen wir daher nicht den Fehler machen, diese Ansätze 1 : 1 in die Neuzeit zu übertragen. Der alte, autoritäre Patriarch hat ausgedient. Präsenz bei den Mitarbeitern heißt nicht Kontrolle. Und die Führungskraft als Vorbild ist keine 100-prozentige-Blaupause für junge Mitarbeiter. Stattdessen ist die Führungskraft von heute eine präsente Autorität, deren Vorbild im besten Sinn ein Vor-Bild ist, das auch junge Menschen respektieren:

  • Führungskräfte sollten eine Orientierung bieten, der nicht 1:1 gefolgt werden muss,
  • weil ihr Handeln vor ihrem Hintergrund und ihren Erfahrungen sinnvoll war und ist,
  • von daher Respekt für die Leistungen der Führungskraft erfordert,
  • die jedoch vor dem Erfahrungshintergrund junger Menschen veränder- und verhandelbar sein muss
  • und daher interpretiert, diskutiert und sogar kritisiert werden darf,
  • damit Mitarbeiter sich die Vorgehens- und Verhaltensweisen herausziehen können, die ihnen sinnvoll erscheinen und diejenigen zu modifizieren, die für ihr Leben nicht passen.

Führungskräfte sind damit nicht nur Vorbild, sondern durch den Austausch mit den Mitarbeitern selbst Lernende. Als Trainer durfte ich dies vor kurzem auf eine positive Weise selbst im Rahmen eines Webinars erleben, indem mir die Teilnehmer zeigten, mit welchen Online-Tools das Seminar noch verbessert werden kann. Dadurch wurde das Seminar zu einer gemeinsamen Veranstaltung statt einem klassisch hierarchischen Training.

Um dies zu gewährleisten, sollten Führungskräfte ihren Mitarbeitern als Orientierung dienen, weil sie aufgrund ihrer Position und Erfahrung mehr wissen als diese und damit einen weiteren Zukunftshorizont besitzen. Gleichzeitig bekommen sie Rückmeldung von ihren Mitarbeitern, um sich stetig zu vergewissern, ob sie ihre Orientierungsfunktion noch ausüben oder ob sie etwas verändern sollten. Die Digitalisierung lehrt uns dabei, dass ältere Führungskräfte auf der einen Seite über einen größeren Erfahrungsschatz verfügen, auf der anderen Seite jedoch häufig digitale Wissensdefizite haben, die sich durch das Wissen junger Mitarbeiter ideal auffüllen lassen.

Der Kitt, der beide Seiten miteinander verbindet, lautet Respekt: Entgegen der Meinung, junge Menschen würden älteren Menschen keinen Respekt mehr entgegenbringen, machte ich im Rahmen meiner langjährigen Arbeit sowohl als Pädagoge mit Jugendlichen am Rande der Gesellschaft als auch als Dozent an Universitäten die Erfahrung, dass  junge Menschen Älteren gegenüber respektvoll begegnen, wenn sie merken, dass sie die Orientierung an ihnen weiterbringt. Wenn ich in der Arbeit mit straffälligen Jugendlichen sowohl einen klaren Plan habe, bei dem was ich tue, als auch die Standhaftigkeit ihnen gegenüber, folgen sie mir. Leider fiel mir das in jungen Pädagogenjahren nicht immer leicht. Aber warum sollten junge Straftäter sich von einem Mittelschichtsweißen etwas sagen lassen, der sich im Gegensatz zu ihnen seinen Respekt nicht auf der Straße erkämpfen musste? Was mir heute klar ist, ließ mich damals beinahe verzweifeln.

In meiner Zeit als Dozent mit Studierenden nutzte ich diese Balance zwischen Orientierung und Diskussion. Grundsätzlich gab es einen respektvollen Vertrauensvorschuss unter bestimmten Bedingungen. Mein Credo lautete: Ihr bekommt mündlich alle eine Eins. Aber nicht einfach so. Ich will eine Gegenleistung. Ich verlange:

  1. Pünktlichkeit und Ehrlichkeit: Wer später kommt oder früher gehen muss, meldet dies rechtzeitig an, und ich habe keine Lust angelogen zu werden. Und Pausen dauern 15 Minuten und nicht länger.
  2. Präsenz und Interesse: Es ist vollkommen OK, schüchtern zu sein. Nicht OK ist es, sich mit seinem Handy zu beschäftigen, statt geistig anwesend zu sein.
  3. Beteiligung im Rahmen der eigenen Möglichkeiten

Damit setzte ich klare Grenzen als Orientierung, die alle zu respektieren hatten. Gleichzeitig respektierte ich die individuellen Bedürfnisse der Studierenden.

Ein respektvoller Umgang ist nicht gleichzusetzen mit Unterstützung oder Hilfe. Im Gegenteil: Mache ich es meinem Gegenüber zu leicht, respektiere ich ihn nicht, sondern gehe davon aus, dass er es andernfalls nicht schaffen würde. Die mündliche Eins ist keine kategorische Maßeinheit, sondern eine Orientierung, die nur dann funktioniert, wenn ich davon abweichen kann, was ich damals auch innerhalb mehrerer Jahre ein- bis zweimal tat. Andernfalls wäre es respektlos gegenüber denen, die sich an die Regeln halten. Mitleid ist kein Respekt, sondern Respektlosigkeit – nicht nur gegenüber allen anderen, sondern auch gegenüber dem, der gegen die Regeln verstößt, weil ich ihm damit das Signal sende: Du schaffst es nur, wenn ich dir helfe. In diesem Sinne haben auch Klarheit, Strenge und Konsequenz mit Respekt zu tun.

Entsprechend sollten es Führungskräfte ihren Mitarbeitern nicht zu leicht machen oder sie vor unangenehmen Wahrscheiten verschonen. Schließlich geht es nicht nur um Vertrauen, sondern auch darum, jemandem etwas zuzutrauen. Mitarbeiter zu unterfordern ist eine Führungssünde – grundsätzlich, jedoch auch und gerade in Krisen und Veränderungen.

Die Führungskraft als Respektsperson

Schauen wir uns nach diesen allgemeinen Äußerungen zum Thema Respekt einige Punkte an, wofür Sie als Führungskraft in der Krise Respekt erwarten und ggf. einfordern können und sollten:

Weitsicht und Überblick

Mitarbeiter haben oftmals nicht die Weitsicht von Führungskräften, teils weil sie kürzer getaktet leben, teils weil ihnen relevante Informationen fehlen. Eine Vorstellung und Vision von der Zukunft zu haben und in Szenarien zu denken, ist jedoch eine gute Möglichkeit, Orientierung zu bieten und sich für das, was kommen könnte zu wappnen. Da wir in einer agilen Welt immer weniger mit konkreten Zielen und Plänen leben werden, ist es eine Kernkompetenz von Führungskräften in Szenarien und Wahrscheinlichkeiten zu denken: Was könnte passieren und wir können wir uns darauf einstellen?

Persönliches Engagement

Eine Führungskraft bekommt auch Respekt für ihr persönliches Engagement gegenüber höheren Führungsebenen. Kämpft sie für die Interessen ihrer Leute … und erreicht dennoch nichts, hat sie es zumindest versucht, sich selbst in die Schusslinie gebracht und sich damit den Respekt ihrer Teams verdient.

Ehrliches Interesse

Respekt bedeutet auch, sich für sein Gegenüber, seine Sorgen, Ängste, Nöte und Lebenslagen zu interessieren. Aktuell sehen wir das in der Corona-Krise an Führungskräften, die ihre Mitarbeiter  fragen, wie es ihnen im Homeoffice geht. Viele Führungskräfte berichten davon, dass ihre Mitarbeiter dieses Angebot kaum annehmen, noch dazu über eine Videoplattform. Dennoch ist es wichtig, nachzufragen, um die Reaktionen zu testen und bei Bedarf telefonisch nachzuhaken.

Auch auf der fachlichen Seite ist es essenziell, ein Interesse an den Meinungen der Mitarbeiter zu zeigen. Als Führungskraft kann ich sehr wohl anderer Meinung sein und eine abweichende Agenda verfolgen – auch für diese Geradlinigkeit gibt es Respekt. Ich sollte jedoch nachvollziehen können, warum meine Mitarbeiter so denken wie sie denken und warum sie fühlen wie sie fühlen. Treffen unterschiedliche Lager aufeinander, beispielsweise g’studierte Führungskräfte auf bodenständige Mitarbeiter oder technikaffine Millenials auf ältere Kollegen, ist die Gefahr groß, dass die eine der anderen Partei zeigen will, die der Laden wirklich läuft. Respektvoll miteinander umzugehen bedeutet, zuallererst Interesse für die Gegenseite zu zeigen, bevor ich meine eigenen Ideen platziere.

Streitbarkeit und Lernbereitschaft

Respekt bringt es Führungskräften ebenso ein, wenn sie ihre Meinungen zur Diskussion stellen, nicht im Sinne von: Bei uns wird alles ausdiskutiert – dies ist ohnehin meist eine Lüge –, sondern als Orientierung, die in groben Zügen feststeht – sonst wäre es keine Orientierung –, jedoch im Detail verhandelbar ist.

Damit einher geht der eigene Umgang mit Fehlern. Nur, wenn Führungskräfte offen mit Fehlern umgehen, als Signal, etwas daraus zu lernen, können sie den nötigen Respekt erwarten. Andernfalls heißt es von den Mitarbeitern: “Wenn wir etwas falsch machen, werden wir gnadenlos bestraft. Die Führung jedoch steht über dem Gesetz.“ So etwas sollte auf jeden Fall vermieden werden. In Zeiten der Veränderung sollte Führung zwar nicht grundsätzlich verhandelbar sein, jedoch immer bereit, sich auch selbst in die Kritik zu nehmen und anzupassen. Vielleicht kommt dieser Ansatz einer Offenen Gesellschaft, verbunden mit dem Spruch „Ich bin nicht deiner Meinung, tue jedoch alles dafür, dass du deine Meinung sagen darfst“ dem Prinzip einer agilen Führung am nächsten.

Konsequente Anpassungsfähigkeit

Für eine Haltung als Fähnchen im Wind gibt es nirgendwo Lorbeeren. Für eine Haltung, die es sich nicht allzu leicht macht jedoch schon. Führungskräfte müssen Entscheidungen treffen, die nicht immer allen schmecken. Es allen recht zu machen erscheint ohnehin unmöglich, gerade in Krisenzeiten. Respekt bekommen Führungskräfte, wenn sie schwierige Entscheidungen nicht brutal, aber konsequent durchziehen und auch selbst die nötigen Konsequenzen mittragen.

Dass sich manche Urteile im Nachhinein als falsch herausstellen, tut einer konsequenten Haltung keinen Abbruch. Wir handeln immer nur aus den vergangenen Erfahrungen und dem aktuellen Wissen heraus. In die Zukunft kann, trotz Weitsicht, niemand blicken. Genauso wie es respektabel ist, eine Entscheidung konsequent durchzuziehen, ist es auch ein Zeichen von Stärke, sein Urteil aufgrund neuer Informationen anzupassen.

Transparente Kommunikation

Dieses Prinzip einer agilen Vorgehensweise in Krisen und Veränderungen ist insbesondere für die Mitarbeiter schwer nachzuvollziehen, die es gewohnt sind, nach klaren Vorgaben zu handeln. Als Beispiel kann uns die Vorgehensweise der Regierung in der aktuellen Krise dienen: Während die erste Phase laut Innenministerium als Hammerphase beschrieben wurde, in der Maßnahmen als alternativlos galten, wurde die zweite Phase – kurz nach Ostern – mit dem Begriff des Tanzes beschrieben. Dabei ging und geht es, jetzt Ende Mai, immer noch um den Tanz um die Gerechtigkeit. Wer darf wann sein Geschäft wieder öffnen? Welche Kinder kommen wieder in die Schule oder den Kindergarten? Welche noch nicht? Usw.

Die Obergrenze der Infektionszahlen werden festgelegt und kurze Zeit später wieder angepasst. Restaurants werden geöffnet, während Fitnessstudios noch geschlossen haben. Die Öffnungszeiten werden vorgegeben und wenige Tage später wieder verändert. Masken galten zuerst als unnötig, und wurden später doch eingeführt. Dies mag chaotisch anmuten oder agil. Als „Mitarbeiter der großen Firma Deutschland“ können die meisten Bürger die Hintergründe und genauen Beweggründe der Politiker kaum überschauen, weshalb sich nicht wenige Menschen mehr Stringenz in der Entscheidungsfindung wünschen. Dabei zeigt sich jedoch, dass eine agile Vorgehensweise dann akzeptiert wird, wenn die Kommunikation transparent ist, um den Bürgern zu erklären, was wann warum gemacht wird. Mit der Transparenz ist auch das Vertrauen in denjenigen, der Macht über mich hat, eng verbunden. Andernfalls kocht die Gerüchteküche schnell über.

Gerechtigkeit

Als Metathema steht über all dem die Frage nach der Fairness. Kann ich für alle dasselbe Interesse aufbringen? Und wenn ich Entscheidungen treffen, werden danach manche besser, andere schlechter dastehen? Führungskräfte stehen immer wieder vor der Frage nach der Fairness oder müssen sich den Vorwurf anhören, unfair entschieden zu haben. Wird der Respekt der einen also mit dem Groll der anderen (billig) erkauft?

Mitnichten! Unfair wäre es, Bedingungen zu definieren und diese anschließend zurückzunehmen. Wenn ich als Führungskraft ankündige, dass wir im Zuge einer Umstrukturierung aufgrund der Krise das Engagement aller benötigen und am Ende die Unbeteiligten und Blockierer genauso belohne wie alle anderen, entwerte ich die Leistung der Engagierten. Zuvor gilt es kritisch zu klären, warum manche unbeteiligt sind oder sich querstellen. Vielleicht fehlen die Orientierung und Vorbildfunktion in der Veränderung.

Oder der Sinn einer Aktion ist nicht ersichtlich. Später jedoch braucht es konsequente Handlungen. Andernfalls kann ich mir solche Ansagen in Zukunft sparen. Fairness wird damit weniger zu einer Frage nach gleichen Bedingungen für alle, sondern zur respektvollen Berücksichtigung verschiedener Sichtweisen und unterschiedlich schwerwiegender Konsequenzen von Entscheidungen. Zur Not heisst es dann: Nimm das Leiden deiner Mitarbeiter ernst. Erst recht, wenn du es nicht ändern kannst. Mitarbeiter verlieren nicht ihre Würde, wenn sie leiden müssen. Sie verlieren jedoch ihre Würde, wenn sie sich nicht anstrengen müssen und es ihnen zu leicht gemacht wird.

Respekt in heutigen Zeiten wird also nicht per se erteilt, sondern im weitesten Sinn erarbeitet. Dabei spielt auch der Selbstrespekt eine wichtige Rolle. Nur wenn ich selbst von mir und meinen Leistungen überzeugt bin, kann ich führen. Da mir nur dann Mitarbeiter das nötige Vertrauen entgegenbringen und sich führen lassen.

Respekt für die Mitarbeiter

Schauen wir nun auf die Seite der Mitarbeiter. Wofür könnten oder sollten Sie als Führungskraft Ihren Mitarbeitern gegenüber Respekt zollen, gerade jetzt in der Krise?

Zuallererst gilt genauso wie für Führungskräfte: Respekt wird nicht verliehen, sondern erarbeitet. Als Führungskraft kann ich entsprechend einem Mitarbeiter Respekt entgegenbringen, der trotz widriger Lebenslagen und Umstände seine Arbeit erledigt, vielleicht sogar ohne zu murren. Oder für einen Mitarbeiter, der seine Erfahrungen, Erkenntnisse, Leistungen, sein Wissen und Engagement einbringt, auch und vor allem gegen Widerstände und den aktuell vorherrschenden Gemeinschaftsgeist. Meist trägt er damit wichtigere Informationen zur Diskussion bei als alle anderen. Und er folgt damit dem Prinzip einer Offenen Gesellschaft, in der Kritik nicht nur erlaubt, sondern erwünscht ist, um Entscheidungen nachhaltiger zu gestalten. Auf dieser Basis lassen sich respektvoll-kritische Angebote zur produktiven Zusammenarbeit formulieren.

Ist jedoch von einem Mitarbeiter wenig Entgegenkommen zu spüren, kann ich diesen tolerieren, im Sinne von aushalten, zumal ich oft keine andere Möglichkeit habe, einen Blockierer einzubinden. Respektieren im Sinne einer tieferen Berücksichtigung seiner Interessen muss ich ihn nicht. Auch das hat viel mit Selbstrespekt und Selbstachtung zu tun. Als Führungskraft biete ich nur eine Orientierung, wenn ich mir die Option offenhalte, eine Grenze zu ziehen und Nein zu sagen.

Neben diesen grundsätzlichen Aspekten des Respekts und Selbstrespekts kann ich als Führungskraft vielen verschiedenen Haltungen und Verhaltensweisen eines Mitarbeiters einen besonderen Respekt entgegenbringen. Es geht hier weniger darum, dass ein Mitarbeiter bestimmte Eigenschaften von Haus aus mitbringt, sondern darum, sich aus seiner Komfortzone herauszuwagen. Auch dieses Zutrauen in die Fähigkeit eines Mitarbeiters, über sich hinauszuwachsen, ist ein Zeichen des Respekts.

In diesem Sinne können und sollten Sie als Führungskraft Respekt dafür haben, dass ein Mitarbeiter …

  • trotz Ängsten und Sorgen sein Bestes gibt.
  • neugierig in die Zukunft blickt, ohne sich bangemachen zu lassen.
  • kreative Ideen einbringt, die auch mal daneben liegen können.
  • seine verrückten Ideen gegen die Meinungen anderer verteidigt, ohne dogmatisch darauf zu beharren.
  • seine Aufgaben konzentriert, planerisch und zuverlässig angeht, ohne in Hektik zu verfallen.
  • belastbar und leidensfähig ist, insbesondere in Zeiten der Krise, in denen Mitarbeitern vieles abverlangt wird, was über das normale Pensum hinaus geht.
  • trotz allem anpassungs-, kritik- und konfliktfähig bleibt.

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Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

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Homeoffice – die neue Normalität?

Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor  Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich gezwungenermaßen mit der vielfältigen Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt!

In gewohnt kritischer, leicht zynischer, aber auch humorvoller Manier beschäftigt sich  Michael Hübler mit der derzeitigen Situation und reflektiert über Themen, die ihn bewegen. Damit möchte er Mut machen, Ablenkung schaffen, vielleicht auch zum Nachdenken anregen in einer aktuell schwierigen Zeit, der wir uns als Gesellschaft, Familie, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, aber auch als Freunde und Individuum stellen müssen. Daraus entstehen – mit dem ihm so typischen Augenzwinkern – die Hübler Bunker-Chroniken.

In der Corona-Krise waren viele Unternehmen gezwungen – zumindest dort, wo theoretisch möglich – ihre Tätigkeiten ins Homeoffice zu verlegen, selbst Unternehmen, in denen dies bislang undenkbar erschien. Doch Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen, fehlende Kinderbetreuung, aber auch die Einhaltung von Hygienemaßnahmen machten es notwendig, von heute auf morgen den Mitarbeitern die Möglichkeit zu bieten, von zu Hause zu arbeiten. Im heutigen Beitrag setzt sich  Michael Hübler damit auseinander, welche Lehren sich aus dieser Erfahrung ziehen lassen. Möglicherweise wird Homeoffice zu einer neuen Normalität?

Das alte und das vorübergehende Neue

Was Anfang März noch normal war, ist heute auf einmal ziemlich anders. Als Trainer für das Thema Führung auf Distanz – seit Corona ließe sich das Thema auch Führung mit sozialer Distanz nennen – hat sich seitdem einiges verändert, was Führung und Zusammenarbeit angeht.

Anfang März hatte ich mein letztes „Seminar mit Anfassen“. Die Stimmung pendelte irgendwie zwischen seltsam und belustigt. Damals tauchten die ersten Fälle von Covid-19 in Starnberg auf. Das Seminar – vor beinahe unendlichen Zeiten – fand ausgerechnet in einem Vorort von München statt. Es galt bereits die Order, sich nicht die Hand zu geben, was ab und an vergessen und mit einem unsicheren Lachen kommentiert wurde.

Heute ist vieles anders, vielleicht vorübergehend, vielleicht auch dauerhaft. Die Seminarhäuser haben wieder geöffnet. Gruppenarbeiten wird es aber bis auf Weiteres nicht geben. Das physical oder social distancing setzt sich damit fort. Immerhin treffen sich die Menschen live vor Ort und können endlich wieder Themen diskutieren, die schriftlich im digitalen Raum schwierig zu besprechen waren. Verrückterweise lautet mein erstes Seminar “Mimiken und Körpersprache lesen”.

Der Stellenwert der Heimarbeit

Vielen Mitarbeitern wird noch empfohlen, soweit es möglich ist, im Homeoffice zu bleiben. Waren die Bedenken vor Corona groß, musste es nun funktionieren. Die Sorgen, die früher in Seminaren zur Vorbereitung von Mitarbeitern im Homeoffice geäußert wurden, hatten viele Hintergründe:

  • Wie führe ich, wenn niemand da ist oder ich niemanden erreiche?
  • Wie gehe ich als Führungskraft mit diesem Kontrollverlust um?
  • Kann ich meinen Mitarbeitern vertrauen?
  • Wie gehen wir mit der Technik um?
  • Welche Sicherheitsbestimmungen brauchen wir zum Thema Datenschutz?
  • Welche Tätigkeiten lassen sich sinnvoll in der Heimarbeit erledigen, welche nicht?
  • Wie kann Teamarbeit über die Distanz funktionieren?
  • Wie sollte die Kommunikation über die Distanz ablaufen, vor allem wenn Missverständnisse oder Konflikte auftauchen?
  • Was trauen sich insbesondere unsichere Mitarbeiter zu?
  • Ist jeder Mitarbeiter geeignet? Und wenn nein, wer bewertet das nach welchen Kriterien?
  • Darf ich Mitarbeiter, die lieber vor Ort bleiben wollen, zum Homeoffice zwingen?
  • Werden die Menschen einsam sein, weit weg von ihrem Team?

Die Frage der Mitarbeiter wurde auch zu einem Generationenthema. Während ältere Kollegen sich mit dem Gedanken oftmals schwerer anfreunden konnten, zuhause alleine  vor ihrem Bildschirm zu sitzen und befürchteten, den Small-Talk am Kaffeautomaten zu vermissen, sahen viele jüngere Mitarbeiter die Vorteile darin: Weniger Fahrtzeiten, eine praktikablere Work-Life-Balance und ein störfreieres Arbeiten. Als Millenials waren sie es zudem gewohnt, ihr halbes Leben vor einem schwarzen Bildschirm zu verbringen. Zudem kannten sie die Zeit der Stammtische in vielen Firmen nicht mehr, konnten daher auch nichts vermissen.

All diese Fragen wurden durch die Krise kassiert.

Was gehen musste, ging, egal wie gut oder schlecht. Wie es funktionierte, wissen Sie, lieber Leser und liebe Leserin besser als ich. Für groß angelegte Studien ist es noch ein wenig zu früh. Einzelne Aufarbeitungen stehen ebenso noch aus.

In Krisen wird häufig von Gewinnern und Verlierern gesprochen. Derzeit wird noch darüber gestritten, ob die Medien nun gewonnen oder verloren haben. Die Sichtung öffentlich-rechtlicher Sender nahm ebenso zu wie der Konsum alternativer Medienkanäle bis hin zu Verschwörungsseiten. Aktuell sind auch noch viele Menschen verwirrt und unzufrieden, ob der Frage, wie es weitergehen soll, mit ihnen selbst, als auch mit der Politik. Die Emotionen kochen im Angesicht einer ungewissen Zukunft hoch, was sich an den zahlreichen Demonstrationen in Deutschland ablesen lässt. Auch dies wird sich vermutlich nach und nach renormalisieren. Und wie lange die Wirtschaft braucht, bis sie sich wieder stabilisiert hat, ist ebenso ungewiss. Auch hier gibt es ganz neutral formuliert Krisengewinner und Krisenverlierer. Wir werden bald anhand eines neuen Stadtbilds sehen, welche kleinen und mittelgroßen Unternehmen und Geschäfte, Kinos und Gaststätten leider nicht mehr existieren und welche es durch die Krise hindurch geschafft haben.

Unternehmen, für die Homeoffice möglich war, könnten als heimliche Gewinner gestärkt aus der Krise hervorgehen. Sie haben erfahren, was möglich ist und was nicht. In einer Zeit, in der von jungen Mitarbeitern als eine der ersten Fragen im Bewerbungsgespräch die Frage nach dem Homeoffice gestellt wird und in der wir dringend Konzepte zur Entspannung des öffentlichen Nahverkehrs, der Rettung der Umwelt und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie benötigen, bekommt eine zukünftige zeitweise Heimarbeit einen zentralen Stellenwert.

Dazu ist es jedoch notwendig, die Erkenntnisse aus der Corona-Zeit sauber und detailliert aufzuarbeiten, im Sinne eines „Was ging? Was ging nicht? Und wie wollen wir uns in Zukunft positionieren?“

Führung als Nähe-Distanz-Hybrid

Für diese neue Zeit eines hybriden Vor-Ort-und-Heimarbeit-Agierens braucht es ebenso ein Umdenken von Führungskräften. Wie so oft liegt die Lösung nicht in einem Entweder-Oder, sondern einem Sowohl-als-auch.

Spontane, emotionale Führungskräfte werden sich schwerer tun mit einer Führung auf Distanz. Sie werden die Nähe zu ihren Mitarbeitern vermissen. Eher sachlich orientierte und gut strukturierte Führungskräfte, so ließe sich meinen, könnten sich leichter tun. Bei diesen jedoch besteht die Gefahr, den Draht zu ihren Leuten über die Distanz komplett zu verlieren. Es braucht eine gute Mischung aus beiden Typen.

Dabei ist es hilfreich, einen Blick in die Prinzipien zu werfen, mit denen agile Teams gute Erfahrungen gemacht haben:

Vertrauen in die Mitarbeiter

Wird vermehrt virtuell geführt, wird die Frage nach dem Vertrauen zum zentralen Thema:

  • Wie motiviere ich meine Mitarbeiter, wenn ich sie primär digital zu Gesicht bekomme?
  • Wieviel Vertrauen habe ich in meine Mitarbeiter, wenn ich sie nur per Stimme oder Bildschirm empfange?
  • Wie kann ich über die Ferne einschätzen, ob meine Mitarbeiter mich belügen?
  • Lässt sich am heimischen Arbeitsplatz konzentriert arbeiten?
  • Wie gehe ich mit Vertrauensenttäuschungen um?

Eine Führung auf Distanz ist eben nicht gleichzusetzen mit einer sachlich orientierten Führung, sondern bedeutet ebenso Beziehungsmanagement, Bindungsaufbau und Vertrauensarbeit. Vertrauen jedoch ist eine wacklige Vorleistung, die Mitarbeiter im besten Fall dazu bewegt, sich in die Richtung des Zugetrauten zu bewegen. Diese Vorleistung wurde nun durch die Krise erzwungen. Wurde Vertrauen enttäuscht, kann es sich um Absicht handeln oder um mangelnde Fähigkeiten aufseiten des Mitarbeiters, beispielsweise weil die Situation im Homeoffice mit einem zu betreuenden Kind im Nebenraum nicht gerade optimal verlief. In beiden Fällen muss die Situation per Feedback geklärt und aufgearbeitet werden.

Reflexion: Reflektieren Sie eine Situation, in der Ihr Vertrauen während der Krise missbraucht wurde?.Wie deuteten Sie die Absicht der Gegenseite und wie könnten Sie es noch deuten? Woran lag es, dass es zur Vertrauensenttäuschung kam? Was wollen Sie tun, damit es in Zukunft besser funktioniert?

Transparenz, Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit

Auf der anderen Seite fördern die Transparenz, Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit Mitarbeiter darin, ihrerseits der Führungskraft zu vertrauen, um eigenverantwortlich Aufgaben zu übernehmen, ohne Angst, später torpediert zu werden. Insbesondere in unklaren Prozessen und Entscheidungen ist Transparenz wichtig, um Mitarbeitern Sicherheit zu geben. Gerade in einer Krise gleicht es jedoch einer Gratwanderung, welche Themen offen angesprochen werden und welche nicht. Während es in normalen Zeiten eher sinnvoll ist, transparenter zu agieren, ticken die Uhren in Krisenzeiten so schnell, dass Entscheidungen von heute schon morgen Schnee von gestern sein können. Manchmal ist es daher sinnvoll, erst einmal abzuwarten, bis eine Entscheidung wirklich spruchreif ist.

Reflexion: Welche Themen machten Sie in der Krise transparent? Wie gingen Sie vor allem mit heikle Themen wie möglichen Kündigungen oder Kurzarbeit um? Welche Chancen und Risiken ergeben sich aus einem offenen Diskurs?

Aufarbeitung der Erfahrungen im Homeoffice

Die Welt nach Corona wird auch in deutschen Büros nicht dieselbe sein. Viele Organisationen würden vermutlich im Anschluss gerne so weitermachen wie bisher. Wenn jedoch schon durch das erzwungene Homeoffice so viele Erfahrungen gemacht werden, wäre es sinnvoll, die Erkenntnisse aus der Krisenzeit gut aufzubereiten.

Mögliche Fragen zur Aufarbeitung im Anschluss lauten:

Ressourcen und Technik

  • Waren die Ressourcen passend? Wie hat es mit der Technik funktioniert?
  • Welche Plattformen/Software zum Austausch waren hilfreich? Und welche sind nicht zu empfehlen?
  • Welche Erfahrungen konnten wir aus E-Learning-Programmen gewinnen?
  • Wie gut funktionierte die technische Betreuung im Homeoffice?
  • Wovon hätten sich die Mitarbeiter mehr, wovon weniger gewünscht?

Austausch, Zusammenarbeit und Konflikte

  • Welche Auswirkungen hatte die Zeit im Homeoffice auf den Kontakt zu und die Kooperation zwischen den Kollegen, insbesondere wenn im Projekt zusammengearbeitet wurde?
  • Welche Auswirkungen hatte die Zeit im Homeoffice auf den Austausch zwischen Führungskräften und Mitarbeitern?
  • Wie wurde mit Problemen, Hindernissen, Konflikten oder unerwarteten Wendungen umgegangen?
  • Wie sollten wir in Zukunft kommunizieren? Wofür sind Chats geeignet, wofür E-Mails, Videokonferenzen, das Telefon etc.?

Ziele und Zielvereinbarungen

  • Waren die Zielvereinbarungen genau genug und damit hilfreich zurOrientierung?
  • Oder brauchte es eher mehr Spielräume in den Zielvereinbarungen?
  • Brauchen wir eher gleiche Zielvereinbarungen für alle oder individuelle Absprachen?
  • Wurden Ziele nicht erreicht, erreicht oder sogar übertroffen? Woran lag das?
  • Lassen sich daraus Schlüsse für die Arbeit im Büro ziehen?
  • Waren die Kunden  mit den erarbeiteten Ergebnissen zufrieden?

Kompetenzen

  • Welche Kompetenzen wurden im Rahmen der Arbeit im Homeoffice erweitert?
  • Gab es Kompetenzen, die fehlten oder noch immer fehlen?
  • Welche Fortbildungen zur Erweiterung der Kompetenzen wären sinnvoll?

Fazit

  • Wofür ist Homeoffice tatsächlich komplett ungeeignet?
  • Was funktionierte gut oder sogar besser als gedacht?
  • Welche Erkenntnisse ergaben sich insgesamt durch die Zeit im Homeoffice?
  • Welche Erkenntnisse waren erwartbar, welche überraschend?
  • Für wen sind diese Erkenntnisse (besonders) wichtig?
  • Welche Schlüsse und Empfehlungen ergeben sich daraus?

bunker Arbeitsplatz dunkel keller

Noch mehr Beiträge aus den Bunker-Chroniken findet ihr
 hier. Und schon nächste Woche geht es weiter !
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Über den Autor

 Michael Hübler ist Mediator, Berater, Moderator und Coach für Führungskräfte und Personalentwickler. Als Konfliktmanagement- und Verhandlungstrainer zeigt er, wie wertvoll der Schritt von einer „Heilen-Welt-Philosophie“ zu einer transparenten, agil-mutigen Führung ist.

Zum Schutz vor Lagerkoller empfohlen:

 Provokant – Authentisch – Agil
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bunker Arbeitsplatz dunkel keller Beitrag 5 Lösung von Konflikten

Konkrete Vorgehensweisen und Methoden zur Lösung von Konflikten in der Krise

Als erfolgreicher Mediator und Coach ist Bestseller-Autor  Michael Hübler üblicherweise viel unterwegs, um Führungskräfte zu schulen oder Vorträge zu halten. Doch wie viele Selbstständige ist er nun ebenfalls ins Homeoffice verbannt und beschäftigt sich gezwungenermaßen mit der vielfältigen Berichterstattung zur aktuellen Situation. Und was macht ein Autor, der an den Schreibtisch gefesselt ist und plötzlich “zu viel” Zeit hat? Natürlich – er schreibt!

In gewohnt kritischer, leicht zynischer, aber auch humorvoller Manier beschäftigt sich  Michael Hübler mit der derzeitigen Situation und reflektiert über Themen, die ihn bewegen. Damit möchte er Mut machen, Ablenkung schaffen, vielleicht auch zum Nachdenken anregen in einer aktuell schwierigen Zeit, der wir uns als Gesellschaft, Familie, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber, aber auch als Freunde und Individuum stellen müssen. Daraus entstehen – mit dem ihm so typischen Augenzwinkern – die Hübler Bunker-Chroniken.

Je länger die derzeitige Situation andauert, desto mehr Konflikte, die bislang unter dem Deckelmantel eines “Gemeinsam stark in der Krise” schwelten, treten zutage. Führungskräfte sind dann gefordert, ihre Mitarbeiter und Kollegen wieder auf einen gemeinsamen Weg zu führen, ohne die Befindlichkeiten eines jeden einzelnen zu übergehen, als unwichtig oder irrelevant abzutun oder gar zu ignorieren. Im heutigen Beitrag liefert  Michael Hübler konkrete Vorgehensweisen und Methoden zur Lösung von Konflikten in der Krise.

Wahrheiten sind immer persönliche Wahrheiten

Prallen konträre Meinungen aufeinander, geraten die Kontrahenten schnell in eine Art Ping-Pong-Spiel in Dauerschleife. Ein Fortschritt im Sinne einer gemeinsamen Einigung oder Lösung ist schwer zu erreichen. Wirft beispielsweise eine Partei der anderen vor, sich unkollegial zu verhalten, weil sie sich in der Krise über Gebühr krank meldet, während sie selbst sich anstrengt, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, könnte die Gegenpartei kontern, dass sie nunmal nicht bereit ist, alles mitzumachen und es unverantwortlich findet, unter welchen Bedingungen sie zu arbeiten hat. Immerhin hat sie einen asthmakranken Sohn zu Hause.

In anderen Konflikten in der Krise kann es um Verteilungskämpfe gehen, um Ressourcen, um die Frage nach der eigenen oder fremden Systemrelevanz, beispielsweise zwischen hauseigenen Mitarbeitern und Freelancern, um die Frage nach dem richtigen Weg aus der Krise oder um den Vorwurf an das Unternehmen, nicht sauber gewirtschaftet zu haben, um nun die Krise zu überstehen. Solche oder ähnliche Konflikte werden wir in den nächsten Wochen noch mehr zu hören bekommen oder uns selbst mittendrin befinden.

Dabei geht es meistens um die eigene Wahrheit, die gegen die Wahrheit des Gegenübers, innerhalb der eigenen Hierarchie oder hierarchieübergreifend, ins Feld gebracht wird. Während sich in den Medien Verschörungstheorien und Fakten-Checker eine regelrechte Schlacht um die richtige Meinung liefern, findet auch im persönlichen Bereich ein Kampf um die richtige Wahrheit statt. Wahrheit jedoch ist zumeist eine persönliche Wahrheit: Der Kollege, der Angst um seinen asthmatischen Sohn hat, hat recht. Der Mitarbeiter, der es unfair findet, dass sich sein Kollege krank meldet, hat ebenso recht.

Ähnlich wie in den Medien empfiehlt es sich auch im privaten Bereich bzw. unter Kollegen, davon wegzukommen, Fakten oder Wahrheiten gegeneinander auszuspielen oder sogar zu hinterfragen, ob das Kind wirklich so krank ist oder ob der alleingelassene Kollege nicht ein wenig übertreibt. Stattdessen gilt als oberstes Gebot, die persönlichen Wahrheiten als gegeben stehen zu lassen, um das angesprochene Ping-Ping-Spiel zu verhindern und einen Schritt weiter in Richtung Lösung zu kommen.

Konflikte lassen sich nur als Prozess lösen

Vor allem zu Beginn der Corona-Krise herrschte die Meinung vor, schnell handeln müssen. Das mag sein. Es sollte jedoch einzelne Menschen nicht daran hindern, ihren eigenen Suchprozess zu starten und sich damit selbst eine Art Mündigkeit zu erarbeiten. Was wirklich richtig und was falsch gewesen sein wird, weiß aktuell niemand. Vielleicht lautet der Spruch, der die Krise momentan am besten trifft: Wir wissen so wenig. Oder wie es Noam Chomsky formulierte: Wir verfügen über einen enormen Fundus an Wissen. Allerdings wissen wir nicht, welche Bedeutung dieses Wissen hat.

Gleiches gilt für firmeninterne Konflikte. Auch hier hören die Mitarbeiter Zahlen über Kredite, Kürzungen, Verlängerung der Kontaktsperre, Krankmeldungen oder unterbrochene Lieferketten. Meinungen darüber sind schnell gebildet. Die wirkliche Bedeutung hinter den Zahlen, insbesondere für das eigenen Leben bzw. den eigenen Arbeitsplatz, sind jedoch schwerer zu ergründen.

Auf der Basis der Akzeptanz gegenseitiger Meinungen und Wahrheiten ist es gut, sich gemeinsam auf einen Prozess einzulassen, um zu klären, was hinter den persönlichen Meinungen steht. Unsere Sicht auf die Welt liefert uns zwar einen Auslöser zu einer Handlung. Diese Sicht unserer persönlichen Wahrheiten, unserer Wahrnehmungen und Meinungen, erklärt jedoch nicht unsere wahren Hintergründe. In diesem Sinne gibt es streng genommen, wenn wir noch einmal auf die aktuelle Krise zu sprechen kommen, keine Verschwörungen, sondern lediglich Interessen oder Anliegen.

In den meisten privaten oder beruflichen Konflikten gibt es ebenso in den seltensten Fällen böswillige oder gar hinterhältige Verschwörungen. Meistens liegen hinter einer Handlung Anliegen, Ängste, Bedenken, Sorgen, Ziele, Interessen oder Bedürfnisse.

Das vermutlich bekannteste Prozessschema, um solchen Interessen, Bedürfnissen, Zielen, usw. auf den Grund zu gehen und Konflikte schrittweise zu bearbeiten, ist im amerikanischen Raum das Harvard-Modell nach Uri und Fisher und im europäischen der U-Prozess nach Glasl und Ballreich. Dabei zeigt sich, dass ein Wegkommen von Meinungen, vermeintlichen Wahrheiten oder Vermutungen hin zu Interessen, Bedürfnissen usw. eine Begegnung von Mensch zu Mensch ermöglicht. Erst dadurch erkennen Kontrahenten, dass sie ganz ähnliche Anliegen haben und sich damit auch ein gegenseitiges Verständnis entgegenbringen.

Im Prinzip sind sich das Harvard-Modell und der U-Prozess sehr ähnlich. Der U-Prozess erweitert jedoch das Harvard-Modell um den Aspekt der Emotionen, der besonders in der aktuellen Krise sehr wichtig ist, weil wir alle auf unsere eigene Art betroffen sind und damit Angst oder Sorgen haben – um unsere Gesundheit oder die Gesundheit unserer Lieben, um unseren Arbeitsplatz, um unseren Rechtsstaat, die körperliche Unversehrtheit unserer Kinder oder die Solidarität zu anderen was Impfungen angeht oder sogar die Weltordnung oder die gelebten Werte während und nach Corona. Es geht um Gesundheit, Solidarität und Gerechtigkeit und damit die ganz großen Themen.

Schauen wir uns den U-Prozess etwas genauer an:

  1. Welche Sichtweisen stehen hinter den Meinungen?
    Sichtweisen verdeutlichen den Kontext zu einer Meinung. Aus welchen Erfahrungen und Erkenntnissen heraus handelt der Kollege? Wurde er schon einmal gekündigt? Gab es schon früher einmal einen Notfall mit dem asthmatischen Jungen? Steht gerade das Abzahlen eines Hauses an?
  2. Welche Emotionen sind mit den Sichtweisen eng verbunden? Und welche Ängste, Sorgen, Bedenken, aber auch Wut, Ärger und Enttäuschungen sind vorhanden?
  3. Welche Interessen oder Bedürfnisse liegen hinter den Sichtweisen und Emotionen?
    Hier finden wir den Sinn hinter einer Handlung oder Meinungsäußerung, der selten ausgesprochen wird. Spannenderweise finden sich hier alle Menschen irgendwie wieder: Jeder will gesehen, gehört und ernst genommen werden. Jeder Mensch braucht eine gute Balance zwischen Klarheit, Sicherheit und Selbstbestimmung. In der aktuellen Krise erleben sich viele Menschen als Spielball der großen Politik und der großen Managemententscheidungen. Sie fühlen sich weder sicher noch selbstbestimmt. Bei den einen führt dies zu einer übertriebenen Panik. Als Nichtrisikogruppe wäre es nicht wirklich schlimm, sich anzustecken. Die Angst ist dennoch bei vielen vorhanden. Bei anderen führt es zu Trotz und einer Wut im Bauch und evtl. Beschimpfungen am Telefon.
  4. Wenn sich die Parteien gegenseitig mit ihren Interessen und Bedürfnissen kennenlernten, ist es möglich, sich entgegenzukommen, indem die Bedürfnisse nach Sicherheit und Wahrnehmung zumindest teilweise erfüllt werden. Während die eine Partei der anderen signalisiert, dass die Gefahr einer Ansteckung gering ist, wenn im Büro auf den Sicherheitsabstand geachtet wird, bedankt sich die andere Partei für die Aufopferung in der Krise, damit der Laden weiterlaufen kann.
  5. Nach einem Austausch der gegenseitigen Angebote werden konkrete Vereinbarungen getroffen, die anschließend in die Praxis umgesetzt werden.

Neben diesem typischen Krisenkonflikt zwischen Mitarbeitern, besteht ein anderer Konfliktherd zwischen Führungskräften und Mitarbeitern. Eine Führungskraft, die in der Krise auf Widerstände stößt, könnte auf der Grundlage der Austausches von 1 bis 3 den Mitarbeitern sowohl die klaren Informationen geben, die sie bereits hat als auch eine ernstgemeinte Einladung zu kreativen Mitbestimmung aussprechen, um den Widerstand produktiv zu nutzen. Mitarbeiter, die ein solches Angebot bekommen, müssen es freilich auch annehmen, um den Deal perfekt zu machen. Nach einem Austausch der gegenseitigen Angebote, in diesem Fall Angebot zur Mitbestimmung gegen Aufgabe des Widerstands, werden konkrete Vereinbarungen getroffen, wie der gemeinsame Deal in der Praxis aussehen sollte.

Wir treffen uns in der Zukunft auf einer dritten Position

Sollten Sie als Führungskraft in der Krise als Moderator zwischen zwei Parteien gefordert sein, ist es hilfreich, als dritte Position die noch unbestimmte Zukunft ins Spiel zu bringen. Ich möchte dies anhand des Hegelschen Prinzips der Dialektik von These, Antithese und Synthese erläutern. Die dritte Position einer Synthese zieht aus dem Austausch zweier Meinungen einen dritten zukünftigen Ansatz, um einem Streit eine produktive Erkenntnis abzugewinnen.

An einem einfachen Beispiel erläutert:

  • These: Die einen trauern der alten Welt nach.
  • Antithese: Die anderen planen bereits die Organisation der neuen Welt.
  • Synthese: Was an der alten Welt ist bewahrenswert? Was an der neuen Welt ist begrüßenswert?

Der Ausblick in eine noch unbestimmte Zukunft mittels Visionen und positiver Szenarien stellt eine solche dritte Position dar. Eine Krise zwingt uns, Stellung zu beziehen und Farbe zu bekennen. Damit brechen Thesen und Antithesen aufeinander. Während uns jedoch in der Jetzt-Zeit manche Positionen als unvereinbar erscheinen, kann die Zukunft zusammen gestaltet werden.

Reflexion: Meine Rolle als vermittelnde Führungskraft

Wenn Sie als Führungskraft dergestalt in DIskussionen gehen, sollten Sie auch Ihre eigene Rolle in der Krise beleuchten:

  • Wie fördere oder behindere ich selbst unsere Zusammenarbeit in der Krise und darüber hinaus?
  • Wie leicht fällt es mir, mit negativen Emotionen umzugehen?
  • Was brauchen meine Mitarbeiter von mir?
  • Was will und was kann ich ihnen geben?
  • Wo sind auch mir die Hände gebunden?
  • Was brauche ich selbst beispielsweise auch von meinen Mitarbeitern?

Der mediative Methodenkoffer

Schauen wir uns abschließend einige Methoden an, die nicht nur für Führungskräfte im Zuge von Konflikten in Krisen interessant sind, sondern von jedermann angewandt werden kann:

Ausgleichsrhetorik

Wenn zwei sich streiten: „Ich versuche, dich zu verstehen. Lasst uns ergründen, welche Gemeinsamkeiten wir haben, wo wir uns ergänzen und worin wir uns unterscheiden.”

Heute und Morgen

Wenn das Team nicht mitzieht: „Wir müssen unsere Entscheidungen auf der Basis unseres heutigen Wissensstands treffen. Was wirklich passieren wird, wissen wir nicht. Es kann also sein, dass wir heute glauben, richtig zu liegen und morgen rückblickend falsch lagen. Dennoch müssen wir uns heute festlegen, um zumindest für den Moment handlungsfähig zu bleiben.”

Einwände und Emotionen vorwegnehmen

Bei Hiobsbotschaften: „Mit der aktuellen Krise hat niemand gerechnet. Und wie wir darauf reagieren müssen, hatten wir uns niemals so vorgestellt (Beispiel: Kurzarbeit). Ich bin mir sicher, dass ihr heute von mir etwas anderes erwartet und dass ich euch enttäuschen werde. Es wäre seltsam, wenn ihr nicht verärgert wärt. Ich bitte euch dennoch darum, euren Ärger zurückzuhalten und mir bis zum Ende zuzuhören. Ich werde euch anschließend gerne alle eure Fragen beantworten.”

Selbstoffenbarung

Wenn von den Mitarbeitern eine Herkulesleistung abverlangt wird: „Glaubt mir bitte. Mir geht es damit auch nicht gut. Gleichzeitig erscheint mir das, was wir tun müssen, als absolut notwendig, mit der Hoffnung auf Besserung in wenigen Monaten.”

Metaebene

Bei gereizter Stimmung: „Wir können uns jetzt auch gegenseitig anschreien. Ganz ehrlich: Manchmal hätte ich dazu auch eine riesige Lust. Aber: Bringt uns das weiter? Daher schlage ich vor, all unsere Alternativen in Ruhe zu besprechen und dann eine gemeinsame Entscheidung zu treffen.”

Um Rat fragen

Bei Kritik aus dem Team: „Was würdet ihr an meiner Stelle tun? Lasst uns das mal durchspielen.”

Sich bedanken

Wenn die Führungskraft selbst unter Beschuss gerät: „Dass ihr mich hier so heftig angreift ist schmerzhaft. Dennoch möchte ich mich bei euch dafür bedanken. Schlimmer fände ich es, ihr würdet mir nicht ehrlich die Meinung sagen und mich stattdessen hinter meinem Rücken kritisieren.”

Perspektivenübernahme

Um Dampf aus dem Kessel zu nehmen: „Wäre ich an eurer Stelle, wäre ich genauso frustriert. Ich würde euch dennoch gerne meine Sichtweise erläutern: …”

Evolutionärer Prototyp und nächste Schritte

Um wieder produktiv zu werden: „Welche verschiedenen Möglichkeiten haben wir? Lasst uns das gemeinsam durchspielen … Mein Vorschlag lautet: Wir einigen uns jetzt auf eine Vorgehensweise. Sollten wir merken, dass sie nicht funktioniert, nehmen wir Anpassungen vor. Oder haben wir andere Möglichkeiten, um handlungsfähig zu bleiben?”

„O.K. Wenn wir diesen Plan verfolgen, wie lautet dann der nächste Schritt?”


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